Pauls Antiweichei-Plan. Eike Ruckenbrod
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Paul schluckte die Bitterkeit hinunter und lief den Schotterweg entlang auf das Wohnhaus zu. Sein Blick streifte durch den riesigen Garten und über den Teich, der jetzt fast im Winterschlaf lag.
Im Sommer ist es hier sicher richtig chillig, stellte er nicht ohne Neid fest.
Strahlend stand die Hausherrin im Türrahmen und begrüßte den Jungen voll Wärme und Freude. Sofort verschwanden seine unguten Gefühle und er ließ sich gern in die Wohnstube führen. Frau Wieler deutete auf das Sofa.
„Setz dich hierher! Was möchtest du trinken? Einen Tee, Kaba oder Kaffee?“, fragte sie aufmerksam.
„'ne Cola?!“
„Eine Cola. Ich habe leider keine Cola im Haus, aber das nächste Mal werde ich dir eine besorgen“, versprach sie.
„Nein, nein, das ist echt nicht nötig. Ich trinke auch Wasser.“
Veronika Wieler humpelte in die Küche.
Der Junge ließ seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Im Kaminofen prasselte ein Feuer, das den Raum in eine angenehme Wärme hüllte. Die alten Möbel sahen schön und gemütlich aus. Einige Fotos standen auf dem Kaminsims und hingen an den Wänden. Dicke Teppiche strahlten Behaglichkeit aus. Ein zarter Duft nach Veilchen, Kamillentee und Gebäck schwebte im Raum.
Ein Kanarienvogel zwitscherte ununterbrochen und flatterte aufgeregt im Käfig hin und her.
Frau Wieler betrat mit einem Tablett die Stube. Sie trug eine karierte Schürze. Klammern hielten ihr graues Haar zurück. „Tja, Hansi, da staunst du, was? Heute haben wir Besuch“, sagte sie liebevoll zu dem Vogel und wandte sich dann an Paul. „Jetzt stärkst du dich erst einmal, bevor wir loslegen.“
Sie stellte das Tablett auf dem Tisch ab und vor Paul eine Flasche Apfelsaftschorle und einen Teller mit einem dicken Stück Kuchen drauf.
„Ich habe leider beim Kuchenbacken den Zucker vergessen und ihn drübergestreut.“ Sie lächelte entschuldigend. „Ich hoffe, er schmeckt dir trotzdem.“
Paul nickte zuversichtlich. „Wow, der duftet echt hammer. Vielen Dank.“ Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
Die alte Dame lächelte zufrieden und setzte sich in einen der hohen Ohrensessel. „Na, wie war dein Tag?“
Paul dachte nach, während er den leckeren Kuchen genoss. Der Zucker knirschte zwar zwischen den Zähnen, aber das störte ihn keineswegs. „Na ja, Jannik und Moritz haben ganz schön gestresst.“ Frau Wieler nickte, während sie in der Teetasse rührte. „Ging‘s um Mädchen?“
Paul verschluckte sich fast und schüttelte hustend seinen roten Kopf.
„Nein, natürlich nicht“, meinte die alte Dame amüsiert und ihre Augen funkelten schelmisch. „Isabel, meine Enkelin, ist in deinem Alter. Vielleicht lernst du sie mal kennen. Wer weiß? Sie ist sehr hübsch, aber leider eine verwöhnte Zicke. Du hast etwas Besseres verdient!“
Paul konzentrierte sich schweigend auf das Stück Kuchen, das viel zu schnell in seinem Mund verschwand.
Wenn ich ganz kleine Bissen nehme, hält es doppelt so lang …
Veronika Wieler beobachtete ihn. „Er schmeckt dir nicht. Du kannst es ruhig zugeben.“
„Doch, echt. Er ist voll lecker. Ich hab schon ewig keinen so guten Kuchen mehr gegessen.“
„Na, dann iss tüchtig, später bekommst du noch ein Stück.“
Nun stopfte Paul sich den Mund voll und kaute mit dicken Backen. Frau Wieler nickte zufrieden. Dann erzählte sie von früher, von ihrem Mann, seinem Geschäft und seinem Hobby, dem Gitarre spielen. Die alte Dame lächelte entrückt vor sich hin. Dann richtete sie ihren glasigen Blick auf den Jungen. „Ich hoffe ich langweile dich nicht.“
Paul schüttelte energisch den Kopf. „Nein, nein, erzählen Sie ruhig weiter.“ Er hoffte auf ein weiteres Stück Kuchen.
„Dann wurde er krank und musste nach und nach seine Leute wieder entlassen. Das tat ihm sehr weh. Er hätte sich sicher gefreut, dich kennenzulernen. Du hättest ihm mit deinem Gitarrenspiel eine große Freude bereiten können.“
Paul nickte. Frau Wieler lächelte herzlich. „So, genug geplaudert, jetzt zeig mal, was du kannst!“
Paul wischte sich die Krümel vom Mund, stand auf, holte die Gitarre und stimmte sie. Frau Wieler beobachtete jede Bewegung des schlanken Jungens.
Schließlich fing er an, leise zu spielen. Die alte Dame saß lächelnd mit geschlossenen Augen in ihrem Sessel und schaukelte sanft hin und her. Paul blickte sie aufmerksam an. Eine wohlige Wärme durchflutete ihn. Schon jetzt hatte er sie in sein einsames Herz geschlossen.
Nach einer Weile hielt er inne und Frau Wieler schlug die Augen auf. „Was ist? Bist du schon fertig?“
„Ich soll doch die Lieder aus dem Heft üben, oder?“
„Stimmt, aber deine sind auch sehr schön.“
Frau Wieler blätterte in dem Heft und entschied sich für „Hoch auf dem gelben Wagen“. Paul sah sich die Noten und Griffe an und begann zu spielen. Schon bald klang es ganz passabel und die alte Dame konnte mitsingen. Immer und immer wieder spielte Paul die Melodie, bis sie perfekt war und sie lachend aufhörten.
„Das war wunderschön“, freute sich Frau Wieler mit leuchtend roten Wangen.
Paul sah lächelnd aus dem Fenster und erschrak, da es schon dämmerte.
„Wie spät ist es denn?“
„Halb fünf.“
„Wie lang kann ich bleiben?“ Paul hatte keine Ahnung, wann alte Leute ins Bett gingen.
„Solange du möchtest, oder meinst du ich habe heute noch eine Verabredung?“ Sie zwinkerte.
„Ne … Ich meinte ja nur … Vielleicht sind Sie müde.“
Die Hausherrin lachte amüsiert. „Von was sollte ich denn müde sein? Aber du bist sehr aufmerksam.“
Paul zog geschmeichelt die Mundwinkel nach oben. In diesem Augenblick dachte er eine Sekunde lang an Elisa. Sofort reagierte sein Herz laut pochend. Hastig packte er die Gitarre in die Hülle.
„Nein, bitte nicht. Spiel mir noch ein paar von deinen Melodien!“, bettelte die Frau. Der Junge ließ sich überreden und nahm sein Instrument wieder zur Hand. Glücklich schenkte sie ihm Apfelsaft nach.
„Trink, Junge! Möchtest du noch was essen?
Ich gebe dir nachher ein paar Stücke Kuchen mit.“
Paul spielte noch eine halbe Stunde weiter, dann fiel ihm siedeheiß seine Bioarbeit ein. „Shit, ich muss noch Bio lernen. Kann ich noch schnell aufs Klo?“
„Ja, zur Tür raus, dann die Stufen hoch, rechts hinten.“
Paul