Diamanten aus Afrika. Manfred Rehor

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Diamanten aus Afrika - Manfred Rehor

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Afrikaner“, stellte sie fest. „Was will er?“

      „Er fragt nach Arbeit“, erklärte ihr Sohn.

      „Warum stehst du dann noch hier herum, Muck? Bitte ihn herein. Nur weil er Benjamin ähnelt? Das tun alle jungen Afrikaner, vermute ich mal. Immer rein mit ihm in die gute Stube.“ Sie streckte Saban die Hand entgegen. „Willkommen. Ich bin Jedah Stolberg und das ist mein Sohn Muck. Wie heißt du? Möchtest du Kuchen? Trinkst du Kaffee? Ich mache gerade welchen.“

      Jedah plauderte fröhlich vor sich hin. Saban folgte ihr in den Wohnwagen und staunte über den Aufbau, den er nun sah: Der vordere Teil des Wagens war als gutbürgerliches Wohnzimmer eingerichtet, mit Sesseln und Tisch und Bildern an den Wänden. Die hintere Hälfte dagegen war auf halber Höhe in zwei Etagen aufgeteilt. Unten befand sich eine Küche, die gerade hoch genug war für die kleinwüchsigen Bewohner des Wagens, und oben sah Saban durch halb geschlossene Vorhänge zwei Schlafkammern. Die Sessel im vorderen Teil waren von der Größe her ebenfalls auf die Bewohner zugeschnitten, aber es gab einen Stuhl für normalgroße Menschen, auf dem Saban Platz nahm.

      „Wo kommst du her, mein Junge?“, fragte Frau Stolberg, während sie Kaffeegeschirr und einen Kuchen auf dem Tisch anrichtete.

      Saban behauptete, er sei aus Abenteuerlust nach Europa gekommen und habe in Hamburg Anschluss an eine Schaustellergruppe gefunden. Dann berichtete er vom Schicksal des alten Meyer. Muck und seine Mutter kannten den Mann. Die meisten Schausteller in Deutschland kannten sich untereinander zumindest dem Namen nach. Deshalb glaubten sie Saban auch den ersten Teil seiner Geschichte, der geflunkert war.

      „Du musst schon entschuldigen, dass wir dich vorhin so angestarrt haben“, sagte Mucks Mutter schließlich. „Aber du ähnelst einem Freund von uns, der bis letztes Jahr hier mitgearbeitet hat. Benjamin Grabow hieß er. Der alte Grabow ist jetzt tot und Benjamin heißt mit Nachnamen in Wirklichkeit Liersch und wohnt jetzt im Ausland, aber das ist eine lange Geschichte, die auch nicht jeden angeht.“

      „Wir dürfen sie eigentlich gar nicht erzählen“, warf Muck wichtigtuerisch ein. „Höchste Kreise waren damals darin verwickelt und man hat uns eine Belohnung bezahlt für unsere Hilfe. Aber auch, damit wir den Mund halten, wenn du verstehst, was ich meine.“

      Saban verstand es nicht, aber es war ihm auch egal. „Ich habe in Hamburg einen Benjamin getroffen, der dunkle Haut hat. Nicht ganz so dunkel, wie ich, er ist ein Mischling. Er hat mir erzählt, dass er früher auf dem Rummel gearbeitet hat. Vielleicht ist es derselbe.“

      Muck sprang auf. „Das muss er sein!“, rief er. „Wir dachten, er ist in London. Wie habt ihr euch kennengelernt?“

      Da Saban nicht die ganze Wahrheit erzählen wollte, berichtete er, er habe Benjamin auf dem Schiff von London kommend gesehen und sich in Hamburg kurz mit ihm unterhalten. Er fügte hinzu, dass dieser Benjamin in einigen Wochen nach Berlin kommen würde.

      Das löste bei den beiden Stolbergs solche Freude aus, dass sie sich an den Armen griffen und einen Tanz vorführten, der ihren Wohnwagen wackeln ließ.

      „Du bist also ein Freund von Benjamin“, sagte Muck schließlich außer Atem. „Klar, dass wir dir helfen. Die Aufbauten von Grabows damaliger Afrika-Schau schleppen wir immer noch in einem der Wagen mit uns herum. Daraus können wir ein Zelt aufbauen und ein wenig einrichten, so dass du zumindest kurze Vorstellungen für Kinder geben kannst. Die Einkünfte kannst du erst mal behalten, und wenn wir im Laufe des Sommers bessere Engagements finden, bauen wir wieder eine große Schau auf. Vielleicht findet sich noch ein zweiter Afrikaner, dann wären wir eine Attraktion in Berlin. Die Zwerge vom Norden der Weltkugel und die Afrikaner aus dem Süden. Sensationen über Sensationen! Die Zuschauer werden uns die Eintrittskarten aus den Händen reißen. Einverstanden?“

      Auch wenn er die Begeisterung des kleinen Mannes nicht teilte, stimmte Saban zu. Eine bessere Tarnung konnte er nicht finden. Rolli hatte ihm ja klar genug gesagt, wie schwierig es werden würde, an einen der wichtigen Politiker heranzukommen, von Bismarck gar nicht zu reden. Saban brauchte also Zeit, um sich in Berlin umzusehen, um die Gewohnheiten der Deutschen kennenzulernen und um Wege ausfindig zu machen, wie er sein Ziel erreichen konnte.

      Für die Nacht fand Saban Unterschlupf bei den Pferden, die in einem Schuppen am Rande des Rummelplatzes standen. Am folgenden Morgen packten alle Schausteller mit an und errichteten aus den Resten der ehemaligen Afrika-Schau ein brauchbares kleines Zelt für Sabans Vorstellung. Als Schlafstelle für die Nacht riet man ihm, einen Wohnwagen zu mieten. Einer der Schausteller, der Wurfbudenbesitzer Breitmann, vergab für solche Zwecke Kredite und organisierte bei Bedarf auch Wagen und Pferde.

      Saban trat zunächst nur an den Nachmittagen auf, wenn viele Kinder auf dem Rummel waren. Obwohl der Rummel als Kinderjahrmarkt angekündigt war, kamen abends die Erwachsenen und wollten auch ihren Spaß haben. Das war wegen des Alkohols, der dann in Mengen konsumiert wurde, nicht ungefährlich für einen wie Saban. Zumindest behauptete Muck das.

      „Halt dich erst mal zurück, bis du gelernt hast, mit Menschenmengen umzugehen. Wenn dein ganzes Zelt voller betrunkener Männer ist, die deine Vorführung langweilig finden, kann das auf ziemlichen Ärger hinauslaufen.“

      Saban nutzte die Vormittage, um die Stadt zu erkunden. Zunächst das Arbeiterviertel, in dem der Rummelplatz lag, dann die Innenstadt mit ihren Palästen, Kirchen und vornehmen Geschäften. Er gewöhnte sich rasch daran, angestarrt zu werden. Wurden Passanten gar zu lästig, sprach er sie ungeniert an und lud sie auf den Rummel ein, wo sie ihn in aller Ruhe beobachten könnten. Die meisten Menschen wurden dann rot, stotterten irgendeine Ausrede und gingen weiter. Manche verbaten es sich, von einem wie ihm angemacht zu werden und drohten ihm Prügel an. Aber es tat ihm nie jemand etwas.

      Nach zwei Wochen fühlte sich Saban so wohl auf dem Berliner Rummel, als hätte er schon immer dort gelebt. Die Schausteller waren nett zu ihm, die Stolbergs nahmen ihn wie ein Mitglied ihrer Familie auf und die Vorstellungen vor Kindern machten ihm Spaß. Ein alter Wohnwagen war als Unterkunft hergerichtet worden. Die Kosten waren gering, weil der Wagen eine gebrochene Achse hatte und nicht weiterfahren konnte. Der Besitzer würde ihn erst reparieren lassen, wenn er wusste, wohin der Rummel nach dem Kinderjahrmarkt zog.

      Unter Mucks Anleitung begann Saban, ein halbstündiges Programm einzustudieren, das einen stetigen Wechsel von Spaß und Spannung bot, wie Kinder es gerne hatten. Das verband er mit scheinbar lehrreichen Informationen, so dass die Erwachsenen den Eindruck bekamen, ihre Kinder lernten auch etwas über die Welt, wenn sie diese Veranstaltung besuchten.

      „So hat Grabow das damals aufgezogen, als Benjamin bei ihm war, und er hat nicht schlecht daran verdient“, erklärte Muck. „Wobei er selbst die Rolle eines Afrikaforschers gespielt hat, das hat der Vorstellung mehr Glaubwürdigkeit verliehen. Vielleicht kannst du später einmal jemanden einstellen, der diese Rolle übernimmt.“

      Daran dachte Saban jedoch nicht. So gut es ihm auf dem Rummel gefiel, er war aus einem anderen Grund von Afrika bis nach Berlin gereist. Um herauszufinden, wer in der Politik außer Fürst Bismarck und dem Kaiser etwas zu sagen hatte, begann er, die Zeitung zu lesen. Das brachte ihm wenig Wissen, aber viele hämische Bemerkungen seiner Rummelkollegen ein.

      „Will unser Afrikaner uns zeigen, wie schlau er ist?“, fragte Bergmann einen Losverkäufer, während Saban direkt neben den beiden stand und es hören konnte.

      „Wahrscheinlich schaut er sich nur die Bilder an“, antwortete der Losverkäufer und beide lachten.

      Zu ihrer Verwunderung lachte Saban mit.

      Die schöne Zeit ging zu Ende, als eines Nachts zwei Männer auf den Rummel

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