Die Servator Verschwörung. Jürgen Ruhr

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Die Servator Verschwörung - Jürgen Ruhr

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Zimmer in der Pension lüften.

      Plötzlich hatte Ron es sehr eilig, nach Hause zu kommen.

      Kaum in seinem kleinen Zimmer in der Pension angekommen, startete er seinen Laptop. Um die kleine Karte benutzen zu können, benötigte er einen Adapter, den er aber, ebenso wie einige dieser SD Karten, standardmäßig mit seinem Laptop bei sich führte.

      Ron hatte mit allen möglichen Schwierigkeiten gerechnet: Verschlüsselte Dateien, die ihren Inhalt nur nach einer Passwortabfrage preisgaben, ein Trojaner oder Schutzprogramm, das nur berechtigten Personen erlauben würde, auf die Daten zuzugreifen oder sogar eine vollkommen leere Karte. Aber er wurde im positiven Sinn enttäuscht. Das Programm listete ihm brav zahlreiche Dateien auf. Wer immer diese Karte zusammengestellt hatte, sah offensichtlich keine Notwendigkeit, die Daten zu schützen. Also, schloss Ron, kann es sich eigentlich nicht um etwas Wichtiges handeln. In der Redaktion schützten sie selbst die profansten Artikel oder Notizen mit Passwörtern. Wenn das hier nicht geschehen war, dann handelte es sich vermutlich auch nicht um wirklich wichtige Dinge. Er fand zahlreiche einfache Textdateien, die mit jedem beliebigen Programmeditor geöffnet werden konnten. Außerdem befanden sich in einem separaten Verzeichnis noch zahlreiche Bilddateien. Ron klickte die an oberster Stelle stehende Textdatei an. Auch hierbei zeigten sich keinerlei Probleme. Der Text erschien prompt auf dem Bildschirm.

      Der Redakteur überflog den Text. Offensichtlich handelte es sich um die Beschreibung eines Konzeptes zu diversen Regierungstätigkeiten. Kein Wunder, dass die Daten nicht verschlüsselt waren. Hier handelte es sich um irgendwelche strategischen Pläne einer Partei. Die Formulierungen waren ziemlich allgemein gehalten und umschrieben offensichtlich ein universelles Konzept. Eigentlich nichts Weltbewegendes. Dann stutzte Ron und las einen Abschnitt erneut. Und noch einmal.

      ‚In diesem Zusammenhang‘, stand dort, ‚bleiben die avisierten Aktivitäten unerlässlich. Eine weitere Verifizierung erübrigt sich, da einige der Maßnahmen (s. Anhang B, Abschnitt B2) zur vollsten Zufriedenheit durchgeführt wurden. Alle maßgeblich Involvierten bekundeten unisono ihre Entschlossenheit zu diesen Schritten. Mit der Abwicklung besagter Maßnahmen wurde und wird auch weiterhin Bassam Abu Yusuf M., der seine Zuverlässigkeit schon mehrfach unter Beweis stellte, beauftragt. Einfachere Maßnahmen können Hassan C. (bekannt als G.) und Dimitri R. durchführen. Sie werden auf dem üblichen Weg kontaktiert. Die Liste(n) werden nach Beschlussfassung kontinuierlich aktualisiert.‘

      Ron rieb sich über die Augen. Stand da wirklich, was er las? Hastig öffnete er weitere Dateien und überflog den Inhalt. Wer auch immer diese Gruppe sein mochte, es handelte sich ganz offensichtlich nicht um einen Scherz. Ron machte sich immer wieder Notizen, las bestimmte Abschnitte erneut und verglich die Formulierungen der Texte. Ihm war schwindelig. Dann ging er noch einmal das Geschriebene durch. Schließlich fasste er seine Gedanken zusammen: ‚Bei diesen Texten handelt es sich um das Konzept der Regierungspartei, um jeden Preis an der Macht zu bleiben‘, notierte er auf seinem Block und unterstrich den Satz zweimal.

      Er zog eine Linie unter dieses entscheidende Fazit und begann Details aufzuschreiben. Die Texte gliederten sich in mehrere Gruppen. Einerseits Aktivitäten, die diverse Politiker oppositioneller Parteien durch Korruption gefügig machen sollten - Ron dachte an die Zettel in dem Luftpolsterumschlag - andererseits sogenannte ‚Maßnahmen‘, durch die unliebsame Politiker ausgeschaltet und durch ‚freundlich Gesinnte‘ ersetzt werden sollten. Die Texte blieben vage formuliert, aber oft war die Rede von ‚Unfällen‘.

      Eine weitere Gruppe von Dateien umfasste Maßnahmen, um die Öffentlichkeit mit falschen Informationen gezielt zu beeinflussen. Dazu gehörte auch ein Konzept Presse, Funk und Fernsehen dank ‚regierungsgewogener‘ Mitarbeiter in einflussreichen Positionen in der Berichterstattung zu manipulieren. Ron dachte unwillkürlich an den Chefredakteur Thorsten Fellger und dessen Verhalten. War der vielleicht ‚regierungsgewogen‘ und stand irgendwo auf einer Liste mit Sonderzuwendungen?

      Ron fand einen Text mit mehreren Namen. Er pickte sich den ersten heraus und suchte danach im Internet. Es handelte sich um eine Politikerin, die vor einem halben Jahr einen tödlichen Autounfall erlitten hatte. Merkwürdigerweise stand sie nachts mit ihrem Wagen auf einem beschrankten Bahnübergang und wurde von einem Güterzug erfasst. Vom Fahrzeug und der Frau blieb nicht viel übrig und man konnte sie letztlich lediglich anhand von DNA Spuren identifizieren. Ron fand mehrere kleine Meldungen, die mit wenigen Worten auf das tragische Schicksal eingingen. Damit schien die Sache damals abgehakt worden zu sein.

      Ron verschränkte die Arme im Nacken, lehnte sich ein wenig zurück und dachte über das Gelesene nach. Dann strich er den Satz auf seinem Block durch. Nein, es ging hier nicht nur darum, die Regierungspartei an der Macht zu halten, hier handelte es sich um den Aufbau einer Diktatur unter dem Mantel der Demokratie. Wobei es nicht einen Diktator geben sollte. Wie Leute aus den eigenen Reihen, so wurde der Bundeskanzler oder die Kanzlerin ebenfalls zu einer austauschbaren Person erklärt. Einzig und allein die Gruppe im Hintergrund hielt die Macht in den Händen.

      „Wer zum Teufel steckt dahinter?“, fragte Ron halblaut und löste sich damit aus seinen Gedanken. Es war keine Frage, dass dies an die Öffentlichkeit gebracht werden musste! Und Ron wusste auch schon, wer für diesen Artikel in Frage kam: Zinad Changa und Dirk Meizel, die ja schon in der Korruptionsaffäre mittendrin steckten.

      Aber zunächst würde in der Redaktion aufgeräumt werden müssen. Fellger durfte nicht länger auf seinem Posten bleiben. Und dann müssten qualifizierte Leute, und nicht solche wie dieser Matthias Prokas, eingestellt werden. Ron spürte einmal mehr, wie dringend es war, mit seinem Vater zu sprechen.

      Rasch kopierte er den Inhalt der SD Karte auf sein Handy. Damit dürfte er seinen Vater überzeugen. Eine weitere Kopie schickte er in sein Verzeichnis auf dem Server in New York und um ganz sicher zu gehen, legte er eine weitere SD Karte an, die er in einen Umschlag steckte, den er mit seiner New Yorker Privatanschrift versah. Er würde den Brief am Flughafen bei der Post abgeben.

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