Wolkenschwäne. Mila Brenner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Wolkenschwäne - Mila Brenner страница 5
„Das war die andere Neuigkeit in dem ganzen Chaos. Grace ist schwanger.“
„Schwanger und eventuell bald alleinerziehend? Ach du scheiße!“
Ich verzog mein Gesicht. „Dein Optimismus ist unschlagbar, Sephie.“
„Was denn? Du hast doch selbst gesagt, dass er abgehauen ist.“
„Er muss über ein paar Dinge nachdenken. Laut Grace ist das nur seine Art, ein Problem mit sich allein auszumachen.“
„Sie glaubt also er kommt zurück?“
„Er sagt, es ginge nicht um sie beide.“
„Aha.“ Meine Freundin sah nicht überzeugt aus und machte eine wegwischende Handbewegung. „Ich sag dir was. Das ist viel zu kompliziert für uns. Wir Singles sollten nicht über die Eheprobleme von anderen nachdenken. Das ist ein Dschungel bei Nacht, dem wir nicht zu nahe kommen sollten. Es wimmelt in der Ehe nur so von Schlangen und anderem giftigen Getier.“
Obwohl ich ihre Meinung weder teilte noch besonders witzig fand, musste ich trotzdem lachen.
Sephie sah zufrieden zu mir. „Gefällt mir schon viel besser, wenn du lachst, statt hier herumzugammeln und Trübsal zu blasen.“ Sie zog die Brauen streng ins Gesicht und sah mir direkt in die Augen. „Bist du sicher, dass du dich nicht rasch fertigmachen und mit mir ausgehen willst?“
Als ich meinen Kopf daraufhin schüttelte, seufzte sie hilflos.
„Du weißt ja nicht, was du verpasst.“
„Mir ist eben nicht danach.“ Ich deutete auf das Buch und die Kuscheldecke, die ich mir bereitgelegt hatte. „Ich möchte den Abend lieber mit einer kalten Limonade, Zitronenkeksen und lesen verbringen.“
Sephie schielte auf den Titel und schnaubte unwillig. „Du willst dir wirklich dieses Buch antun? Abgesehen davon, dass du es schon zwei Mal gelesen hast, glaube ich nicht, dass das gut für dich ist.“
P.S. Ich liebe dich war mein Lieblingsbuch. Ich hatte es sogar schon mehr als zweimal gelesen und es ihr nur nie verraten.
„Mag sein. Aber ich liebe es und mir ist nun mal danach.“
Sephie schüttelte den Kopf und ich deutete ihren Blick als ihren typischen ‚Ich gebe es auf‘- Blick. Als sie aufstand, wusste ich, dass ich recht gehabt hatte.
„Na schön. Bist du mir böse, wenn ich dann jetzt aufbreche?“
„Nein überhaupt nicht.“
Von mir aus hätte sie mich auch am Telefon fragen können, wie es mir ging. Aber sie traute meinen Worten nicht. Zu Recht. Ich hatte sie schon viel zu oft angeschwindelt, wenn es um meine Gefühle oder meinen Gemütszustand ging. Seit sie das mitbekommen hatte, kam sie lieber direkt vorbei, um sich ein eigenes Bild von meinem Elend zu machen.
Heute Abend schlug ich mich wohl ganz gut, andernfalls wäre sie trotz ihres Wunschs wegzugehen, hiergeblieben. Sie war oft anderer Meinung und wir hatten nur wenige Gemeinsamkeiten, aber sie war trotzdem meine beste Freundin und passte immer auf mich auf.
Ich brachte Sephie bis zur Tür, und als sie gegangen war, holte ich mir aus der Küche die kaltgestellte Limonade und stellte einen Teller mit Zitronen- und Orangenkeksen zusammen. Ich trug beides ins Wohnzimmer, machte es mir dort in meinem Lesesessel gemütlich.
Die Wohnung war schön geworden. Ich hatte seit meinem Einzug viel verändert. Nach und nach hatte ich die Einrichtung verkauft oder rausgeworfen und durch Neue ersetzt. Jetzt hatten die Räume meinen persönlichen Charme. Ich hätte gerne die kalten Fliesen im Wohnzimmer oder das Linoleum in der Küche und den Teppich im Schlafzimmer ausgetauscht. Auch die Tapeten hätte ich gerne abgelöst und neu tapeziert. Aber da ich mich weder mit dem einen noch dem anderen auskannte, hatte ich die Böden und Wände gelassen, wie sie waren. Für Handwerkliches war immer Simon zuständig gewesen. Ich hatte absolut keine Begabung, was das anging. Stattdessen schaffte ich es schon mich zu verletzen, wenn ich einen Nagel in die Wand schlug. Zum Anbringen der Lampen und Regale hatte ich Sephies Hilfe benötigt. Die war ebenso unbegabt wie ich, aber als ich eingezogen war, traf sie sich mit einem Kerl, der wusste, wie man mit einer Bohrmaschine umging. Er hatte wohl angenommen, er könnte bei ihr Punkte sammeln, indem er ihrer besten Freundin in der Not zur Seite stand. Leider gab sie ihm trotzdem vier Tage später den Laufpass.
Ich grinste bei der Erinnerung an Paul. Denn ein Tag danach hatte er vor meiner Tür gestanden und gefragt, ob ich nicht Lust hätte mit ihm ins Kino zu gehen. Sephie hatte allen Ernstes wissen wollen, ob ich zugesagt hatte. Als ich sie ungläubig gefragt hatte, wie sie darauf kam, ich hätte seine Einladung angenommen, hatte meine Freundin locker die Achseln gezuckt.
„Meinetwegen hättest du mit ihm ausgehen können. Er ist gar nicht so schlecht im Bett. Sanft und vorsichtig. Genau das Richtige, um wieder ins Spiel einzusteigen.“
Das war ihre Antwort gewesen. Danach war das Thema für sie beendet. Sie brauchte nicht erwähnen, dass es ihr ernst damit war.
Ich schüttelte lächelnd den Kopf. Damals hatte ich entrüstet, für meine Verhältnisse sogar wütend reagiert. Jetzt sechs Wochen später gelang es mir, über Sephies Reaktion zu lachen. Wahrscheinlich hatte sie Recht und es war unmöglich zu behaupten, ich könnte für den Rest meines Lebens enthaltsam und ohne Mann leben. Aber sie verstand einfach nicht, dass ich noch nicht so weit war, mir überhaupt nur vorzustellen, mit einem anderen Mann auszugehen. Bei der Vorstellung ein Date zu haben, Händchen zu halten, oder gar jemanden zu küssen, schauderte es mich. Wenn ich meine Augen zumachte, spürte ich Simons Berührungen auf meiner Haut. Wenn ich mich konzentrierte, schaffte ich es auch ein Jahr nach seinem Tod noch, seinen Duft in der Nase und sein Lachen im Ohr zu haben. Dieses laute, schiefe Lachen, was zu seiner offenen, redseligen Art gepasst und mir sofort gefallen hatte.
Ich öffnete die Augen, wischte mir die Tränen von der Wange. Für einen neuen Mann, ein Rendezvous oder ein One-Night-Stand war ich ganz klar noch nicht bereit. Ich vermisste all das nicht.
Was ich wirklich vermisste, war meinen Ehemann. Ich vermisste Simon. Wie wir zusammen gewesen waren. Wie er meinem Alltag Farbe gegeben hatte. Danach sehnte ich mich und das konnte mir kein Date mit einem Fremden wiedergeben. Also kuschelte ich mich unter meine Decke in meinen Lesesessel, ignorierte den Fakt, dass es zu warm dafür war und griff nach meiner Abendlektüre. Das Buch hatte den großen Vorteil, dass es so traurig war, dass ich behaupten konnte, meine Tränen kämen von der Geschichte und nicht vom Kummer, der schwer wie Blei auf meinem Herz lastete.
Ein Paradies für Bücher
Es war der letzte Arbeitstag in dieser Woche und das war, woran ich dachte. Andere überlegten bestimmt was sie an ihrem freien Wochenende machen würden. Ausschlafen, zeitintensive Hausarbeiten, die unter der Woche liegen blieben oder einfach mal ausspannen und sich Zeit für seine Hobbys nehmen. Da Sephie und ich die Buchhandlung nicht am Samstag schlossen, stellten sich mir diese Fragen nicht. Allerdings beschäftigten wir seit einem halben Jahr eine Aushilfe, so dass wir uns die Wochenenden aufteilen konnten.
Sephie hatte Lila eingestellt, als ich bei meinen Eltern gewesen war und nur unregelmäßig bis gar nicht im Laden gearbeitet hatte. Zuerst war ich recht befangen mit Lila umgegangen. Ich war mir nicht sicher gewesen, wie sie auf mein Wiederkommen reagieren würde, und ob wir miteinander auskamen. Aber meine Sorgen stellten sich als unbegründet