KLOSTER DER FINSTERNIS. Ralf Feldvoß
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Er schlenderte vorbei an einem großen Einkaufszentrum. Den Weg, den er zum Hotel einschlagen musste, hatte er sich am Vortag anhand eines Stadtplanes eingeprägt, so dass er ihn jetzt auswendig kannte.
Die Passanten, die an ihm vorbei liefen beäugten ihn stellenweise mit seltsamen und schüchternen Blicken. Seine Kleidung war alles andere, als üblich in der heutigen Zeit. Vom Wetter mal abgesehen. Es war zwar noch einigermaßen warm, aber doch nicht mehr so sehr, als dass man gefahrlos ohne Jacke rausgehen konnte. Es wurde langsam Herbst und wurde windiger.
Er schien für viele wie aus dem Mittelalter entstiegen zu sein. Mit seiner braunen Kutte und den Sandalen fiel er auf, wie ein bunter Hund. Jesus-Latschen nannte man dieses Schuhwerk in der heutigen Umgangssprache. Und er war selbstverständlich barfuß darin, wie es sich gehörte. Für ihn jedenfalls, denn Mönche kannten keine Socken, oder Strümpfe.
Manchmal wurde er angesprochen, ob er irgendeiner Sekte angehören würde, oder Ähnliches. Manche boten ihm gar an einen Kaffee auszugeben, weil er doch frieren müsse. Er antwortete jedes Mal, dass dem nicht so war und auch das er keinen Kaffee möchte, bedankte sich aber in aller Höflichkeit. Auf die Frage nach der Sekte erklärte er, er gehöre einer Bruderschaft an, die sich den alten Zeiten zugetan fühlte und daher diese Kleider trug. Es sei eine Art Gelübde. Die Angehörigen dieser Bruderschaft verpflichteten sich, die althergebrachte Kleidung zu tragen. Mit dieser Erklärung gaben sich die Meisten zufrieden, manche aber doch mit einem verständnislosen Kopfschütteln.
Sein Weg zum Hotel führte ihn über den Mundsburger Damm in Richtung Alster, dem großen Binnensee inmitten der Stadt. Wobei die Bezeichnung See eigentlich nicht korrekt war. Es war vielmehr ein Stausee, ein aufgestauter Fluss, aber das wussten die Wenigsten.
Der Mönch wählte den Weg direkt an der Außenalster entlang. Hier gab es schöne, breite Spazierwege. Lediglich die Radfahrer störten ihn ein wenig. Von der Außenalster gelangte man über eine Brücke zur Binnenalster. Diese musste er nur noch halb umrunden und dann war er auch schon da.
Er kehrte in sein Zimmer im noblen Hotel Vier Jahreszeiten an der Alster zurück. Er hatte eine Suite mit jeweils großzügigem Schlaf- und Wohnzimmer in der sechsten Etage gebucht bekommen. Es gab sogar einen kleinen abgetrennten separaten Essbereich. Finanziert wurde die Suite, wie immer, wenn einer der Mönche aus dem Monasterium Diabolica Naturae unterwegs war, in welcher Angelegenheit auch immer, vom Vatikan. Von ganz oben.
Denn neben den Mönchen auf dem Kloster selber wussten lediglich nur noch zwei andere Menschen auf der Welt von seiner Existenz. Das waren der Papst und sein Camerlengo.
Die Reisenden wurden in den jeweiligen Hotels als Gesandte des Vatikans ausgegeben unter vorgeschobenen Gründen, so dass keinerlei Verdacht auf das geheime Kloster aufkommen konnte. Es fragte auch nie jemand nach, wenn eine Buchung aus dem Vatikan kam. Das geziemte sich nicht.
Der Mönch war mit der Ausführung der Arbeit seines Handlangers sehr zufrieden. Und diesmal schien er dem Anschein nach auch keine, oder zumindest bedeutend weniger negative Auswirkungen zu zeigen, als die beiden Male zuvor. Die leichten Abänderungen in dem Wortlaut zum Erwecken seiner Macht hatten offensichtlich gewirkt. Genau genommen waren es zwei kleine Zusätze, damit das eigentliche Ziel nicht verfehlt werden konnte.
Zufrieden mit sich und seinem Erfolg, ließ der Mönch sich in dem großen Sessel am Fenster mit Blick auf die Binnenalster nieder, nachdem er sich ein Glas Sherry aus der Minibar eingegossen hatte. Er genoss den Geschmack, der langsam seine Speiseröhre hinunter glitt, das leichte Brennen des Alkohols.
Wenn die Menschheit wüsste, was ich ihr für einen Dienst erweise..., dachte er bei sich.
Er schwebte wieder in seinem Traum, in dem er zum ersten lebenden Heiligen seit Jesus Christus wurde. Normalerweise wurde einem die Heiligsprechung erst nach dem Tod zugesprochen.
Er träumte wie er durch die Lande zog, von einer Kirche zur nächsten. Wie er die verschiedenen Glaubensrichtungen zu einer Einzigen zusammenführte. Er hatte auch schon eine Idee, welchen Namen der neue Glaube tragen sollte. Nach dem Christentum, dem Buddhismus, dem Hinduismus und wie sie alle hießen – danach sollte es nur noch die eine geben. Alle Gläubigen der Welt darin vereint. Keine Zeugen Jehovas mehr, keine wandernden Prediger. Es sollte nur noch den Junoismus geben. Die Grundfeste dieses Glaubens sollte der Frieden sein.
Nicht nur der Frieden auf Erden, sondern auch der Frieden zwischen allen Menschen, in jedem Miteinander. Sei es privat, oder beruflich. Keine Gewalt, in welcher Form auch immer.
Das Glas war leer. Der Mönch stand auf, um sich noch eines einzuschenken. Er vertrug eine Menge, was man ihm aufgrund seiner Statur und seines offensichtlichen Alters gar nicht zutraute. Im Kloster war es üblich zu allen Mahlzeiten wenigstens einen Becher des selber hergestellten Weines zu trinken und das war nicht gerade einer mit wenig Alkoholgehalt. Und in so einen Becher passte fast ein halber Liter.
Er hatte seinen Menschen den ganzen vorigen Abend und die Nacht hindurch beobachtet, stets aus sicherer Entfernung. Er wollte sehen, wie sein Geschöpf agierte, sich davon überzeugen, dass alles so ablief, wie er es sich vorstellte. Der Mönch hatte zwar keine direkte Kontrolle, sobald sein Mensch von der Macht eingenommen war, aber eben bestimmte Vorstellungen. Er konnte lediglich den Namen des Opfers, den Ort und die Art, wie es geschehen sollte weiter geben. Doch alles andere verlief dann nach dem Zufallsprinzip.
Seine Vorstellungen wurden erfüllt. Nicht zu hundert Prozent, kamen aber seinen Visionen sehr nahe.
Das zweite Glas war auch leer und der Mönch merkte, wie ihn die Müdigkeit übermannte. Weit über vierundzwanzig Stunden war er nun schon wach.
Er stand auf, legte seine Kutte ab, zog die Sandalen aus und ging ins Schlafzimmer in dem die Fenster weit offen standen. Das brauchte er. Im Kloster gab es auch keine Fenster, nur Öffnungen im Mauerwerk. Er war es gewohnt in eisiger Kälte, nur mit einer Decke bedeckt zu schlafen. So wollte er es auch hier halten.
Die frische herbstliche Luft, die durch das geöffnete Fenster herein wehte, führte dazu, dass seine Müdigkeit immer stärker wurde.
Morgen stand die Rückreise an. Hier hatte er nichts mehr zu tun. Er würde ins Kloster zurückkehren und sich darum kümmern, dass seine Aufgabe weiter fortgeführt wird. Er würde das nächste Opfer festlegen und damit verbunden den Ort und die Art. Die Art konnte er sich nur bedingt aussuchen, denn dies hing unweigerlich mit der gewählten Macht zusammen, die er jeweils aussuchte. Niemals zweimal die gleiche, immer im Wechsel.
Mit den Gedanken an seine Zukunft schlief der Mönch auf dem großen Doppelbett der Suite ein.
6
Koeln
Montag, 27. September
Der ICE fuhr in den Bahnhof in der Rheinmetropole ein. Agent Gorham rieb sich noch den letzten Rest Schlaf aus den Augen, packte dann seinen Laptop zurück in die Tasche und zog sich das Sakko an. Mit dem Mantel über die Schulter geworfen und den Koffer in der Hand verließ er das Abteil und begab sich zur Tür zum Aussteigen.
Das kleine Schläfchen hatte ihn doch müder gemacht, als er vermutet hätte. So suchte er sich zunächst mal eine Möglichkeit für einen Kaffee, kaufte sich vorher eine aktuelle Tageszeitung und setzte sich in dem ausgewählten Café an einen Fensterplatz.
In der Zeitung stand natürlich noch nichts über den Fall aus Hamburg, von