Diamanten aus Afrika. Manfred Rehor

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Diamanten aus Afrika - Manfred Rehor

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sagten den Männern auch nicht, wo Saban schlief, damit er nicht gestört wurde. Die Männer zogen grimmige Gesichter und gingen, ohne sich eine der Vorführungen auf dem Rummel anzusehen.

      Als Saban am folgenden Morgen davon erfuhr, wusste er, dass seine Verfolger ihm auf die Spur gekommen waren. Schuld daran war vermutlich Bergmann, denn der hatte neue Plakate an die Litfaßsäulen der Stadt kleben lassen, um für mehr Besucher zu sorgen. Darauf pries er auch den „echten Afrikaner aus den Dschungeln unserer Kolonien südlich des Äquators“ als Attraktion an. Sabans Verfolger mussten gedacht haben, das könnte er sein. Woher sie wussten, dass er nach Berlin gereist war, konnte sich Saban dagegen nicht vorstellen. Vielleicht hatte Rolli mit jemandem darüber gesprochen.

      Saban verzichtete an diesem Tag darauf, eine Vorstellung zu geben. Er behauptete, sich nicht gut zu fühlen, und packte heimlich ein paar Sachen zusammen. Dann trieb er sich den ganzen Nachmittag in der Nähe des Rummelplatzes herum, so dass er sehen konnte, was vorging, ohne selbst allzu sehr aufzufallen. Am frühen Abend kamen die beiden Männer. Der eine hatte lange, blonde Haare, die wie Fransen unter seinem Hut hervorquollen, der andere war kahl, wie Saban sah, als der den Hut abnahm, um sich mit einem Taschentuch über die Glatze zu fahren.

      Sie stachen sofort unter den Besuchern des Jahrmarkts hervor, obwohl sie nicht anders gekleidet waren, als die anderen: schäbiger Anzug, der für den besonderen Anlass noch einmal herausgeputzt worden war, und natürlich Hut und Zigarre, wie es sich für einen Mann gehörte. So sahen alle Männer aus, die hier in der Gegend wohnten. Und doch merkte man, dass die beiden nicht hierher gehörten. Sie wirkten, als wären sie verkleidet, ohne dass Saban, der sich in europäischer Mode sowieso nicht gut auskannte, hätte sagen können, warum.

      Die Männer gingen direkt auf sein Zelt zu und lasen das Schild, auf dem stand, dass die Vorführungen ausfielen. Einer von ihnen riss das Schild einfach ab, der andere versuchte, den Eingang des Zelts zu öffnen. Als er merkte, dass ein Seil ihn daran hinderte, zog er ein Messer und schnitt einen langen Schlitz in die Leinwand. Er verschwand kurz im Zelt, kam wieder heraus und sprach mit seinem Begleiter. Sie wandten sich an einen Verkäufer von gebrannten Mandeln, der in der Nähe seinen Stand hatte, und fragten ihn etwas. Saban sah, wie der Verkäufer den Kopf schüttelte und mit den Schultern zuckte.

      Nachdem sie einen Rundgang über das Rummelgelände gemacht und immer wieder Schausteller angesprochen hatten, verließen die Männer das Gelände. Sie gingen die Straße entlang. Saban folgte ihnen vorsichtig, bis er sah, dass hinter der nächsten Ecke eine Droschke wartete, mit der die Männer davon fuhren.

      Da abends alle Schausteller bei ihren Fahrgeschäften, Buden und Zelten waren, sah niemand, wie Saban später sein Bündel aus dem Wohnwagen holte und verschwand.

      Schornsteinfeger!

      Berlin war die drittgrößte Stadt der Welt nach London und Paris. Jedenfalls behaupteten die Berliner das gerne, und sie fügten meist hinzu, dass sich die Rangfolge bald ändern werde. Für Saban, der in seiner Heimat in den größten Siedlungen, die es gab, die Hütten nach Dutzenden zählen konnte, spielte das keine Rolle. Für ihn war Berlin riesig und überfüllt mit Menschen. Was ihm schmerzhaft fehlte, waren Pflanzen und Tiere. Er bewegte sich zwischen den großen Mietskasernen wie ein unvorsichtiger Wanderer, der in eine unbekannte, möglicherweise gefährliche Schlucht geraten war, und nun einen Weg hinaus suchte. Hinaus ins Grüne, wo der Himmel an schönen Tagen blau war und nicht von den Schwaden der Kamine überzogen, die man über den Häusern auch im Sommer qualmen sah.

      Das Stadtviertel, in dem sich Saban befand, lag im Süden von Berlin, deshalb war die Entfernung zum freien Land nicht gar so groß. Teltow war einer der Namen, die sich Saban eingeprägt hatte, dort hatten ja die Hamburger Schausteller zunächst Station gemacht. Aus Gesprächen zwischen Rummelbesuchern war herauszuhören gewesen, dass sie aus Teltow kamen, um den Tag in Berlin zu verbringen.

      Eigentlich gab es keinen Grund für die Teltower, so einen bescheidenen Kinderjahrmarkt zu besuchen. Was sie reizte, war nicht der Jahrmarkt, sondern die Fahrt dorthin. Man hatte eine neue Maschine in Betrieb gesetzt, die „Dampfstraßenbahn“ genannt wurde und Berlin mit Teltow verband. Jeder Teltower wollte diese Straßenbahn ausprobieren, und wenn man schon in Berlin war, konnte man auch gleich auf den Rummel gehen.

      Straßenbahnen hatte Saban in Berlin einige gesehen: Das waren von Pferden gezogene Wagen, die aber auf Schienen fuhren wie Eisenbahnen. Deshalb konnten sie nur festgelegte Strecken fahren, im Gegensatz zu den Pferdeomnibussen, die es ebenfalls gab. Dafür rollten sie schneller, weil die Pferde dank der Schienen nicht so kräftig ziehen mussten, um die Wagen in Bewegung zu setzen. Auch von einer elektrischen Straßenbahn hatte er gehört, sie aber noch nicht gesehen. Vermutlich war eine Dampfstraßenbahn nicht mehr als eine Pferdestraßenbahn, vor die man eine Lokomotive gespannt hatte, anstelle der Pferde. Lokomotiven kannte Saban aus London und von seiner Fahrt nach Berlin. Sie waren beeindruckend, aber letztendlich doch nur technische Dinge, die Menschen zusammengebaut hatten. Nichts, vor dem man allzu großen Respekt haben musste.

      Leider wusste Saban nicht, wo in Berlin sich die Haltestelle der Dampfstraßenbahn nach Teltow befand und ob die Bahn auch nachts fuhr. Die wenigen Passanten, die ihm auf den Straßen begegneten, wollte er nicht danach fragen. Ein Berliner, der nachts unerwartet einem Afrikaner gegenüberstand, könnte nach der Polizei rufen. Das wollte Saban vermeiden. Er hatte Mühe genug, den Streife gehenden Wachtmeistern auszuweichen. So wanderte er also durch die Straßen, die er aus den letzten Tagen kannte, auf der Suche nach einem Versteck, in dem er schlafen konnte. Er fand es im Hinterhof eines Hauses. Es war warm genug, um ohne Decke schlafen zu können, und zum Glück regnete es nicht, deshalb genügte Saban eine weiche Unterlage aus alten Säcken in dem dunklen Winkel.

      Morgens machte er sich wieder auf den Weg. Diesmal wagte er es nicht nur, jemanden anzusprechen, sondern er ging direkt auf eine Polizeistreife zu und fragte, wo die Bahn nach Teltow abfuhr. Zur Erklärung fügte er gleich hinzu, er sei von dem Rummel, der in dieser Gegend gastiere, und wolle sich die neue Sensation ansehen. Er wurde zwar von dem älteren der beiden Polizisten angeschnauzt, er solle verschwinden, Schausteller seien alle nur Diebe und Betrüger. Doch dessen jüngerer Kollege war besser aufgelegt und erklärte Saban, wie er zu der Endhaltestelle gelangen konnte.

      Zwei Stunden später war Saban in Teltow. Er erregte in dem kleinen Ort weniger Aufsehen als befürchtet, weil es Sonntag war und eine Unmenge Berliner sich auf den Weg ins Grüne gemacht hatten. Saban sah sich Teltow und die Umgebung an. Es gefiel ihm hier. Aber eines war ihm schon nach der ersten halben Stunde klar: Hier konnte er nicht bleiben. Ein Afrikaner in dieser kleinen Gemeinde mit nur wenigen Tausend Einwohnern, das würde sich herumsprechen, bis nach Berlin hinein. So schön es hier war, seine Verfolger konnten ihn sicherlich binnen Tagen ausfindig machen – schneller noch als auf einem Rummelplatz.

      Da er seit dem Vorabend nichts mehr gegessen hatte, kaufte sich Saban an einem Imbissstand zwei belegte Schrippen, setzte sich im Schatten eines Baumes ans Wasser und sah Menschen in Ruderbooten zu, während er aß. Nach einer Weile schlief er ein.

      Kindergeschrei weckte ihn. Als er die Augen öffnete, fand er sich von einem Kreis von Jungen und Mädchen umstanden, die ihn anstarrten und darüber stritten, ob er ein böser schwarzer Mann sei oder nicht. Saban lächelte, um den Kindern die Furcht zu nehmen, und erreichte gerade das Gegenteil: Sie rannten kreischend vor ihm davon. Nur ein etwas Älterer, der schon über zehn war, blieb nach ein paar Schritten wieder stehen und drehte sich neugierig um. Als er sah, dass Saban ihn nicht verfolgte, kam er langsam näher.

      „Bist du ein Neger?“, fragte er vorwitzig.

      „Ein Afrikaner“, antwortete Saban. „Hast du noch nie einen wie mich gesehen?“

      Stumm schüttelte der Junge den Kopf.

      „Ich

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