Diamanten aus Afrika. Manfred Rehor

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Diamanten aus Afrika - Manfred Rehor

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kommen bestimmt wieder mehr Zuschauer. So wie früher. Dann kann ich meine Schulden bezahlen. Bergmann ist nicht nett zu mir, weil ich seit einigen Wochen nicht mehr zahlen kann.“

      Bergmann, der Wurfbudenbesitzer, fungierte als Finanzier der Schausteller, weil diese von den Banken keine Kredite bekamen. Da das Sparen nicht zu den Tugenden der meisten Fahrensleute zählte und ihr Einkommen stark schwankte, hatten fast alle Schulden bei Bergmann. Der nahm heftige Zinsen, drückte aber ein Auge zu, wenn es mit der Rückzahlung der Raten mal nicht so lief. Aber eben nicht lange. Dann wurde er böse. Die meisten Schausteller zuckten die Schultern, wenn er schlechtgelaunt ankam und sein Geld einforderte, aber Herkules nahm das persönlich. Er konnte es nicht ertragen, wenn ihn jemand böse ansah.

      „Ich werde dir Geld geben“, versprach Benjamin. „Mein Vater ist zwar nicht reich, aber ich bekomme im Monat mehr Taschengeld, als ich damals zusammen mit Grabow verdient habe.“

      „Oh!“, machte Herkules beeindruckt. Aber dann schüttelte er den Kopf. „Ich will nichts geschenkt haben. Ich habe immer selbst mein Geld verdient. Wenn du die Afrikaschau wieder beginnst, die dein Freund machen wollte, dann kommen auch wieder mehr Zuschauer auf den Platz. Und wenn sie erst mal auf dem Platz sind, dann kommen sie auch zu mir. Heute war kein Einziger in der Vorstellung, Benjamin, kein Einziger! Und das geht nicht nur mir so.“

      Für Herkules war das eine lange Rede. Daran erkannte Benjamin, wie schlimm es um ihn stehen musste. Und doch fühlte Benjamin sich hereingelegt, und zwar von Muck. Er kannte den gerissenen Kleinen gut genug, um es nicht für Zufall zu halten, dass Herkules vor dem Zelt auf sie gewartet hatte.

      „Ich verstehe deine Hoffnung“, sagte er deshalb zu dem starken Mann. „Wenn Muck gesagt hat, alles wird besser, sobald ich wieder da bin, hat er es sicherlich gut gemeint. Das hat er doch gesagt?“

      Bevor Muck etwas einwenden konnte, nickte Herkules heftig. „Ja, das hat er uns heute Morgen so versprochen.“

      Nun war es Muck, der Herkules ein böses Gesicht zeigte, bevor er Benjamin am Ärmel packte und mit sich zog.

      „Es geht doch um uns alle“, sagte er. „Und es wäre nur für ein paar Tage. Zwei Wochen vielleicht oder allerhöchstens drei. Dann gehen die Sommerfeste los und wir ziehen von hier weg. Du würdest uns sehr helfen.“

      „Hast du etwa auch Geldsorgen?“, fragte Benjamin verblüfft.

      „Nein, die Belohnung, die wir damals bekamen, haben wir gut angelegt. Die Zinsen helfen uns über die Runden, und wenn es wirklich eng wird, können wir etwas davon abheben. Aber den anderen geht es nicht so gut.“

      Als dann auch noch Mucks Mutter dazu kam und auf Benjamin einredete, gab er schließlich nach. „Zwei Wochen“, sagte er. „Und nur Kindervorstellungen!“

      Erleichterung stand auf Mucks Gnomengesicht geschrieben, als er ihn zu dem Wohnwagen führte, in dem Saban übernachtet hatte. Dort lagerten die Requisiten, die aus der Zeit stammten, als Friedrich Grabow und Benjamin aufgetreten waren, und die noch nicht von Saban in dem kleinen Zelt genutzt worden waren.

      Benjamin wühlte darin herum, suchte ein paar geschnitzte Masken heraus, die Luftpumpe, mit der man das Tröten eines Elefanten imitieren konnte, und ein paar Felle, die so gefärbt waren, als stammten sie von exotischen Tieren. Sogar Grabows Peitsche fand er. Oft genug hatte er sie auf seinem Rücken spüren müssen, wenn sein Ziehvater betrunken nach Hause kam und seine Wut an ihm ausließ. Benjamin gab die Peitsche Muck und sagte: „Wirf sie weg!“

      Muck nickte verstehend und ging davon. Nach ein paar Minuten kam er ohne Peitsche zurück. „Soll ich die Sachen ins Zelt bringen?“

      „Ja. Und frag deine Mutter, ob sie einen Schminkspiegel hat, mit dem ich mich zurechtmachen kann. Der hier ist zerbrochen.“ Er zeigte die Scherben, bevor er sie in einem Abfalleimer warf.

      „Kein Problem. Wenn es etwas gibt, von dem Mutter mehr als genug hat, dann sind es Spiegel und Schminkzeug.“

      Am Abend richteten sie das Zelt anders her, als es Saban getan hatte, mit mehr Platz in der Mitte und mit Dekorationsstücken, die eine besondere Atmosphäre schufen.

      Am folgenden Nachmittag war es soweit. Zum ersten Mal, seit er vom Rummel abgehauen war, um seinen Vater zu suchen, spazierte Benjamin geschminkt und verkleidet zwischen den Buden herum. Zunächst war es wichtig, genügend Zuschauer für seine Vorstellung zu gewinnen. Benjamin trug ein afrikanisches Fantasiekostüm, das aus Lederstücken und Pelzresten zusammengenäht war. In der Hand hielt er einen verzierten Speer.

      „Kommen Vorstellung vier Uhr nachmittags in kleines Zelt“, radebrechte er, wenn er ein Kindermädchen oder eine Mutter mit ihren Kindern ansprach. „Zeige kleinen Berlinern Geheimnisse von Afrika. Brauchen nicht fürchten! Ist besondere Kindervorstellung.“

      Kein Berliner würde ihm den Afrikaner abnehmen, wenn er fehlerfreies Deutsch sprach. Das war eine der vielen Erfahrungen aus den Jahren mit Grabow.

      Eine Viertelstunde vor Vorstellungsbeginn stellte er sich dann vor dem Eingang des Zeltes auf und verkaufte Eintrittskarten. Die Plätze füllten sich schnell. Bald konnte Benjamin das ‚Vorstellung ausverkauft!‘-Schild neben dem Zelteingang aufhängen. Das war die beste Werbung, die es gab. Deshalb hängten es manche Schausteller auch auf, wenn eine Vorstellung nur mäßig besucht war. Benjamin hatte das nicht nötig.

      Der Platz in dem kleinen Zelt reichte nicht aus für die wilden Tänze und kriegerischen Vorführungen, die früher zum Programm gehört hatten. Deshalb beschränkte sich Benjamin hauptsächlich auf das Erzählen von Geschichten, die er mit vielen übertriebenen Gesten und Grimassen ausmalte. Die Kinder fürchteten sich und lachten gleich darauf wieder und jubelten schließlich, als er zum Schluss Bonbons zwischen sie warf. „Nix gut Bonbons für uns Afrikaner. Hier, schenke ich euch deutschen Kindern!“, rief er und zog ein angewidertes Gesicht, als habe er noch nie so etwas Ekliges geschmeckt.

      Nach einer Dreiviertelstunde öffnete er den Eingang des Zeltes und ließ die Besucher hinaus. Von den Müttern und Kindermädchen bekam er ein paar Pfennige Trinkgeld.

      Der Auftritt hatte sich tatsächlich gelohnt, es war wie in früheren Zeiten. Fast meinte Benjamin, gleich den alten Grabow grölend von der Kneipe zurückkehren zu hören, um mit nach Schnaps stinkendem Atem nach der Höhe der Einnahmen zu fragen und ihm eine Ohrfeige zu geben, falls es zu wenig war.

      Benjamin schminkte sich im Wohnwagen ab und legte sich auf das Pritschenbett. Erst jetzt wusste er, wie sehr ihm in den vergangenen Monaten die Auftritte gefehlt hatten. Die fremden Menschen, das Geschrei der Kinder, aber auch das Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen und Beifall zu erhalten.

      Am späten Abend, nachdem die letzten Besucher den Rummelplatz verlassen hatten, ging Benjamin über das leere, dunkle Gelände und sog die Gerüche ein, die vom Tag hängengeblieben waren: Bratwurst, gebrannte Mandeln, Kräuterbonbons, abgestandenes Bier – jede Ecke roch anders und weckte andere Erinnerungen an frühere Zeiten. Schließlich kehrte er zurück zum Stellplatz der Wohnwagen und klopfte bei den Stolbergs an.

      Muck ließ ihn hinein. „Wie haben schon auf dich gewartet“, sagte er. „Wie ist deine Vorstellung gelaufen?“

      „Gut“, gab Benjamin zu. „Ich habe nichts verlernt. Wenn das Zelt größer und die Dekoration vollständig wäre, könnte man meinen, es habe sich nichts geändert.“

      „Du kannst gutes Geld verdienen auf dem Rummel“, sagte Jedah, die in ihrem Sessel saß und mit Nadel und Faden Kostüme ausbesserte. „Vor allem jetzt, wo jedermann von den Kolonien

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