Die Sonnenanbeterin. Nieke V. Grafenberg

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Die Sonnenanbeterin - Nieke V. Grafenberg

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lebendig wird.

      Nur - in dem Jahr war alles ganz anders.

      Ich sehe mich im selben Alpenpark , den Blick erhoben zu den nahen Bergen. Wie mit Löffeln abgestochene Nocken säumen sie den südwestlichen Horizont und bilden eine düster-bucklige Silhouette.

      Feuchtigkeit lag in der Luft, ließ sich wie kühler Nebel auf Haar und Haut nieder. In der geschützten Nische beim Murmeltierbrunnen lockte eine Bank. Für ein paar einschläfernde Minuten lauschte ich dem stetig plätschernden Quell. Ich ließ mich treiben.

      Bis der erste Tropfen auf meine Hand fiel.

      Gleich würde es regnen, ich stand auf. Es galt, sich im Zimmer einzurichten.

      Vorerst schlief Rieke an meiner Seite. Sanne hatte die an unser Zimmer anschließende Mansarde für sich, bis Ulli aus Italien eintraf. Sein Ankunftstermin war vage angekündigt, er brachte es einfach nicht fertig, sich festzulegen. Die Hotelleitung kannte das schon, obwohl - glücklich war man nicht darüber.

      Herr Leo, dessen Allmacht bis in die Anmeldung reichte, sang schon mal ein diskretes Lied von Gästen dieser Art. Wenn er sich einmal herabließ und erzählte, machte er den Hals lang, hob das glattrasierte Kinn an und blickte leicht erhöht und arrogant aus halbgeschlossenen Lidern über uns hinweg ins Leere. Bewegte beim Sprechen kaum die Lippen, strich dabei mit Daumen und Zeigefinger sein gepflegtes rötliches Oberlippenbärtchen glatt. Weiß der Teufel, wie er zu dem Rotstich kam - sein Haupthaar lockte sich dunkelbraun.

      Das war auch gut so, denn seine hochgewachsene Erscheinung und eine auffällige Vorliebe für schreiende Jacketts machten ihn ohnehin unübersehbar. Er trug sie großkariert, kleinkariert und gestreift, liebte Hahnentritt und Pepita. Alles in extravaganten Farbtönen.

      „Heute wieder ein neues Jackett, Herr Leo?“

      „Nu na net“, winkte er stets bescheiden ab und versuchte, seine Genugtuung hinter der Bemerkung zu verbergen: „Das hier gehört längst auf den Flohmarkt!“

      Herr Leo sagte die Wahrheit. Er trug sie nur morgens. Ich weiß nicht warum, erst ab mittags ging er behutsam mit Farben um.

      Als ich in unserem Stockwerk die Zimmertür aufsperrte, hörte ich das schrille Läuten des Telefons. Johanna war dran. Sie war erfolglos geblieben, hatte nichts Näheres über die Hintergründe des Todesfalles erfahren können.

      „Leo hat sich zugemacht wie eine Auster.“ Ihre Stimme klang pikiert vor Enttäuschung. „Vielleicht spuckt er ja später die Perle aus? Im Moment weiß ich nur, dass ein Haufen Polizisten ein und aus ging. Bärlein ist ihnen beim Personaleingang begegnet.“

      Der Personaleingang war ein von Gästen kaum genutzter Seiteneingang. Dort stand ein Lieferauto quer, doch den Fahrer hatte man bis zur Stunde nicht auftreiben können. Kein Durchkommen für Sargträger, daher der unübersehbare Leichentransport durch das Hauptportal.

      Johanna formulierte unerschrocken:

      „Sie konnten das Ding ja schlecht hochkant stellen - oder?“

      Noch während sie weiterredete, begann ich mit meiner Bestandsaufnahme. Unsere Zimmer waren einladend hergerichtet, die Sitzmöbel mit neuen Bezügen. Leinenvorhänge in frischen Farbtönen erinnerten an Laura Ashleys Blumenmuster, säumten die seeabgewandte Fensterfront in ihrer ganzen Länge. Sämtliche Bezugstoffe harmonierten farblich untereinander und mit dem Veloursteppichboden. Ein modernes Landschaftsaquarell passte sich an.

      „Findest du das nicht auch alles reichlich sonderbar?“

      Ich schrak zusammen. Dann fiel es mir ein. Johanna war noch immer beim Aufsehen erregenden Leichentransport, konnte sich nicht so leicht von dem Thema lösen. Ich wiegelte ab, zum Nachdenken war ich noch gar nicht gekommen. Sicher, auf den ersten Blick war einiges sonderbar, anderes dagegen erschien mir völlig normal. Bärlein zum Beispiel, der als letzter zu unserem Freundeskreis gestoßen war, verweigerte als einziger in unserer Runde den gebührenfreien Parkplatz wenige Meter hinter dem Alpenpark. Er pflegte seinen auf Hochglanz polierten BMW auf einem reservierten Stellplatz direkt am Hotel abzustellen.

      „Er glaubt, so nahe am Haus wird das beste Stück nicht geklaut. Mich wundert, dass er die Reifen nicht abmontiert und unter dem Bett verstaut.“

      Unbekümmert machte Johanna sich über die Vorsichtsmaßnahme ihres bedächtigen Lebensgefährten lustig. Sie ließ Autos immer und überall bedenkenlos offen. Auch Bärleins.

      Für ihn war das einer der Gründe, auf ein neuerworbenes Büschel grauer Haare hinzuweisen.

      „Wir sind nur noch zusammen, weil ich so duldsam bin“, behauptete er, um sie zu ärgern.

      Johanna war seine Gelassenheit ein Dorn im Auge. Je nach Laune schlug sie zurück.

      „Typisch Waage - ein viel zu stoischer Charakter für mich. Vielleicht sollte ich mich mal nach einem Widder umsehen?“

      Sie hob das Kinn und warf Bärlein aus halb geschlossenen Lidern einen vernichtenden Blick zu.

      „Es heißt, so ein Widder-Mann bringt nicht nur sein Auto auf Hochtouren! – Er wienert es auch nicht, während andere noch schlafen !“

      Bei diesen und ähnlichen Gelegenheiten gab Bärlein sich ungerührt, durch derartige Sticheleien war er absolut nicht aus der Ruhe zu bringen.

      Es war ein Wunder, dass er mitgekommen war. Sein Sinn stand nicht nach wandern, normalerweise ging er nur Johanna zuliebe mit. Sein Kommentar nach einem Blick auf seine kurzen, stämmigen Beine in den roten Wanderkniestrümpfen war ein resigniertes:

      „Leichter Aufstieg ... nicht weit ... ihr habt gut reden! – Bei meiner Schrittlänge muss ich doppelt so viel ackern wie andere, bevor ich am Ziel bin.“

      Eigentlich hatte ich große Lust, mit Johanna zu plaudern, doch der Nestbau hatte erst einmal Vorrang.

      Wir verabredeten uns für später in der Halle.

      Bis auf den traurigen Vorfall und die Renovierung der Zimmer war also alles wie sonst. Ein Korb mit Früchten, Müsliriegeln und ein paar Leckereien stand auf dem Tischchen neben dem Schreibsekretär. Der kleine Barschrank summte leise.

      Ich sah nach, vom Bademantel bis zum Nähzeug war alles vorhanden. Auf den Kuschelkissen lagen Betthupfer in rosa und hellblauem Stanniolpapier. Ich wickelte eins aus und machte mich ans Auspacken. Kommode, Regale und Nachttisch waren im Nu mit tausenderlei persönlichen Dingen dekoriert. Die Einbauschränke im Nebenzimmer ließ ich unangetastet. Dort konnten sich Rieke und Sanne später ausbreiten.

      Mechanisch öffnete ich die Fensterflügel, um saubere Bergluft hereinzulassen. Ein kräftiger Windstoß trieb mir die Vorhänge ins Gesicht, als wolle er mich aus dem Zimmer wischen. Es war recht finster für die Tageszeit.

      Auf der eingezäunten Grasfläche neben dem Skistall drängten die zahmen Ziegen sich eng aneinander.

      Ein bleicher Mond, gefangen hinter schwarzer Watte. Wolkenfetzen lösten sich ab, zogen davon, ließen sekundenlang sein Mondgesicht sehen.

      Donnergrollen.

      Abends zum Essen erwartete uns ein Konzert mit Pauken und Trompeten. Max und sein Bassbariton würden wohl kaum zu Wort kommen!

      Ich

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