Der Koffer meiner Frau. Klaus Werner Hennig

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Der Koffer meiner Frau - Klaus Werner Hennig

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      Klaus Werner Hennig

      Der Koffer meiner Frau

      Capriccios III

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Der Koffer meiner Frau

       IM Susi

       IM Kohlhaas

       IM Zitrone

       Mobbing

       Der Brief des Oberingenieurs Kurt Prüfer an seinen Sohn Paul

       Mein Haus erzählt

       Relativität der Zeit

       Exkommuniziert

       Nachbars Krähe

       Matriarchat im Hühnerhof

       Impressum neobooks

      Der Koffer meiner Frau

      Schuld an allem war meine Frau. Ich wollte kein Grundstück verkaufen.

      „Meine Großmutter hat immer gesagt, ob Krieg, Inflation oder Revolution, nichts ist wertbeständiger denn Grund und Boden!“

      „Aber Esszimmermöbel aus Kirschbaumholz“, belatscherte mich meine Frau, „überdauern die Zeiten ebenso!“

      „Wozu ein Esszimmer, frage ich dich, wo du eh abnehmen möchtest?“

      Nicht auszuhalten! Unentwegt sammelte sie Prospekte, stapelte Kataloge, stürmte Möbelhäuser, prüfte Sonderrabatte, lernte den Zollstock handhaben.

      Drei Wochen später: Termin beim Notar mit dem Makler.

      Am Abend vor der Reise bekam ich Herzrasen und sehr hohen Blutdruck. Meine Frau entschied, wir fahren Bahn!

      „Aber“, wandte ich ein, „wir sind zwanzig Jahre nicht Bahn gefahren.“

      Dienstreisen – stets mit dem Auto. In die Stadt – nur mit dem Auto. Einkaufen – alles im Auto. In den Urlaub – immer im Auto. Und auf einmal mit der Bahn. Meine Frau blieb eisern.

      Ein Parkplatz am S-Bahnhof ist reine Glücksache. Links die Tasche, rechts den Koffer. Meine Frau half mir tragen. So stolperten wir die Treppe zum Bahnsteig hinauf. In zwei Minuten würde die S-Bahn einfahren, aber wir hatten keine Fahrkarten. Ich rannte die Treppe wieder hinunter. Nichts. Wo früher der Fahrkartenschalter war, befand sich ein Blumenladen. Ein Bahnhof ohne Fahrkartenschalter? Ich befragte die Blumenfrau. Die Vietnamesin lächelte sanft: „Oben auf Bahnsteig das Automat, bitte schön.“ Ich kaufte eine Rose. Meine Frau strahlte. „Die Fahr­scheine?“ Da fuhr der Zug ein. Meine Frau schnappte den Koffer. Ich hielt sie zurück. „Die Strafen für Schwarzfahren sind immens!“ Der Zug fuhr ohne uns.

      Automaten gab es gleich mehrere für Getränke, Zigaretten, Süßwaren. Aber wir verspürten keinen Durst, sind Nichtraucher und zuckerkrank.

      „Der da dort könnte es sein!“ Volltreffer! Nun dürfte nichts mehr schiefgehen. Schließlich surfe ich Internet. Meinen Sohn befrage ich nicht mehr, der stichelt immer gleich: aber Opa! Frechheit, er hat überhaupt keine Kinder.

      Ein Gewirr von Informationen: Einteilung in Zonen. Wozu schon wieder Zonen? Die nächste S-Bahn kommt bestimmt. Nur welchen Knopf drücken? Meine Frau, examinierte Krankenschwester, probierte es. Auch diese S-Bahn fuhr ohne uns. Es kamen Kinder. Sollten wir die fragen, wie man heutzutage Fahrkarten löst?

      Tapfer nahm ich Koffer und Tasche, keuchte zurück zum Auto. Meine Frau hinter mir fluchte: „Wenn ich das vor vierzig Jahren gewusst hätte!“ Wir rasten zum Ostbahnhof, brausten durch die Unterführung, fanden das Plätzchen frei, auf dem ich gewöhnlich, während meine Frau einkauft, gebührenfrei parke.

      Mein Gedächtnis ist fotografisch. Indes, wo ich einst nach Saßnitz Fahrkarten löste, drängen sich heute Geschäfte: Back-Shop, Buchbasar, Schlüpferstube; Nagelstudio, Käseglocke, Thai-Imbiss; Strumpf­-Boutique, Wurstmaxe, Schuhsalon; Zeitungs-Center, Suppentopf, Solarium; Hypo-Bank, Quelle-Versand, Dönerstand. Wie in einem Warenhaus.

      Auffallend eine Warteschlange, da könnte der Fahrkartenschalter sein! Automaten ließ ich links liegen. Verflucht, verraten und verlassen, eine banale Postfiliale, Fahrkarten nirgendwo. Mein Blutdruck kletterte.

      „In zehn Minuten der Intercity“, barmte meine Frau und wies auf die elektronische Anzeige für Abfahrt und Ankunft. Wie auf einem Flughafen. Was tun?

      „Entschuldigung“, fragte ich das Fräulein am Computer hinter der Theke einer Auskunftei. „Wo finde ich den Fahrkartenschalter?“

      „Hier, Sie stehen davor, mein Herr, unmittelbar.“ Sie lächelte, als ob ich debil wäre. „Wohin reisen wir?“

      „Nach Erfurt, Intercity, zwei Personen, Fensterplätze!“

      Flink tippte sie ein, nannte den Preis. Ich war angenehm über­rascht. Da ergänzte sie: „In vier Wochen fahren, jetzt buchen!“

      „In vier Wochen?“ – „Wann bitte wünschen Sie?“ – „Na gleich!“

      „Da haben wir aber Glück! Zwei Plätze, allerdings kosten die!“ – „Ich glaubte, letzte Minute sei billiger?“

      Wir fuhren bequem, verhökerten das Grundstück so günstig, dass meine Frau sich ein gewagtes Schuhwerk zulegte. Sie behielt es gleich an. Am Ostbahnhof hüpfte sie freudig erregt, den Kopf voller Designermöbel, auf den Bahnsteig. Sie knickte, es knackte! Ich hätte sie geschubst, zischte sie, den Absatz in der Hand.

      „Macht nichts!“, tröstete ich, wedelte mit dem Kassenzettel, massierte den Fuß, hob den Koffer auf die Bank, nahm die alten Schuhe heraus und legte die Stöckeltrittchen hinein. Schweigend gingen wir zum Auto. Glückstreffer, der Wagen nicht gestohlen, die Reifen nicht zerstochen, die Rückspiegel nicht zerbrochen, der Lack nicht zerkratzt, die Scheiben nicht besudelt, unterm Wischerblatt kein Strafzettel, lediglich der Speiseplan eines Fressschuppens! Gut gelaunt warf ich erst

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