Oskar trifft die Todesgöttin. Jörgen Dingler
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Christine grinste noch breiter als zuvor. So, als dachte sie sich:
‚Wart‘s ab, mein Lieber, das Beste kommt noch!‘
Jean-Pierre war die ganze Zeit über gar nicht zu merken. Oskar drehte sich nach hinten. Kein Wunder: Er hing in seinem Sitz und schlief mit aufgesetzten Ray-Bans und iPod fest wie ein Baby. Oskar schmunzelte. Er mochte diesen Burschen, der ihm anfangs alles andere als geheuer war. Seine damalige Abneigung war nichts anderes als männliches Konkurrenzdenken. Er war eifersüchtig auf ihn gewesen, bereits beim ersten Aufeinandertreffen eifersüchtig auf einen anderen Mann an Christines Seite. Weil es ihn vom Start weg erwischt hatte, er sich vom Fleck weg in die nunmehrige Helikopterpilotin verliebt hatte. Als er den schlafenden Jean-Pierre schmunzelnd und fast brüderlich mitfühlend ansah, wurde ihm das zum ersten Mal wirklich bewusst.
Er liebte Christine vom ersten Aufeinandertreffen an. Verrückt. Wie im Kino oder Kitschroman.
Die Schräglage brachte den Helikopter ins Landesinnere zurück, was bald von einer Stimme im Headset quittiert wurde. Oskar erschrak unmerklich, er sah zu Christine, die wieder einmal absolut cool blieb.
»Varicopter two, you‘ve left coastsector three for about three minutes and are heading to the East.«
»Weiß ich selbst!«, blaffte sie, um erst dann den Knopf für den Sprechfunk nach außen zu betätigen. »I know, sorry, Manuel«, piepste sie reumütig.
Was f ü r ein Biest! Kommst du mit sowas eigentlich immer durch, mein Schatz?
»Que pasa, Christine? Problemas?«, fragte der Fluglotse.
»No, sightseeing.« Sie grinste schelmisch. Es folgte eine süßliche Konversation auf Spanisch. Wer konnte einer Christine Vaarenkroog schon böse sein? ‚Manuelito‘ auf jeden Fall nicht. Okay, Pedro konnte. Christines Gesicht verfinsterte sich.
»Tagsüber scheißen sie sich mit ihren Flugkorridoren echt an. ‚Frei wie ein Vogel‘? Am Arsch! Nervig wie die rush hour am Place de l‘Etoile.« Ihr säuerlicher Nachtrag auf Deutsch war nicht mehr für den guten Manuel bestimmt – eine ungewohnt derbe Wortwahl für das vornehme Christinchen. Klang mehr nach Oskar.
Mein schlechter Einfluss auf das hochwohlgeborene Hanseatent ö chterchen.
Irgendwie musste er in diesem Moment etwas loswerden, was gerade nicht daher passte. Es bestand die Möglichkeit, ihr das nicht mehr allzu oft sagen zu können… oder allzu lange.
»Ich liebe dich, Christine«, sprach er leise ins Mikrofon des Headsets.
Sie drehte sich zu ihm, sah dann wieder nach vorn und stülpte die Unterlippe vor. Kein Kommentar von ihrer Seite, keine sonstige Mimik, keine Freude.
Verdammt! Vergiss nie ihre Empathie und halte dich mit tiefsinnigen Liebesbezeugungen zur ü ck!
Aber Liebe hat ihre eigenen Gesetze. Gesetze, die jeder Vernunft und vor allem Vorsicht widersprechen können. Die Art, in der sie auf einmal den Helikopter nach unten drückte und beschleunigte, widersprach ebenfalls jeder Vernunft. Sie rauschten die Westküste in einer ‚Höhe‘ entlang, bei der man fast den großen Zeh aus der Tür halten konnte, um festzustellen, ob das Wasser warm genug zum Baden war. Der schnittige Varicopter raste in maximal 50 Metern Höhe die Küste entlang. So erschraken dann auch die wenigen Badenden, als sie Stellen passierten, an denen sich vereinzelt jemand zu Wasser ließ. Bei Christine war die Formulierung ‚ein Fortbewegungsmittel beherrschen‘ mehr als angebracht. Sie gehörte nicht zur Masse derer, die selbst als Lenker eher Passagier sind. Ihrem schelmischen Gesicht war abzulesen, dass auch bei Vermeidung der Jetkorridore das Motto ‚no risk no fun‘ nicht zu kurz kam. In Anbetracht der Geografie ließen sich hier nur vereinzelt Menschen zu Wasser. Die West- oder eher Nordwestküste war nicht gerade die Küste der Traumstrände. Landschaftlich durchaus beeindruckend, aber unter Badeparadiesen verstehen Urlauber etwas anderes. Die Küste wurde immer noch unwirtlicher, aber auch landschaftlich beeindruckender, je weiter sie nach Norden kamen. Nachdem ausnahmsweise sogar ein kleiner Sandstrand aufblitzte (den Christine zum letzten Erschrecken der Badenden nutzte), stiegen die Felsen immer dunkler, bedrohlicher und senkrechter in die Höhe. Oskar vermutete richtig, dass sie sich im wahrsten Sinn des Wortes dem Höhepunkt näherten, den höchsten küstennahen Felsen, etwas südwestlich des Nordkaps der Insel.
Der Zielpunkt der Reise. Maryfuego.
Die vulkanische Landschaft unterhalb der Lavawände wurde gleichsam mit dem Ansteigen der Felsen immer weitläufiger, sodass Christine den Helikopter von oberhalb des Meeres landeinwärts ziehen konnte. Unter ihnen flog die dunkle Küste vorbei, auf der rechten Seite erhoben sich steile, dunkle, in Schichten farbige Wände, die ein wenig an die Felsformationen des Grand Canyons erinnerten. Diese Wände mussten in der Tat mehrere hundert Meter hoch sein. Nur machte es einen Unterschied, ob man sie am Pool sitzend in einer Senkrechtaufnahme von Google Maps sieht oder mit ein paar hundert Sachen nahe an ihnen vorbeirauscht.
Jetzt müssten sie bald da sein. Sie zog den Heli fast rechtwinklig landeinwärts und hielt genau auf die riesige Wand zu. Die Faszination der Farbigkeit und Struktur jahrtausendelang erkalteter Lava konnte leider nichts von ihrer Bedrohlichkeit nehmen. Vor allem deswegen nicht, weil diese sicher gut einen halben Kilometer hohe Wand auf sie zuraste. Die Pilotin riss den Heli erst knapp vor der Wand hoch, sodass man den Eindruck bekam, als würde man das atemberaubende Vulkangestein senkrecht in einem Höllentempo hochfahren. Spätestens jetzt stand außer Frage, warum Christine ihre Passagiere im Befehlston ermuntert hatte, sich anzuschnallen.
Als sie den Scheitelpunkt passierten, stellte Christine den Heli derart abrupt waagerecht, sodass er einige zig Meter oberhalb der Kante wie ein unter Wasser gedrückter und losgelassener Korken auf einer imaginären Wasseroberfläche hüpfte. Wie Christines sonstigen Fortbewegungsmittel musste auch der Varicopter eine Hochleistungsausgabe seiner Gattung sein, der Flugmanöver einer Ausnahmepilotin wie ihr ermöglichte. Bei dem abrupten Abfangen des Luftfahrzeugs fand sich Oskars Magen gefühlt in seinem Kopf wieder. Gleichsam mit dem nachlassenden Nachschaukeln des Helis sank sein Magen wieder in Richtung Ursprungsposition. Der Heli schaukelte nicht mehr, stand reglos in der Luft. Oskar atmete durch und sah… nichts! Christine drückte den Varicopter rückwärts, setzte langsam in der Luft zurück. Jetzt sah er etwas. Immer mehr, je weiter der Heli sich nach hinten bewegte. Das war also die Großaufnahme dessen, was sich im Satellitenbild eher unspektakulär ausmachte. Was für Christine galt, galt wohl auch für all ihre Besitztümer.
Die Realität toppt jede Abbildung. Das ist also Maryfuego – Meer und Feuer. Noch eine Luxusfestung.
Maryfuego war höhlengleich fast komplett in den Fels gehauen. Der Helikopter senkte sich langsam wie zuvor Oskars Magen, sodass er die Anlage besser bestaunen konnte. Genau das tat er. Er staunte Bauklötze.
»Jetzt kannst du sagen, dass du mich liebst«, unterbrach Christine sein Staunen, indem sie mit ungewohnt dunkler Stimme in das Mikrofon ihres Headsets sprach. Sehr sexy. Normalerweise hatte sie eine glockenhelle, aber freche, mädchenhafte Stimme. Eine Stimme so süß wie die ganze Frau.