Clarissa und Fiete III. Hans Müller-Jüngst
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Sie nahmen beide ihr Weinglas hoch und stießen miteinander an, sie küssten sich und wünschten sich eine guten Appetit. Das Gulasch war ausgezeichnet gelungen, das Fleisch war weich und zart, die Spätzle passten eigentlich am besten dazu, früher hatte es Kartoffeln dazu gegeben, aber in den letzten Jahren fanden die Spätzle immer mehr Verbreitung, Nach dem Essen legten Clarissa und Fiete sich ein Zeit lang hin und kuschelten miteinander, sie standen aber früh wieder auf, weil sie ja noch in die Stadt wollten. Sie räumten schnell den Tisch ab und gingen zur Straßenbahn, die nach zehn Minuten kam und sie zum Hauptbahnhof brachte, wo sie ausstiegen und durch die Schillerstraße zu Karstadt liefen. Es war voll in der Stadt, die Leute kauften am Samstagnachmittag, weil sie in der Woche keine Zeit dazu hatten, „es geht uns ja genauso“, dachte Clarissa. Bei Karstadt fuhren sie mit der Rolltreppe in die Herrenabteilung und ließen sich Outdoor-Jacken zeigen, es gab „Jack Wolfskin“, wie sie inzwischen fast jeder trug, und es gab „Northface“, wie sie etwas seltener im Straßenbild zu sehen waren, preislich taten sie beide Jacken aber nicht so viel. Fiete probierte einige Modelle an und entschied sich schließlich für eine dunkelblaue „Northface“-Jacke, die einige weiß hervorgehobene Stellen hatte.
Die Jacke passte wie angegossen und hatte eine im Kragen versteckte Kapuze. Sie nahmen die Jacke und ließen sie an der Kasse zurücklegen, weil sie noch weitere Sachen kaufen wollten, sie wechselten die Abteilung und gingen zu den Pullovern. Fiete hatte eine ungefähre Vorstellung davon, welchen Pullover er sich kaufen wollte, er dachte an einen Rollkragenpullover und an einen Pullover mit V-Ausschnitt, unter dem er ein Hemd tragen wollte. Der Verkäufer kam und fragte, ob er behilflich sein dürfte, aber Clarissa und Fiete dankten ihm und sagten:
„Wir kommen schon zurecht!“ Allzu groß war die Auswahl bei den Pullovern nicht, es war ja noch Sommer, und „die Sachen für Herbst und Winter kommen noch herein“, wie man ihnen sagte. Das Angebot reichte Fiete aber, um zwei Pullover zu finden. Er hatte Größe 50 oder „L“ und fand einen dunkelbraunen Rollkragenpullover, einfarbig, den er nahm, und nach einigem weiteren Suchen stieß er auf einen roten Pullover mit V-Ausschnitt, nichts Besonders zwar, aber er wollte ja auch keine Modenschau veranstalten. Clarissa und Fiete kamen an einer Verkaufsgondel vorbei, wo es Strümpfe im Angebot gab, und Fiete nahm zwei Paar Baumwollsocken, sie brachten wieder alles zur Kasse und freuten sich, in nur einem Kaufhaus so erfolgreich zu sein. Sie fragten nach der Sportabteilung und fuhren mit der Rolltreppe zwei Etagen höher. Dort ließen sie sich zeigen, wo sie Outdoor-Schuhe fänden und nahmen verschiedene Modelle in Augenschein. Fiete wollte Trekkingstiefel in Leichtausführung kaufen, und es gab viele verschiedene Modelle.
Er hatte Schuhgröße 44/45, und da fand er eine fast unendliche Fülle an Trekkingstiefeln, am Schluss blieb er bei „Jack Wolfskin“ hängen und nahm das Modell „All Terrain Texapore Men“ zu hundertvierzig Euro. Fiete sagte Clarissa:
„Ich brauche die Stiefel nur, wenn ich mich draußen im Gelände aufhalte, ansonsten trage ich meine Turnschuhe oder meine gewöhnlichen Straßenschuhe.“ Er nahm die Stiefel in dunkelblauem Nubuk-Leder, sie hatten am vorderen Teil einen gelben Tatzenabdruck, wie der bei „Jack Wolfskin“ üblich war. An der Sammelkasse erfuhren Clarissa und Fiete, dass sie auf alle ihre gekauften Produkte zwanzig Prozent Rabatt wegen des Sommerschlussverkaufs bekämen, worüber sich die beiden sehr freuten. Sie fanden neben dem Ausgang in der Taschenabteilung sogar noch einen Trolley und nahmen den mit. Jeder nahm eine Einkaufstasche und sie verließen Karstadt wieder, um mit der Straßenbahn vom Hauptbahnhof aus nach Hause zu fahren. Fiete erinnerte sich nicht, jemals in seinem Leben so viele Sachen auf einmal gekauft zu haben. Er freute sich, dass das alles so gut geklappt hatte, damit hatte er nicht gerechnet. Clarissa bestand zu Hause darauf, dass er alles anprobierte, Fiete ließ sich breitschlagen und zog zuerst die Trekkingstiefel an, die er zwei, drei Stunden anlassen wollte, um eventuell auftretende Blasen zu spüren. Anschließend zog der den dunkelbraunen Rollkragenpullover über und darüber die „Northface“-Jacke.
Da ihm in den Sachen sehr schnell zu warm wurde, zog er die Oberbekleidung nach kurzer Zeit wieder aus, er zog den Pullover mit V-Ausschnitt über sein Hemd, rot war zwar etwas gewagt, wie Fiete fand, es war aber nicht so ein schriller Rotton, sondern mehr weinrot. Er betrachtete sich im Spiegel und war ganz zufrieden, bevor er aber auch den Pullover wieder auszog. Er sagte Clarissa:
„Ich freue mich über die Sachen“ und goss beiden ein Glas Rotwein ein. Clarissa meinte:
„Ich muss mit dem Trinken vorsichtig sein, sonst habe ich gleich einen Schwips, ich habe ja schon zum Mittagessen ein Glas getrunken.“
„Was hältst du von einem Spaziergang?“, fragte Fiete sie, „ich muss meine Stiefel einlaufen und da ist ein Spaziergang genau das Richtige.“ Es war noch hell draußen, als sie losliefen, sie liefen eine große Runde um den Block und zweigten in den kleinen Park ab, den es bei ihnen in der Nähe gab. Anschließend liefen sie wieder nach Hause, Fiete fühlte sich in seinen Trekkingstiefeln pudelwohl, von Blasen war nichts zu spüren, er behielt die Stiefel aber noch an und wollte sie erst zwei Stunden später ausziehen.
„Wie wäre es, wenn wir am Abend ins Kino gingen?“, fragte Fiete Clarissa und Clarissa fragte Fiete:
„An welchen Film hast du denn gedacht?“ Fiete antwortete:
„Ich würde gern den Film „Serengeti“ sehen, einen mit modernster Kameratechnik aufgenommenen Film von dem „weiten Land“ mit unglaublichen Tieraufnahmen.“ Clarissa war einverstanden und sie gingen in „Serengeti“.
Der Film war wirklich faszinierend, es gab nicht nur die Jagdszenen der Löwen und Geparden zu sehen, sondern auch die Bilder von der Überquerung des Mara River durch die Gnus, die man schon tausendmal gesehen hatte. Was völlig neu war, war die extreme Zeitlupe, es waren Kameras im Einsatz gewesen, die zweitausend Bilder pro Sekunde aufnahmen und solch eine extreme Zeitlupe überhaupt erst möglich machten. Vieles wurde durch die Zeitlupe erst wahrnehmbar wie der Streit mehrerer Krokodile um einen kapitalen Wels, an dessen Ende der Wels entwischen konnte. Clarissa und Fiete ließen das Wochenende ruhig ausklingen, sie machten am Sonntag noch einen Spaziergang und es schloss sich Fietes letzte Woche in seiner Arbeitsgruppe an. Clarissa war mit der Sichtung ihrer Literatur beschäftigt, hatte aber keine Schwierigkeiten, wegen der sie ihren Professor um Rat hätte fragen müssen. Fietes letzte Arbeitstage zogen dahin, und er musste am Ende der Woche einen ausgeben, was natürlich nicht an seinem Arbeitsplatz ging, sondern er lud die Leute aus seinem Team zu sich nach Hause ein und stellte ihnen Clarissa vor. Die Teamkollegen hatten teilweise ihre Frauen/Freundinnen mitgebracht, und es gab ein paar Kleinigkeiten zu essen, die Clarissa und Fiete während der Woche vorbereitet hatten, Fiete hatte einen Kartoffelsalat gemacht, allerdings nicht mit selbst zubereiteter Majonäse, sondern mit Miracel Whip, kalorienreduziert.