Ich durfte alles und habe oft teuer bezahlt. Susanne Albers

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Ich durfte alles und habe oft teuer bezahlt - Susanne Albers

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      Ich fand das Atmen das Schlimmste. Oh Graus, mir wurde ganz anders. Aber sonst hörte ich nur das Rattern der Maschine, die die Gehirnströme aufzeichnete… und sonst… nix weiter. Es war doof.

      Auch das Blutabnehmen ging, ich hatte keine Angst vor dem Piecks, ich fand es alles unglaublich spannend.

      Anschließend brachte mich die Sprechstundenhilfe zurück zu meiner Mutter und Dr. Blumenbach. Das EEG Papier legte sie vor ihn auf den Schreibtisch. Unglaublich schnell blätterte er die Seiten um, las das EEG, machte hier und da einen Kringel …. Ach so… wichtig … er benutzte noch einen ganz alten Tintenfederhalter mit Kolbenaufzug … keinen Kuli … alles sehr chic … Dann nahm er meine Patientenkarteikarte und machte mit diesem Füller seine völlig unleserlichen Notizen.

      Im nächsten Moment wandte er sich uns zu und sagte: „Das EEG ist unauffällig, alles in Ordnung. Blut sehen wir in einer Woche. Susanne nimmt ab jetzt Tabletten. Primidon. Dann schrieb er meiner Mutter einen Aufdosierungsplan, erkundigte sich kurz, ob wir alles verstanden hätten und erhob sich, um uns zu verabschieden.“

      Er gab uns die Hand und wünschte uns bis zum nächsten Mal alles Gute. Wir verließen das Zimmer und machten uns mit dem Rezept auf zur Apotheke.

      Für die Zeit von 1976 bis 1988 sollte er mein behandelnder Neurologe bleiben. In dieser gesamten Zeit sind alle geschriebenen EEGs bei Dr. Blumenbach ohne Befund. Ich werde viele weitere Grand Mal Anfälle bekommen.

      4. Epi und Spasti

      So langsam dämmerte es mir, auf was ich mich fürs Leben eingelassen hatte. Epilepsie also. Diesen blöden Spruch mit dem hirnorganischen Anfallsleiden hätte er sich auch sparen können. Ich war also ein Epi.

      Wenn wir uns als Kinder gestritten hatten, warfen wir uns Schimpfworte an den Kopf. So machen es alle Kinder. Spasti durfte ich nicht sagen, das hatte meine Mutter mir sehr früh erklärt. Das seien arme Behinderte, die man Spastiker nannte und über die man sich nicht lustig machen durfte. Über Epileptiker oder deren Krankheit war noch nie in meiner Familie gesprochen worden.

      Was tat ich als Kind also, wenn z. B. Jörg mich geärgert hatte? Ich schrie ihn an: „Du blöder Epi, du blöder Epi!“

      Ich hatte damals ums Verrecken keine Ahnung davon, ich fand mich total toll … „Lolli, du Epiarsch“ entfuhr es meinem Mund. Und das andauernd beim Streit. Meine Mutter hörte es, auch zu ihr sagte ich mal: „Mama Du bist ein Epi“ als ich mein Zimmer aufräumen sollte. Sie meckerte nicht, sie wusste ja nicht, was das war.

      Bis zum ersten Anfall von mir …

      Ich bekam ein mega schlechtes Gewissen. Oh Gott, was hast du nur all die Jahre Schlimmes gesagt, dachte ich mir. Und nun das: ich bin ein Epiarsch.

      Ich glaubte ernsthaft, das ist die Strafe Gottes … ach was … glaubte … irgendwie glaube ich es immer noch. Ein ganzes Kinderleben lang stritt ich mich mit den Worten: „Du Epi, Du Blöder“ und jetzt ereilt mich der Zorn Gottes und ich bin selber zum Epi geworden.

      All die Jahre vergingen und nie fand Dr. Blumenbach einen Herd oder sonstigen pathologischen Befund in meinem EEG. Woher sollte ich es also haben? Diese Epilepsie? Im Kopf bei mir ist alles okay sagt das CT und heute MRT.

      Meine späteren Ärzte sagten, dass die Untersuchungsmethoden noch nicht soweit sind, auch diese Mini Anfallsauslöser in meinem Gehirn zu finden seien. Okay, fürs Erste glaube ich Ihnen. Jedoch werde ich mich auch weiter an meine Kindersünde „Du Epi“ erinnern.

      Und wenn ich mich dann einmal wieder an damalige Zeiten erinnere, stelle ich heute fest, dass ich meinen Frieden mit Gott geschlossen habe. Wenn es gar nicht anders geht, schlage ich die Bibel auf, und lese den Zweiten Korintherbrief Kapitel 12:

       12,7 Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. 12,8 Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. 12,9 Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. 12,10 Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.

      5. Blau angelaufen, 3 Anfälle im Schlaf

      Nach und nach, immer in Hab Acht Stellung, normalisierte sich unsere häusliche Situation. Mit dem Schrecken davon gekommen war ich nicht, auch die Sorgen meiner Eltern um mich machten ja nur Pause bis zum nächsten Anfall. Ob man sich daran gewöhnen kann, weiß ich auch nicht. So Einiges kristallisierte sich jedenfalls heraus:

      Wir sprachen zuhause, im Familienkreis und näheren Freundeskreis offen über die Epilepsie. Wir verheimlichten nichts.

      Meine Mutter hatte einen prima Satz, an den ich mich noch heute immer wieder erinnere:

      „Susanne, du kannst ja machen, was du willst, aber wenn du meine Meinung dazu hören willst …“

       Damit war alles erklärt, es gefiel ihr nicht, was ich vorhatte.

      Uns allen war irgendwie klar, dass Dieses oder Jenes für mich gefährlich ist. Heutige „Helikoptereltern“ überbehüten ihr Kind. Meine Eltern ließen mir unglaublich viele Freiheiten und schränkten mich nicht ein. Das übliche, du darfst wegen des Flackerlichts nicht in die Disko, wurde zwar angesprochen, aber nicht reguliert oder als Gesetz geregelt. Wir waren alle sehr feinfühlig. Klar spürte ich, welche Sorgen sich meine Eltern machten, ich konnte ihre Befürchtungen erahnen, auch wenn es nie direkt und offen à la „du kannst bei nächsten Anfall sterben“ ausgesprochen wurde. Meinerseits – analog zum Kinderheimscenario „wir bringen dich wieder zurück“, war ich meinen Eltern gegenüber zunächst sehr rücksichtsvoll und war anfangs vorsichtiger.

      Die großen Anfälle hatten es auch wirklich in sich. Ohne jede Voranmeldung bin ich einfach so aufs Gesicht gestürzt ohne mir mit den Armen zu Hilfe zu kommen und fing an zu krampfen, zu zittern, urinierte, kotete nicht, biss mir auf die Zunge, stieß mich hier und da, alles wie aus dem nichts in den unmöglichsten Situationen. Wir sind nicht aus Vorsicht zuhause geblieben. Meine Eltern nahmen mich überall mit hin. Und so geschah es beim Familienfest, im Supermarkt, im Freibad, im Restaurant… wo auch immer, und natürlich auch im Schlaf. Meine Eltern hörten vom etwas entfernteren Elternschlafzimmer meinen Initialschrei im Kinderzimmer, kamen angelaufen und fanden mich mitten in der Nacht am Krampfen.

      3x kamen sie fast zu spät, mein Kopf war unter dem Kopfkissen bereits blau angelaufen, sie drehten mich um, schüttelten mich, als der Anfall bereits vorbei war, dann setzte meine Atmung wieder ein. Weitere zwei Male später kam der Hausarzt Dr. Brunswig nachdem ihn mein Vater mitten in der Nacht verständigte und reanimierte mich. Zu der Zeit war ich etwa 13 – 15 Jahre alt. Meine Anfälle dauerten im Schnitt jeweils 2o Minuten.

      Und alle EEGs waren danach bei Dr. Blumenbach ohne Befund.

      6. Kind im Gitterkäfigbett

      Ich persönlich kannte ja nur meine Anfälle vom Hören Sagen. Ich hatte noch nie einen epileptischen Anfall gesehen. Das sollte sich ändern. Zur genaueren Diagnostik schickte mich Dr. Blumenbach ins Städtische Klinikum Lüneburg auf die Kinderstation.

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