Der Koffer meiner Frau. Klaus Werner Hennig

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Der Koffer meiner Frau - Klaus Werner Hennig

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Absätze zu hoch, der Rock zu kurz, der Ausschnitt zu tief, das Haar zu bleich, der Nagellack zu grell. Ihr aufrechter Gang wirkt dressiert wie bei einem Mannequin. Trotzdem, nicht unsympathisch, befindet Frau Herz-Züblin.

      Ein Glaskasten mit Schiebefenster trennt die Küche vom Wohnzimmer. Durch Vasen und Gläser gebrochen, sieht sie IM Susi hantieren. Über der Couch hängen van Goghs Brücke in Arles, daneben die Absinthtrinkerin Picassos und Rembrandts Selbstporträt mit Saskia, mittelmäßige Farbdrucke in barocken Rahmen aus Gips gegossen. Gegenüber die Schrankwand aus beschichteten Spanholzplatten bis zur Decke reichend, über Eck gestellt, in Nussbaum poliert, mit eingebautem Plattenspieler, Farbfernseher und zwei Glasteilen, aus denen böhmische Kristallgläser bunt glitzern. Der Kaffee ist schnell gekocht. Das Geschirr steht auf einem Tablett schon parat, dunkelbraune Keramik aus Bulgarien, blumig gemustert, vor Jahren mitgebracht vom Urlaub am Schwarzen Meer. Dazu ein Teller mit frischem Käsekuchen. Susanne gießt den Kaffee in die Tassen, reicht lächelnd Zucker und Sahne. Frau Herz-Züblin bedankt sich wortreich für die freundliche Bewirtung, schaltet das Aufnahmegerät ein.

      „Wie gesagt, niemandem habe ich geschadet. Reinen Herzens kann ich das sagen. Wenn überhaupt einer zu Schaden kam, vornehmlich ich selbst. Den Kuchen habe ich extra für Sie gebacken.“ Susanne bedient Frau Doktor, setzt sich, nimmt auf ihren Schoß einen weißen Plüschhasen, den sie nebenher streichelt.

      Die Frauen rühren Zucker in den Kaffee. Susanne, auf Fangfragen gefasst, hat gestern sämtliche Unterlagen, die sie aufbewahrt, nochmals gelesen. Die Doktorsche scheint komplett nett zu sein. Susanne hatte befürchtet, wieder ins Kreuzverhör genommen zu werden, so wie von dieser Staatsanwältin, die unablässig auf IM Susi einhämmerte. Hingegen Frau Doktor agiert völlig anders. Fast überkommt Susanne das Gefühl, sich mit einer alten Freundin, die sie lange nicht mehr gesehen hat, über alles von damals richtig ausquatschen zu können. Aber Vorsicht, es könnte die Masche dieses Institutes sein. Vor solchen Verhaltensweisen war sie in den Reise­kader­schulungen immer wieder gewarnt worden. Hatte sie sich irgendwas vorzuwerfen? Schließlich war das Verfahren der Stadt Berlin vor der Strafkammer des Landes Berlin gegen Susanne Leuchtenbrink kurzerhand eingestellt worden. Sie ist und war keine Verbrecherin! Peinlich sind ihr die Verhöre heute noch. Nahezu beschämend, wie eine Kriminelle ausgestoßen und behandelt worden zu sein. Mit sofortiger Wirkung den Arbeitsplatz zu verlieren. Fehlten nur die Handschellen und die U-Haft in der Einzelzelle bei Wasser und Brot. Diese Grusel­geschichten, die ständig über die Haftbedingungen im Gewahrsam der Staatssicherheit kursieren, kann sie nicht wahrhaben, will sie nicht glauben. Isolationsfolter, Stockschläge auf Kopf, Nacken und Gesäß, Scheinhin­richtungen, Wasser­entzug, Psychoterror: das sind doch Gestapomethoden. Sie kannte nur gebildete Menschen, gepflegtes Äußeres, interessierte Gesprächspartner, die pflichtbewusst ihrer Arbeit nachkamen, tadellose Manieren hatten und solcher Missetaten keinesfalls fähig gewesen sein können. So war das und damit basta!

      „Das überrascht mich aber“, unterbricht Frau Herz-Züblin das Schweigen.

      „Bestimmt, ich backe gern“, bekennt Susanne kauend und möchte Frau Doktor ein weiteres Stück Käsekuchen aufnötigen.

      „Ich meine in Bezug auf: Sie hätten sich zuvorderst selbst geschadet, wie Sie sagen!“

      „Es ist aber so“, bekräftigt Susanne, den Hasen liebevoll streichelnd.

      „Wieso glauben Sie, sich zuvorderst selbst geschadet zu haben?“

      „Meine Ehe ist auseinandergegangen. Mein Mann dachte, ich ginge fortwährend fremd. Mein Führungsoffizier war Raucher. Das hat er gerochen. Ich durfte ihm ja nichts darüber sagen, mit wem ich mich wo und warum traf.“ Nach einigem Zögern: „Ich gebe zu, ich war nicht abgeneigt, hatte es darauf ankommen lassen.“

      „Worauf ankommen lassen?“

      „Meinen Führungsoffizier zu verführen.“ Susanne errötet, als wäre sie ertappt worden.

      „Oh und wieso?“ Da wird Frau Herz-Züblin richtig neugierig.

      „Sie stellen Fragen. Er war mein Typ, sehr höflich, einfühlsam, gebildet, stets korrekt gekleidet, aber nicht unmodern, äußerst gepflegte Hände. Ich schaue bei Männern immer zuerst auf die Nase und auf die Hände, die zeigen mir ihren wahren Charakter. Danach kam er immer zu zweit, vorsichtshalber. Ich war ihm bestimmt nicht gleichgültig. Wäre er sonst zu zweit gekommen? Schade, wenn ich ihn heute träfe, unter den veränderten Umständen, ich würde – na ja, ich denke oft über ihn nach. Bestimmt ist er verheiratet, hat mehrere Kinder. Einer von der treuen Sorte, die so begehrt sind. Kein Funktionsmuster einer Nullserie. Selten genug. Er hat nie über sich gesprochen, und trotzdem: er mochte mich. Das spürt eine Frau.“

      „Ihr Deckname war Susi, klang das nicht verräterisch?“

      Susanne bricht in hysterisch übersteigertes Gekicher aus. „Aber Frau Doktor, was heißt Deckname?“, prustet sie glucksend heraus. „Das waren doch keine Karnickelzüchter!“

      Frau Herz-Züblin nimmt einen Schluck Kaffee, gibt IM Susi die Zeit, sich zu beruhigen. Ziemlich albern und wenig witzig findet sie ihr Gehabe. „Ich meine, Ihr Rufname war doch bestimmt auch Susi?“

      „Auf Susi habe ich bestanden. Entschuldigen Sie. Wissen Sie“, erläutert Susanne wehmütig, „Susi durfte mich bloß meine Oma nennen. Alle anderen, auch meine Freundinnen nannten mich Su, einfach Su!“

      „So, Su? Und Ihre Mutter?“

      „Mein Gott, meine Mutter“, seufzt Susanne.

      „Wie nannte Ihre Mutter Sie?“

      „Fragen Sie, wonach Sie wollen, aber lassen Sie meine Mutter aus dem Spiel! Das Kapitel ist abgeschlossen.“

      „Gut, Ihr Kaffee ist wirklich gut.“

      „Ja, kochen konnte sie nicht, aber ihren Kaffee, den rühmten alle!“

      „Von welchem Kaffee sprechen wir?“

      „Von dem meiner Mutter natürlich.“

      Frau Herz-Züblin runzelt die Stirn.

      „Ihr Vater?“

      „Meinen Vater habe ich außer an den Feiertagen kaum gesehen. Er war ständig auf Achse. Früher war er auch daheim, aber da war ich noch klein.“

      „Haben Sie ihn vermisst?“

      „Nicht so sehr, wie Sie denken. Nach dem Krieg waren viele Kinder ohne Vater. Ich hatte ja einen. Heute haben viele Väter keine Kinder!“ Sie kichert schon wieder ungehalten. Frau Herz-Züblin bleibt unberührt, obwohl auch sie keine Kinder hat.

      „Und Sie, hatten Sie einen Vater?“ IM Susi drückt den Hasen fest an ihre Brust, lauert auf die Antwort.

      „Selbstverständlich, aber das tut nichts zur Sache! Was war mit Ihrem Vater?“

      „Mein Vater war am Tag des Mauerbaus in Westberlin. In Geschäften, hat meine Mutter gesagt. Immer war er in Geschäften unterwegs. Wir haben nichts mehr von ihm gehört.“

      „Sie kennen seine Akte?“

      „Ja, er war im Auftrag drüben, ist dort geblieben, hat mir die Staats­anwältin verklickert. Aber wir wussten das damals nicht.“

      „Haben Sie es geahnt?“

      „Nein. Meine Mutter

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