Rache für Dina. Cristina Fabry
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„Volkmann“ war auf dem schlichten Messing-Klingelschild zu lesen. Er hatte sich also nicht in der Adresse geirrt. Keller läutete und musste eine Weile warten, bis sich drinnen etwas rührte.
Eine zierliche, unscheinbare Frau öffnete die Tür und blickte ihm skeptisch und äußerst vorsichtig entgegen.
„Frau Volkmann?“, fragte Keller vorsichtig.
„Das ist ja nicht allzu schwer zu erraten.“, antwortete sie säuerlich. Sie schien ihn für einen unseriösen Klinkenputzer zu halten. Er zog seinen Ausweis aus der Manteltasche.
„Mein Name ist Stefan Keller. Ich arbeite für die Kriminalpolizei Bielefeld. Könnten wir uns kurz unterhalten?“
„Ja, worum geht es denn?“, fragte Frau Volkmann alarmiert.
„Mir wäre es lieber, sie würden sich erst setzen.“, antwortete Keller.
Frau Volkmann griff sich an den Hals. „Was ist passiert?“, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. „Sagen Sie mir sofort, was passiert ist!“
„Bitte, Frau Volkmann“, insistierte Keller, „ich bestehe darauf, dass Sie sich setzen.“
Sie trat einen Schritt von der Tür zurück. „Kommen Sie doch rein.“, bat sie ihn. Er schloss die Tür hinter sich und sie ging voran ins Wohnzimmer. Ihr Gang wirkte unsicher und sie setzte sich langsam und vorsichtig in die Ecke eines Zweisitzers, so als befürchte sie, durch eine ihrer Bewegungen etwas zu zerbrechen.
„Nehmen Sie doch bitte auch Platz.“, sagte sie zu Keller und wies mit einer Handbewegung auf einen Sessel.
Keller setzte sich, räusperte sich und sagte dann mit gebotenem Ernst: „Frau Volkmann, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann heute Vormittag ums Leben gekommen ist.“
Mit schreckgeweiteten Augen nahm sie die Hand vor den Mund und sog scharf die Luft ein. „Aber wie – wie kann er“, stammelte sie, ohne den Satz zuende zu bringen.
„Er ist in seinem Büro ermordet worden.“
„Ermordet?!“
Keller reichte Frau Volkmann ein Taschentuch. „Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?“, fragte er teilnahmsvoll.“
„Nicht nötig.“, sagte sie tonlos.
„Frau Volkmann, ich würde Ihnen gern Zeit lassen, diese furchtbare Nachricht eine Weile sacken zu lassen, bevor ich Sie befrage. Aber um die unfassbare Tat an ihrem Mann aufzuklären, brauche ich so schnell wie möglich so viele Informationen wie möglich. Könnten Sie mir bitte genau beschreiben, was heute Vormittag passiert ist? Jedes scheinbar unbedeutende Detail könnte wertvolle Hinweise enthalten.“
„Heute morgen.“, sagte Frau Volkmann mehr zu sich selbst, und ihr leerer Blick schien haltlos, als finde sie keinen Ansatzpunkt, um ihre Erinnerung zeitlich strukturiert wiederzugeben.
„Wir sind um sieben Uhr aufgestanden.“, fing sie an. „Mein Mann ging ins Bad, ich habe Frühstück gemacht und die Zeitung herein geholt.“
„Haben Sie beim Hereinholen der Zeitung irgend etwas Außergewöhnliches beobachtet?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“, sagte sie. „ich habe allerdings auch nicht auf die Umgebung geachtet. Das mit der Zeitung ist ja auch nur ein Handgriff und ich stehe nicht minutenlang im Morgenrock in der offenen Haustür, wie sie sicher verstehen werden.“
„Natürlich.“, bestätigte Keller sie.
„Gegen zwanzig nach sieben kam mein Mann aus dem Bad und wir frühstückten. Dabei haben wir Zeitung gelesen. Er liest zuerst den überregionalen Teil und ich den Lokalteil, dann tauschen wir. Es stand heute nichts Besonderes drin und wir haben uns über Belanglosigkeiten unterhalten, Europas Königshäuser, davon war die Klatschspalte heute voll.“
„Hat Ihr Mann erwähnt, ob er heute ein wichtiges Gespräch hatte?“
„Heute Nachmittag sollte er zu einem Gespräch mit der Mitarbeitervertretung erscheinen. Irgendeine Personalangelegenheit. Es war ihm lästig, aber er hat sich nicht näher dazu geäußert.“
„Noch etwas?“, fragte Keller, der sich bereits eifrig Notizen machte.
Frau Volkmann überlegte. „Nein, wir sprachen nur über den am Wochenende anstehenden Besuch unserer Tochter.“ Sie schluchzte auf und stieß kaum verständlich unter Tränen hervor: „Wie soll ich ihr nur beibringen, dass ihr Vater tot ist? Ermordet!“
Keller schwieg betroffen, reichte Frau Volkmann ein weiteres Taschentuch und wartete, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatte. Dann fragte er: „Lebt Ihre Tochter nicht mehr bei Ihnen?“
„Nein, sie studiert seit zwei Jahren Kunstgeschichte in München. Wir sehen uns daher nur selten. Zuletzt war sie über Weihnachten bei uns und wir haben sie an einem Wochenende im Februar besucht.“
„Worüber haben Sie beim Frühstück noch gesprochen?“, fragte Keller.
„Nichts weiter“, antwortete Frau Volkmann. „Mein Mann hat sich zuende angezogen, seine Unterlagen zusammen gesucht und gegen 8.15 Uhr das Haus verlassen.“
„Haben Sie ihn noch zur Tür begleitet?“
„Nein, ich war im Bad. Danach habe ich die Küche aufgeräumt, eine Maschine Wäsche eingesteckt und dann war ich zum Einkaufen im großen Supermarkt an der Königstraße.“
„Wann war das ungefähr?“
„So zwischen 9.30 Uhr und 11.00 Uhr.“
Haben Sie im Supermarkt jemanden getroffen?“
„Nein. Wieso? Was hat das denn mit dem Mord an meinem Mann zu tun?“
„Reine Routinefrage. Was taten Sie, als Sie wieder hier waren?“
Ich habe den Einkauf ausgepackt und bin dann angefangen, unseren Kleiderschrank gründlich auszumisten. Ich war noch dabei, als Sie klingelten.“
„Verstehe“, erwiderte Keller. „Frau Volkmann, hatte Ihr Mann irgendwelche Feinde?“
„Ach, wissen Sie“, antwortete sie, „als Vorgesetzter tritt man immer irgendwem auf den Schlips. Es gab viele Konflikte – schon bevor er Superintendent wurde – aber natürlich viel mehr, seit er im Amt ist. Es gibt Pfarrer, denen sein Führungsstil nicht gefällt, andere kritisieren seine theologische Ausrichtung in aller Schärfe. Wir sind hier in Minden Ravensberg. Hier spürt man noch die Erweckungsbewegung. Mein Mann war ein moderner Theologe, zumindest ein nüchterner. Er hatte auch konservative Züge, aber er war ein sehr sachlicher und wissenschaftlich orientierter Mensch. Naja, und dann hatte er öfter Ärger mit den anderen kirchlichen Mitarbeitern. Vieles muss umstrukturiert werden. Die Mittel werden knapper. Da kann man nicht tatenlos zusehen und warten, bis alles zusammenbricht. Aber wer versucht, grundlegende Veränderungen durchzusetzen, stößt bei den Alteingesessenen natürlich auf Widerstand. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass man seinen Vorgesetzten aus so einem Grund tötet.“ Sie hielt kurz inne und fing dann wieder an zu weinen. „Aber ich habe mir auch nicht vorstellen können,