Von Gnomen und Menschen. Gisela Schaefer
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Als die organisatorischen Angelegenheiten endlich zufriedenstellend erledigt waren, ersannen sie eine genaue Strategie zur Erreichung ihres Zieles, das bekanntermaßen darin bestand, herauszufinden, ob man den Menschen bzw. welchen Menschen man vertrauen konnte oder nicht – das musste man wissen, wenn man mehr als 10mal kleiner war als sie. Nachdem alle Fragen für eine solche Urteilsfindung aufgelistet worden waren, beschlossen sie, getrennt voneinander in die Familien und Häuser zu gehen, um soviel wie möglich von dem zu hören und zu sehen, was dort vor sich ging – danach sollten dann ihre gesammelten Erfahrungen ausgetauscht werden. Ob die Menschen planten, den Wald abzuholzen, würde dabei ganz nebenbei offenbar.
Bomburs, Nidis und Durins Reise
Unter all diesen gründlichen Vorbereitungen verging das Jahr wie im Fluge. Der Abend der Abreise kam. Buba holte Bombur ab, ihr Sohn Nori ließ zur gleichen Zeit Durin auf seinem Rücken Platz nehmen und ihre Tochter Billa Nidi. Da tauchten überraschend für alle Beteiligten Zimbel und Trudi, die beiden anderen Kinder Bubas auf und erklärten, dass man nie wissen könne, ob Ersatzflie ger notwendig würden, oder Gepäckträger. Die Wahrheit war, dass die beiden auf keinen Fall die Dummen sein wollten, denen dieses aufregende Abenteuer versagt bliebe.
„Welches Gepäck,“ dachte denn auch Bombur sofort, der, genau wie seine Kollegen, einen Kittel zum Wechseln in einem Rucksack auf dem Rücken trug nebst einem kleinen Vorrat an in Blätter gewickelte Pülverchen gegen Magenverstimmung und andere Unpässlichkeiten – nicht ahnend, als wie weise sich die kleinen Notlügen der beiden jungen Uhus erweisen sollten.
In allen drei Familien spielten sich rührende Abschiedsszenen ab. Begleitet von Jubelrufen und Tränen gleichermaßen, hoben Buba, Nori und Billa mit ihren Passagieren, Zimbel und Trudi ohne vom Boden ab, stiegen empor bis über die höchsten Baumspitzen und flogen dann nebeneinander Richtung Waldrand. Wie Buba richtig vorausgesehen hatte, mussten sie häufig kleinere und größere Pausen einlegen, dann kam ihnen auch noch ein heftiges Gewitter mit Donner, Blitz und Hagelschlag dazwischen, vor dem sie sich in eine Felshöhle flüchteten, wo sie stundenlang ausharrten, bis die dicke Wolkenfront vorübergezogen war – und tagsüber taten sie das, was Uhus üblicherweise tun, nämlich schlafen. Nidi, Durin und Bombur versuchten, sich dem anzupassen, mussten sie doch während der Nächte wach bleiben, was nicht nur wegen ihrer Art als Tag-Lebewesen schwierig war, sondern auch deswegen, weil sie mit ihren tageslichtgewohnten Augen wenig sahen und daher die Minuten sich wie Stunden dehnten.
Drei Nächte brauchten sie, dann, am vierten Morgen, sahen sie die Ansiedlung und den Rauch, der von den Herdfeuern durch die Kamine aufstieg. Häuser und Menschen waren so winzig klein, dass ihnen ihr Vorhaben kurzzeitig wie ein Kinderspiel vorkam. Doch ihr
Übermut schwand, je tiefer sie flogen. Sie landeten auf halbem Wege zum Dorf und Buba sagte; „Mir ist nicht wohl dabei, aber wir müssen euch hier verlassen. Auf jeden Fall bleiben wir in der Nähe. Falls ihr in Bedrängnis geratet, stoßt den schrillen Schrei aus, den ich euch gelehrt habe … wir kommen so schnell wie möglich. Ansonsten, wie besprochen, werden wir am Anfang des nächsten Monats an drei Abenden hintereinander um die gleiche Zeit hier an diesem Platz sein und auf euch warten. Wer bis dahin nicht zurück ist, von dem müssen wir leider annehmen, dass er … äh … wohl nicht mehr kommen kann. Viel Glück!“
Es war das Jahr 920 n. Chr., als sich dies zutrug und die Gnome dem Dorf am Rande des Waldes ihren ersten Besuch abstatteten – der dazu führte, dass nach der glücklichen Heimkehr der drei Mutigen entschieden wurde, auf eine Beziehung zu den Menschen vorerst zu verzichten und einen erneuten Versuch in genau 100 Jahren zu unternehmen – genauso, wie Bombur es von Anfang an bei ungünstiger Beurteilung geplant hatte.
Er führte auch dazu, dass die Menschen durch einige unerklärliche Vorfälle in ihrem Dorf während des ganzen Monats September noch abergläubischer und misstrauischer wurden, als sie es ohnehin schon waren und von der Existenz der bisher nur vermuteten bösen Geister, die ihren Wohnsitz im Wald hatten – wo sonst – nun vollends überzeugt waren. So verhielt sich das Vieh in dieser Zeit recht ungewöhnlich. Kühe warfen mit ihren Hinterläufen die Milcheimer um, so dass sich die weiße Flüssigkeit auf dem Boden verteilte, oder sie schlugen mit aller Kraft dem Melkenden ihre grün-braun besudelten Schwänze um die Ohren. Pferde tobten störrisch, stiegen auf die Hinterbeine, galoppierten in den Wohnraum und äpfelten dort vor Aufregung auf die Schlafstätten. Nicht wenige Tiere entkamen, weil Fesseln gelöst waren und Stalltüren offen standen, was wiederum zu mancher Anschuldigung gegenüber Ehefrauen, Kindern und Gesinde führte, zu Backpfeifen, Kopfnüssen, Tränen und Unschuldsbeteuerungen. Mehr noch, Lebensmittel verschwanden oder waren angeknabbert, von Würsten und Käse-Laibern fehlten Ecken und Herdfeuer entzündeten sich ganz allein, so dass Suppen überkochten oder Fleisch verbrannte. Die Männer ärgerten sich über verlegtes Werkzeug, die Frauen über zerquetschte Eier im Hühnerstall und alle staunten nicht schlecht, als sie im Fell der Lämmer dieses Jahres runde Löcher fanden. Nachts schreckten die merkwürdigsten Geräusche die Bewohner aus dem Schlaf, denen sie anfangs nachgingen, aber als sie weder Katzen, Mäuse oder Ratten fanden, nur noch mit der Heimsuchung durch jene bereits erwähnten bösen Geister erklären konnten. So blieben sie in ihren Betten, zogen bleich und schlotternd die Decken über die Köpfe und hofften, dass der Spuk bald vorbei sei und sich der Schaden in Grenzen halte.
Eines der unerklärlichsten Ereignisse fand beim alten Bastian statt, als sein als aggressiv und deshalb allseits gefürchteter Hahn eine halbe Stunde lang stocksteif auf dem Hof stand, in einer Haltung, die auf eine Verfolgungsjagd schließen ließ, in deren Verlauf ihn der Blitz getroffen haben musste. Aber kein Haar war ihm gekrümmt, starr blickte er geradeaus, kein Ton kam aus seinem Hals. Das Phänomen sprach sich in Windeseile im Dorf herum, er wurde zur Attraktion für Jung und Alt, die den schrecklichen Hahn nun gefahrlos von allen Seiten beäugen konnten. Man überbot sich im Aufstellen von Mutmaßungen und Theorien, was ihm wohl zugestoßen sein könnte. Aber noch während sie das taten, erwachte der Unhold plötzlich aus seiner Erstarrung, sah sich von einer gaffenden Menge umringt, sein Kamm schwoll zu feuerrotem Zorn an und dann stürzte er sich mit wildem Geschrei auf die ihm Nächststehenden. Die Dorfbewohner stoben in Panik davon, der Hahn hinter ihnen her, zwickte mal dem einen in die Wade, mal dem anderen ins Ohrläppchen, rupfte Haarbüschel aus, grub blutende Löcher in Schultern, wo er mit seinen scharfen Krallen Halt suchte, kurzum, er veranstaltete ein solches Massaker, dass so mancher anschließend mit Salben und Tinkturen behandelt werden musste.
Am nächsten Tag, nach einer allgemeinen Versammlung und Beratung zu diesem ungeheuerlichen Vorfall, forderte man den alten Bastian auf, dem Hahn den Hals umzudrehen. Auch sollte er selber für einen neuen Sorge tragen, da er zu viel Unheil angerichtet habe und nicht auch noch Schadenersatz fordern könne für ein von Geburt an boshaftes Viech, das nun vollends übergeschnappt war. Der Hahn wurde geschlachtet und über dem Feuer am Spieß knusprig gebraten, was im ganzen Dorf zu riechen war und jeden zufriedenstellte. Und als im Oktober wieder Ruhe einkehrte, waren sie heilfroh und hofften, dass der Friede lange erhalten bleiben möge.
Noch eine Veränderung brachte der verwunschene September mit sich. Gernot, ein hochgewachsener Mann im besten Alter, mit außergewöhnlichen Kräften in den Armen und ebensolchen geistigen Fähigkeiten, erklärte den verdutzten Dorfbewohnern, dass es in solch unsicheren Zeiten eines Anführers bedürfe, der die Gemeinschaft leiten und schützen könne. Da niemand unter ihnen Gernot an Redegewandtheit gewachsen oder gar überlegen war, mangelte es an Gegenargumenten und auf diese Weise bekam das Dorf