Diamanten aus Afrika. Manfred Rehor

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Diamanten aus Afrika - Manfred Rehor

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Ich gebe dir genügend Geld, damit du selbst die Stadt erkunden kannst.“ Er kramte in seinen Taschen und zog einiges an Bargeld heraus. Es war ein Vielfaches von dem, was Benjamin normalerweise monatlich an Taschengeld bekam. Da Benjamin in Hamburg sein ganzes Geld Saban gegeben hatte, kam ihm das gelegen.

      Sein Vater fuhr fort: „Außerdem werde ich beim Empfangschef einen Scheck hinterlegen, für den Fall der Fälle. Herr von Winterhoff wird sich um alles Weitere kümmern. Falls etwas ist, wende dich an ihn. Er wird auch täglich hier vorbeikommen und nachsehen, ob mit dir alles in Ordnung ist.“

      Das war Benjamin gar nicht recht. Dieser junge Schnösel sollte auf ihn aufpassen? Das durfte nicht sein! Schon wie ihn dieser von Winterhoff jetzt ansah; fast mit etwas wie Heimtücke im Blick.

      „Ich werde schon zurechtkommen“, versprach Benjamin. „Kannst du nicht wenigstens am Wochenende nach Berlin ...“

      „Die Kutsche wartet, Herr Legationsrat“, unterbrach ihn Herr von Winterhoff. „Und Fürst Bismarck harrt Ihrer Ankunft. Wenn ich bitten darf!“

      Es blieb nur Zeit für einen kurzen Abschied, dann ging Benjamins Vater mit seinen Koffern wieder hinaus in den Regen. Eine große Kutsche fuhr vor und Benjamin sah seinen Vater und Heinrich von Winterhoff einsteigen. Er winkte noch, aber sein Vater sah es nicht mehr.

      „Herr Liersch?“

      Benjamin fühlte sich erst gar nicht angesprochen, doch ein lautes Räuspern brachte ihn dazu, sich umzudrehen. Der Empfangschef stand hinter ihm.

      „Darf ich Ihnen Ihre Räume zeigen lassen?“

      „Räume?“, fragte Benjamin.

      „Die Suite, die Ihr Vater gemietet hat. Sie besteht aus zwei Schlafzimmern, zwei Ankleideräumen und zwei Badezimmer. Außerdem stehen Ihnen ein Salon und ein Empfangsraum zur Verfügung. Im dritten Stock.“ Der Empfangschef winkte einem Pagen, der sich Benjamins Koffer nahm und zum Aufzug trug.

      Benjamin ging auch dorthin und der Empfangschef folgte. Wieder verstand Benjamin nicht gleich, um was es dem Mann eigentlich ging. Erst, als der vor der Aufzugstür besonders devot dienerte, begriff Benjamin und gab ihm ein paar Münzen als Trinkgeld. Der Empfangschef verbeugte sich erneut und zog sich hinter seinen Tresen zurück.

      Die Suite, in die der Page Benjamin führte, war riesig. Sie bot genügend Platz für eine vielköpfige Familie. Alles war vollgestellt mit Plüschsesseln und Sofas und Tischchen. Überall standen Podeste mit Vasen und Kunstgegenständen. An den Wänden hingen so viele Bilder, dass Benjamin sich an eine Gemäldegalerie erinnert fühlte. Schwere Vorhänge ließen kaum etwas von dem Tageslicht herein, das an diesem Regentag sowieso nur trübe war. Dafür strahlten von der Decke neumodische elektrische Glühbirnen und leuchteten jeden Winkel aus.

      „Ein bisschen groß für einen alleine“, sagte der Page.

      Benjamin sah ihn erstaunt an. Der Page war ein Junge etwa so alt wie er selbst, klein, drahtig und mit einem pfiffigen Gesichtsausdruck.

      „Mir wäre es auch lieber, wenn mein Vater hier wäre“, gab Benjamin zu. „Aber wenn er in dringenden Angelegenheiten weg muss, geht es eben nicht anders.“

      „So hat jeder seins zu tragen“, sagte der Page und zog die Miene eines welterfahrenen Mannes, die ihm nicht gut zu Gesicht stand.

      Benjamin gab ihm Trinkgeld und schickte ihn weg, dann wanderte er durch die Räume. Ein Klopfen rief ihn aber an die Türe zurück.

      „Herein!“

      Ein Diener trat ein. Es war ein kleiner, fast kahlköpfiger alter Mann in einem schwarzen Anzug mit dem Namen des Hotels auf der Brusttasche. „Ich werde Ihre Koffer auspacken, gnädiger Herr“, sagte der Mann.

      Verdattert lehnte Benjamin dies ab, was der Mann mit einem erstaunten Gesicht quittierte. „Dann darf ich Ihnen vielleicht ein Bad herrichten, Sie werden nach der langen Reise erschöpft sein. Haben Sie besondere Wünsche hinsichtlich der Temperatur oder der Badezusätze, gnädiger Herr?“

      Auch dieses Ansinnen lehnte Benjamin ab. Als der Diener dann anfing, die Räume zu kontrollieren, ob auch wirklich alles in Ordnung war und so, wie der gnädige Herr es wünsche, und fragte, was er dem Koch ausrichten solle über die besonderen Befehle des gnädigen Herrn bezüglich des Essens, hatte Benjamin genug. Er gab dem Diener ein extra hohes Trinkgeld und schickte ihn weg.

      Hier würde er sich nicht wohl fühlen. So viel stand für Benjamin jetzt schon fest. Wochenlang in dieser Suite zu wohnen, bedienert und als gnädiger Herr angeredet zu werden, ständig Trinkgelder verteilend, um in Ruhe gelassen zu werden – das würde die Hölle für ihn sein.

      Benjamin setzte sich ans Fenster und sah hinunter auf die regennasse Straße, auf der sich Droschken und Menschen mit Regenschirmen drängten. Es war Mittagszeit, die Stadt wuselte wie ein aufgestörter Ameisenhaufen.

      Berlin war nicht Benjamins Heimat. Er war als Kind und Jugendlicher mehrmals mit dem Rummel in dieser Stadt gewesen, und natürlich während der abenteuerlichen Tage, als er den Rummel verließ und seinen Vater hier suchte und fand. Von den Menschen, die er damals kennengelernt hatte, lebten der Millionär Riehmann und seine Tochter Bettina in Berlin, und zu denen wollte er nicht unbedingt gehen. Der Gassenjunge Hans und seine Freunde – das wäre eine Möglichkeit. Die Schausteller dagegen waren längst weitergezogen.

      Benjamin richtete sich auf. Das musste ja nicht zutreffen! Vielleicht hatte er ja Glück. Frühsommer war nicht die ideale Zeit für einen Rummelplatz in Berlin. Die Frühlingsfeste waren vorüber und die großen Gartenfeste in den Biergärten hatten noch nicht begonnen. Aber es konnte ja trotzdem sein, dass sich einige Schausteller bereits in der Stadt aufhielten, weil sie nichts Besseres gefunden hatten. Gewöhnlich waren Veranstaltungen in Berlin an den Litfaßsäulen angeklebt. Deshalb machte sich Benjamin auf den Weg nach unten, um den Empfangschef zu fragen, wo in der Nähe des Hotels die nächste Litfaßsäule zu finden sei.

      Der Empfangschef erlaubte sich, zunächst die Augenbrauen hochzuziehen, bevor er sagte: „Das kulturelle Leben der Hauptstadt ist sicherlich vielfältig. Aber Veranstaltungen, die für Personen von Stand geeignet sind, findet man nicht an diesen Säulen auf der Straße.“

      „Ich will wissen, wo ein Jahrmarkt ist“, beharrte Benjamin.

      „Da empfehle ich Ihnen den Blick in die heutige Zeitung, die wie jeden Tag für unsere Gäste bereitliegt“, sagte der Empfangschef. Er deutete auf ein paar Tische, die in der Eingangshalle des Hotels standen.

      Also ging Benjamin dorthin, suchte sich die aktuelle Zeitung aus einem Stapel nationaler und internationaler Blätter heraus und setzte sich in einen der tiefen, weichen Sessel, die penetrant nach Zigarrenrauch stanken. Er überflog die Titelseite und die folgenden politischen und gesellschaftlichen Berichte. Gerade wollte er weiterblättern, als das Wort ‚Afrika‘ ihn innehalten ließ. Ein kurzer Artikel berichtete von einem gewissen Graf Ernest von Wolfer, der nach einer mehrmonatigen Erkundungsreise in die Kolonie und andere entlegene Gegenden Afrikas nach Berlin zurückgekehrt sei. Der Herr Graf plane die Gründung einer Aktiengesellschaft, um die Schätze des schwarzen Kontinents auszuwerten. Die Zeitung empfahl ihren Lesern, soweit sie bereit seien, in eine lukrative und fast risikolose, aber sehr gewinnträchtige Geschäftsidee zu investieren, den Namen des Grafen im Gedächtnis zu behalten.

      Neben dem Artikel war ein Bild des Grafen abgedruckt. Benjamin stutzte. Woher kannte er diesen Mann? Dessen rundliches Gesicht mit einem breiten Backenbart nach amerikanischer Mode war auffällig genug. Es dauerte einen Moment, bis

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