Diamanten aus Afrika. Manfred Rehor

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Diamanten aus Afrika - Manfred Rehor

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du, dass man deinem Stamm hilft?“

      „So ist es.“

      Wieder schwieg Rolli eine Weile, bevor er sagte: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Geschichte glauben soll. Aber da es mich nichts kostet, kann ich dir zumindest einen Tipp geben, was die Reise nach Berlin angeht. Es gibt wenige Afrikaner in Deutschland. Wenn du also in einen Zug steigst, wirst du sofort auffallen. Du musst auf eine Art reisen, bei der man sich nicht über einen Afrikaner wundert.“

      „Was kann ich tun?“, fragte Saban gespannt.

      „In Hamburg-Bergedorf gastiert im Moment ein Rummel. Die bauen bald ihre Schaugeschäfte ab, weil sie nach Berlin weiterreisen wollen. Auf dem Rummel sieht man öfter Bewohner anderer Kontinente in den Kuriositätenschauen. Du könntest die Leutchen mal fragen, ob sie einen wie dich brauchen können. Dann hättest du die Reise umsonst, es wäre eine prima Tarnung und du verdienst noch Geld dabei.“

      Saban überlegte. Hatte der dunkelhäutige Junge vorhin nicht auch erzählt, er habe auf dem Rummel gearbeitet? Dann war das vielleicht gar keine so abwegige Idee. „Wie finde ich den Rummelplatz?“, fragte er.

      „Ich bringe dich morgen hin“, versprach Rolli. „Jetzt schlafen wir erst mal. Muss ja schon nach Mitternacht sein.“

      Ohne sich weiter um Saban zu kümmern, schlurfte Rolli in eine Ecke des Bretterverschlags, in der zwei Säcke auf dem Boden lagen. Er wickelte seinen Mantel fest um sich, ließ sich auf die Säcke fallen und fing keine Minute später an zu schnarchen.

      Saban legte sich in eine andere Ecke, die leider nicht so gut ausgepolstert war. Er konnte lange nicht einschlafen, weil er sich fragte, welche Abenteuer ihm in diesem merkwürdigen Land noch bevorstanden.

      Rummelplatz

      Sabans Rolle auf dem Rummelplatz in Bergedorf war erniedrigend. Zumindest empfand er es so, obwohl ihn die Schausteller ihn mit offenen Armen aufnahmen. Ihnen waren in den Wochen zuvor einige Attraktionen abhandengekommen – ein Löwe war an Altersschwäche gestorben, der starke Mann litt seit Wochen an einem Bandscheibenvorfall und die junge Wahrsagerin war mit einem Verehrer durchgebrannt; so tuschelte man jedenfalls auf dem Rummel.

      In dem kleinen Zelt, in dem Saban seine kurzen Auftritte absolvierte, präsentierte man dem staunenden Publikum menschliche Monstrositäten. Darunter verstand man alles und jeden, der von der gewohnten Norm abwich: eine Frau mit starker Körper- und Gesichtsbehaarung; einen zwei Meter zwanzig großen jungen Mann mit seiner nur ein Meter dreißig großen Ehefrau, mit der er in Wirklichkeit gar nicht verheiratet war; und nun eben auch Saban, der als schwarzer Krieger aus den Dschungeln Afrikas angekündigt wurde.

      Sabans Part dauerte nur 15 Minuten, in denen er mit einem nachgemachten Speer herumsprang und unverständliche Schreie ausstieß. Die Zuschauer johlten bei ihm nicht so laut wie bei den anderen Attraktionen, aber immerhin, er bekam Applaus.

      Der alte Georg Meyer, der Inhaber der Monstrositätenschau, erklärte sich bereit, ihn nach Berlin mitzunehmen und dort ein komplettes Programm für ihn auszuarbeiten. Saban war einverstanden. Doch als er fragte, was er verdienen würde, überlebte er eine Überraschung.

      „Verdienen? Du kommst auf merkwürdige Ideen! Freie Unterkunft und Verpflegung gibt es. In einem Jahr reden wir dann darüber, ob du es wert bist, ein paar Groschen am Tag zu verdienen“, raunzte Meyer ihn an. „Schließlich muss ich erst das wieder reinkriegen, was ich Rolli für dich bezahlt habe.“

      „Bezahlt?“, fragte Saban verblüfft.

      „Klar! Denkst du, der macht etwas umsonst? Auf seine Art ist Rolli ein knallharter Geschäftsmann. Ihm gehört die Hälfte von allem, was du im ersten Jahr verdienen würdest. Was nicht viel ist.“

      „Und die andere Hälfte?“

      „Sagte ich doch schon: Kost und Logis. Und jetzt scher dich weg, ich muss meine Abrechnung machen.“

      Meyer, das wusste Saban bereits am dritten Tag von den anderen, war ein Geizhals und ein Säufer. Abrechnung machen hieß bei ihm, dass er nachts nach dem Ende des Rummeltages sein Büro abschloss, in die Stadt ging und die Einnahmen des Tages vertrank. Morgens kam er dann aufs Gelände getorkelt, beschimpfte seine Leute und legte sich ins Bett, bis die Abendvorstellung begann. Die Nachmittagsvorstellungen für die Kinder liefen ohne ihn.

      Am Abend des fünften Tages gab es eine Abschiedsvorstellung, dann bauten die Schausteller noch in der Nacht alles ab. Am folgenden Vormittag rollten die Pferdewagen zum Bahnhof, wo sie auf einen Güterzug nach Berlin verladen wurden.

      „Die Sommerfeste in Berlin sind die beste Einrichtung im ganzen Kaiserreich!“, behauptete der alte Meyer, während er zusah, wie seine Leute das Material in Güterwaggons verluden. „Die Leute haben Geld in den Taschen, das Wetter ist schön – Kaiserwetter, eben! – und die ganze Arbeit ist nur ein Spaß.“

      Die Leute vom Rummel leisteten sich keine Sitzplätze in einem Personenzug, sondern reisten in einem Viehwaggon des Güterzugs, auf Stroh liegend eng an eng. Für die paar Stunden bis nach Berlin ging das.

      Abends trafen sie in der Hauptstadt ein und fuhren gleich weiter, nach Süden hinaus, zu einem Zwischenquartier bei Teltow. Denn die Saison hatte noch nicht begonnen, es gab noch kein Engagement für sie.

      Als am übernächsten Tag der alte Meyer von seiner nächtlichen Sauftour nicht zurückkehrte, machte sich niemand Sorgen. Doch am Abend kam ein Polizist mit der Nachricht, Meyer sei in einer Kneipe zusammengebrochen. Man hatte ihn in ein Spital gebracht, wo der Arzt nur lapidar feststellte, der Mann habe sich zu Tode gesoffen, ihm sei nicht mehr zu helfen.

      Niemand trauerte Meyer nach. Das wenige Geld, das man in seinem Wohnwagen fand, wurde für die Beerdigung beiseitegelegt. Schon am folgenden Morgen machten sich die Mitglieder seiner Monstrositätenschau auf den Weg nach Berlin, um sich neue Arbeitgeber zu suchen. Saban hielt sich an die haarige Frau, die in einem langen Kleid und mit einem Hut mit Trauerschleier unterwegs war, um nicht aufzufallen. Sie hatte von ein paar Schaustellern gehört, die noch Attraktionen suchten, und hoffte, dort Anstellung zu finden.

      Es war ein Kinderjahrmarkt, zu dem sie gelangten. Sie bummelten an den Buden entlang. Eine Monstrositätenschau gab es nicht, aber Kleinwüchsige, die als ‚die lustigen Zwerge aus den Höhlen Norwegens‘ angekündigt wurden und ein kleines Zelt für ihren Auftritt nutzten. Die haarige Frau war enttäuscht und machte sich auf die Suche nach einem anderen Rummelplatz, aber Saban gefiel es hier. Ihm fielen Rollis Worte wieder ein, dass ein Rummel eine gute Tarnung für einen mit schwarzer Haut war. Ein Unterschlupf, bei dem sich weder die Berliner, noch die Behörden, darüber wundern würden, wenn ein Afrikaner mit dabei war. Der Jahrmarkt war klein und befand sich am Rande der Stadt, das ideale Versteck also. Deshalb ließ sich Saban den Weg zum Wohnwagen der ‚Zwerge‘ zeigen und klopfte dort an.

      Ein kleinwüchsiger Mann, eigentlich noch ein Junge etwa in Sabans Alter, öffnete die Tür.

      „Guten Tag!“, grüßte Saban. Dann schwieg er, denn der Kleinwüchsige starrte ihn mit offenem Mund an, als hätte er noch nie so einen Menschen gesehen. Was bei einem Schausteller kaum möglich war.

      „Guten Tag!“, sagte Saban noch einmal. „Ich suche Arbeit bei einem Schausteller. Habt ihr hier auf dem Jahrmarkt etwas für mich?“

      Der Kleinwüchsige wandte sich um und rief: „Mutter, komm mal her. Das glaubst du nicht!“

      Eine ebenso kleine Frau, deutlich älter und breiter

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