Diamanten aus Afrika. Manfred Rehor

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Diamanten aus Afrika - Manfred Rehor

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der Lichter des Hafens, dass es der Matrose mit dem Seilende und sein Kumpan waren. „Haben wir dich endlich du schwarzer Affe!“, schrien sie. „Jetzt bekommst du, was du verdienst.“

      Benjamin sah ihnen furchtlos entgegen. „Saban ist weg“, erklärte er, als sie ihn erreichten.

      Doch die Matrosen hörten nicht auf ihn. Einer packte ihn schmerzhaft an den Armen und zwang ihn in die Knie, der andere holte mit dem Tau aus und schlug zu.

      „Ich bin nicht Saban!“, schrie Benjamin, dem nun aufging, dass sie ihn mit dem blinden Passagier verwechselten. Sie erkannten in dem Halbdunkel der Lagerhalle seine dunkle Haut, die breite Nase und die schwarzen Kraushaare. Das genügte den Matrosen offenbar, um sicher zu sein, den Richtigen vor sich zu haben.

      Das Tau schlug durch Jacke und Hemd hindurch schmerzhafte Striemen in Benjamins Haut. Er versuchte, sich zu befreien, schaffte es aber nicht. Immer wieder schrie er, er sei der Falsche.

      „Wir prügeln dich tot, du Ratte, als Warnung für andere deiner Sorte“, lautete die einzige Entgegnung, die er bekam. Wieder holte der Matrose aus.

      Eine scharfe Stimme befahl: „Aufhören!“

      Benjamins Vater und der Erste Offizier des Schiffes kamen heran. Der Offizier trug eine Petroleumlampe, mit der er die Szene beleuchtete.

      „Ihr geht aufs Schiff!“, wies er die Matrosen an. „Dort steht ihr bis auf weiteres unter Arrest.“ Mit ein paar knappen Worten entschuldigte er sich dann bei Legationsrat Liersch für den Vorfall – nicht jedoch bei Benjamin, was den ziemlich wütend machte. Doch Benjamin war zu sehr damit beschäftigt, gegen den brennenden Schmerz in seinem Rücken anzukämpfen, und gegen die Tränen, die ihm deswegen zu kommen drohten. Deshalb sagte er nichts.

      Der Offizier kehrte aufs Schiff zurück, um Maßnahmen zu ergreifen, wie er beim Weggehen sagte.

      Benjamin ging mit seinem Vater langsam aus der alten Lagerhalle zu der wartenden Kutsche, die sie zu ihrem Hotel bringen würde. Ihm fiel auf, dass er von den umstehenden Menschen angestarrt wurde, aber das widerfuhr ihm wegen seiner Hautfarbe häufiger. Besonders ein elegant gekleideter Mann mit Backenbart konnte den Blick nicht von ihm wenden. Auffallend war jedoch nicht nur das Interesse dieses Mannes, sondern dass er sich in Begleitung mehrerer Hafenarbeiter befand, die ihrem Aussehen nach auch Raufbolde und Ganoven hätten sein können. Benjamin hatte den Mann während der Überfahrt auf dem Schiff gesehen. Er fragte sich, warum diese merkwürdige Gruppe am Kai stand, aber als die Kutsche losfuhr, vergaß er sie wieder.

      Ihr vierwöchiger Urlaub führte Benjamin und seinen Vater in einem Bogen von Hamburg über Hannover und Frankfurt nach Süddeutschland. In der Nähe von München besuchten sie ein Hotel, das zwar nicht den gehobenen Standard bot, den der Legationsrat sonst für sich beanspruchte. Aber die Inhaber waren ein freundliches Ehepaar, das Benjamin aus seiner abenteuerlichen Zeit auf dem Rummel kannte. Man sprach viel über die gemeinsamen Erlebnisse und die schöne Zukunft, die man sich erhoffte. Vater und Sohn wanderten im Bayerischen Wald, sie besuchten Dresden und kamen schließlich nach Berlin. Fast fünf Wochen waren vergangen, seit sie in Hamburg an Land gingen.

      Benjamin ahnte nicht, was er in dieser Zeit in der Hauptstadt verpasste.

      Sabans Weg nach Berlin

      Die Begegnung mit dem dunkelhäutigen Jungen brachte Saban durcheinander. Es lebten also auch Menschen in Deutschland, die aus Afrika stammten – oder bei denen mindestens ein Elternteil Afrikaner war. Das hatte er sich bisher nicht vorstellen können.

      Während er sich im Dunkel der Hafenanlagen ein Versteck für die Nacht suchte, ließ ihn der Gedanke nicht los, diese Menschen müssten auch bereit sein, ihn und seine Sache zu unterstützen. Vielleicht gab es in Berlin, dem Ziel seiner Reise, noch mehr von ihnen. Er würde sich umhören, sobald er dort war.

      Das Nachdenken macht ihn unaufmerksam. Als er einen passenden Unterschlupf entdeckte, einen windgeschützten Bretterverschlag in einer dunklen Ecke, ging er einfach darauf zu. Er war noch zwei Schritte davon entfernt, als sich jemand von hinten auf ihn warf und ihn zu Boden drückte, so dass er sich nicht mehr bewegen konnte.

      „Rühr dich nicht, sonst passiert was!“, befahl eine raue Männerstimme.

      Saban spürte, wie der Angreifer seine Position so änderte, dass er ihn mit den Knien am Boden hielt. Die linke Hand umfasste Sabans Nacken, mit der Rechten tastete er Sabans Kleidung ab. Er fand das Messer und die Geldscheine, die Saban erst vor einer Viertelstunde von Benjamin bekommen hatte.

      „Geld?“, fragte die Männerstimme verblüfft. „Wieso treibt sich jemand, der Geld hat, nachts hier herum? Mit dir stimmt etwas nicht, Junge.“

      Das Messer erwähnte der Mann nicht, er schien es für normal zu halten, bewaffnet zu sein. „Wie heißt du?“, fragte er.

      „Saban.“

      „Blöder Name. Woher?“

      „Mit dem Schiff aus London.“

      „Lüg mich nicht an. Niemand fährt mit einem Bündel Geld von London nach Hamburg und läuft dann direkt ins schlimmste Hafenviertel.“

      „Ich bin als blinder Passagier mitgefahren, weil ich das Geld noch nicht hatte. Die Scheine hat mir vorhin jemand geschenkt.“

      Der Mann lachte laut auf und ließ Saban los. „So einer bist du also. Ja, das kenne ich! Immer mal wieder ‚schenken‘ auch mir Leute ihr Geld. Manche freiwillig, wenn ich in der Innenstadt bettle, manche nicht so freiwillig, wenn ich mich selbst bediene. Was ich nur tue, wenn die Not groß ist, versteht sich. Man ist ja ein anständiger Mensch, nicht wahr?“

      Saban stand auf und drehte sich um. Der Mann, der ihn angefallen hatte, ging in den Bretterverschlag und entzündete eine Kerze. Er sah schlimmer aus als die Obdachlosen, die Saban in London angetroffen hatte. Wild wucherndes, weißes Haar bedeckte Kopf und Gesicht. Eine krumme Nase hing weit über den grinsenden Mund, in dem von Zigarrenrauch gelb gefärbte Zähne zu sehen waren. Der Mann trug abgerissene Kleidung und einen schief aufgesetzten Hut mit einer Vogelfeder im Hutband.

      So aufmerksam, wie Saban den Mann musterte, wurde er seinerseits betrachtet. „Schau an, ein Afrikaner“, sagte der Mann. „Einer, der Deutsch spricht. Südwestafrika, vermute ich mal, aus der Kolonie. Was verschlägt denn einen wie dich hierher?“ Und dann fügte er ein paar kaum verständliche Worte in Sabans Muttersprache hinzu: eine Begrüßungsformel und ein wüstes Schimpfwort.

      Überrascht antwortete Saban in derselben Sprache, aber der Mann verstand ihn nicht.

      „Ist lange her, dass ich dort unten war, Kleiner. Trockene Gegend, war nichts für mich. Lieber hier ein Penner sein, als dort unten Soldat spielen. Aber ihr seid anständige Leute, ihr Schwarzen. Hier, nimm deinen Kram zurück.“ Er hielt Saban das Messer und das Geld entgegen. „Ich heiße Roland. Du kannst mich Rolli nennen, das tun alle. Wegen meines Vornamens und weil ich mal so dick war, dass man mich hätte rollen können. Ist lange her, lange her.“

      Der Mann war alt, Saban schätzte ihn auf sechzig Jahre, und hager. Die hellblauen Augen wiesen einen Stich ins Gelbe auf, wahrscheinlich hatte Rolli in seinem Leben zu viel Alkohol getrunken – oder sich in Afrika eine der Krankheiten eingefangen, die die Leber angriffen. Weiße waren da besonders anfällig, hatte Saban gehört.

      „Setz dich“, forderte Rolli und zeigte auf eine Kiste. Er selbst setzte sich ebenfalls. Eine dritte Kiste diente ihm als

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