Sally - Magierin wider Willen. Edgar Sigmanek

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Sally - Magierin wider Willen - Edgar Sigmanek

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Sie brachte kein Wort heraus. Das Raunen rings um wurde immer lauter. Schon befürchtete sie von der Leibgarde erfasst und in das tiefste Verlies gesperrt zu werden, als Elmona erneut das Wort ergriff: “Das glaube ich nicht! Fast hätte sie die Bäume der Träumenden berührt. Gegen diese Macht ist selbst Saldera und ihre Gehilfen hilflos wie ihr ja alle wisst.”

      “Das konnte aber auch Berechnung gewesen sein”, wandte eine andere Anwesende ein.

      “Ich habe sie beobachtet”, erwiderte Elmona, “und wie ihr alle wisst, bleibt mir nicht verborgen, wenn jemand seine wahren Absichten verbirgt.”

      “Du hast Recht”, stimmte die Alte zu. “Wenn das stimmt, was du da alles erzählt hast, könnte sie die Auserwählte sein.”

      “Ja, das habe ich auch schon vermutet”, erwiderte Elmona.

      Gerade wollte Sally etwas sagen, als jemand von der Leibgarde in den Tronsaal gestürzt kam.

      “Sie hat es geschafft , sie hat es geschafft , der Schutzwall wurde durchbrochen.”

      Eine Totenstille breitete sich aus, alle standen wie versteinert da. Dann, nach einigen Schrecksekunden, stürmte Elmona auf eine Säule mitten im Raum zu. Sally bemerkte sie erst jetzt. Auf ihrer Spitze befand sich ein fünfeckig geschliffener grüner Kristall. Als die Elfe ihre Hände an die Seiten der Säule legte glomm dieser auf, um nach wenigen Augenblicken hell zu erstrahlen. Ein leises Summen war zu hören. Alle starrten wie gebannt auf Elmona, dessen Muskeln vor Anspannung zuckten. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Das Summen wurde immer lauter, bis es zu einem ohrenbetäubenden Pfeifen anschwoll. Gerade wollte Sally sich die Ohren zuhalten, als plötzlich Ruhe eintrat. Mit einem leisen Schrei taumelte Elmona zurück und konnte gerade noch rechzeitig von den umstehenden aufgefangen werden. Sie war einer Ohnmacht nahe.

      “Ihr Zorn muss übermächtig sein, wenn Saldera es wagt einen Angriff auf den Palast zu starten.”

      Die Alte war herangekommen und blickte ernst auf Elmona herab, die zu Boden gesunken war. “Nie zuvor hat sie es geschafft, so weit bis zu uns vorzudringen.”

      “Was ist geschehen?”, fragte Sally mit völlig verstörtem Blick. “Was hast du gerade getan?”

      “Sie hat den Angriff Salderas abgewehrt, der augenscheinlich dir gegolten hat”, antwortete die Alte. “Du hast dich offen gegen sie aufgelehnt und nun trifft dich ihr ganzer Zorn.”

      “Aber ich wusste doch gar nicht...”

      “Das macht nichts, Saldera unterscheidet nicht zwischen Leuten, die sich bewusst oder unbewusst gegen sie auflehnen. Wer sich gegen sie stellt, verschwindet in den dunklen Tiefen ihres Palastes, aus denen noch nie jemand wieder zurückgekehrt ist.”

      Die Worte der Alten erschütterten Sally bis ins Mark und sie begann leicht zu zittern.

      “Wenn du die Auserwählte bist, bist du die Einzige, die ihr trotzen und sie besiegen kann. Du kannst uns für immer von ihr befreien.”

      Plötzlich kam sich Sally ganz klein und hilflos vor. Wie sollte sie, ein kleines Mädchen, etwas gegen eine Zauberin ausrichten können, vor der ein ganzes Volk Angst hat. Langsam kam Elmona wieder zu sich und richtete sich auf.

      “Das war knapp!”

      Sie hatte die Worte fast nur gehaucht und doch hatten sie alle gehört und jubelten los.

      “Wir sollten für die Nacht die Wachen verdoppeln, damit sie nicht noch einmal durchbrechen kann und erst einmal schlafen gehen. Morgen, in aller Frühe, sollten wir uns dann im großen Rat zusammen setzen um die Lage zu besprechen”, sagte die Alte mit ernstem Gesicht. “Ziofotta wird dir dein Zimmer zeigen. Du solltest schlafen gehen, damit du morgen früh hellwach bist.”

      Ein kleines hageres Mädchen mit langen blonden Haaren kam auf Sally zu und führte sie durch eine Nebentür auf einen Gang, der durch zahlreiche Fackeln erhellt wurde. Der im Vorbeigehen entstehende Windhauch ließ an der Wand Schatten entstehen, aus denen man alle nur erdenklichen Monster erkennen konnte, wenn man nur genug Fantasie dazu hat. Aber war es wirklich nur Fantasie, die Sally hinter der neben ihr befindlichen Fackel einen so gruseligen Kopf erscheinen ließ? Wie war es möglich, dass hinter dieser ein Schatten auftauchte? So etwas kann es doch gar nicht geben. Und dann diese Augen, war da nicht ein mordgieriges Flackern? Sally kniff die Augen zusammen um sie im nächsten Augenblick wieder zu öffnen. Und dann waren sie weg, die Schatten. Es war also doch nur eine Täuschung. Erleichtert schloss sie zu Ziofotta auf, die Sally’s Bummeln nicht bemerkt hatte und schon ein gutes Stück voraus war. Schließlich hielten sie vor einer dicken Holztür. Aber es war keine gewöhnliche Tür, sie hatte weder Drücker noch Knauf zum Öffnen. Schon wollte Sally fragen, wie sie sie denn öffnen solle, als Ziofotta die Hand ausstreckte und diese nur leicht berührte. Völlig geräuschlos schwang die Tür nach innen auf und gab den Blick auf ein geräumiges Zimmer frei, durch dessen Fenster gerade noch die untergehende Sonne zu sehen war. In der Mitte stand ein kleiner Tisch mit leckeren Speisen, bei dessen Anblick sich sofort der Hunger zurückmeldete.

      “Dies ist dein Zimmer für die Dauer deines Aufenthaltes”, sagte Ziofotta und verneigte sich, um sich zurückzuziehen.

      “Bitte bleib doch”, presste Sally hastig hervor.

      Erstaunt hob Ziofotta den Kopf. “Hast du noch einen Wunsch?”

      “Ich würde gerne mehr über euch erfahren, wie ihr so lebt und wer diese böse Saldera ist. Kannst du nicht noch einen Augenblick bleiben?”

      “Es tut mir leid, aber ich habe Anweisungen, sofort zurückzukehren und dich nicht weiter zu belästigen. Du brauchst unbedingt Ruhe, um morgen ausgeruht zu sein.”

      Mit diesen Worten verneigte sie sich noch einmal, drehte sich um und verließ das Zimmer.

      Da stand sie nun, allein und hilflos, ohne einen Freund. Aber war sie denn wirklich ohne Freunde? Die Elfen schienen ihr gegenüber sehr freundlich, doch waren sie wirklich ihre Freunde? Und wie sollte sie wieder nach Hause kommen. Traurig ging sie auf den Tisch zu und setzte sich auf den Stuhl, um einen Bissen zu sich zu nehmen. Es war ein reichhaltiges Angebot an fremdartigsten Speisen. Da gab es Obst, wie sie es noch nie gesehen hatte und Fleisch, das so herzhaft roch, dass sie kaum noch anhalten konnte, es zu probieren. Sie biss ein Stück davon ab und stellte fest, dass es nach Hähnchen und irgendwie fruchtig, wie eine Mischung aus Ananas und Eiscreme schmeckte. Aber das war doch gar nicht möglich. Sie probierte ein weiteres Stück, dieses Mal schmeckte es nach Erdbeere. Vor Verblüffung wäre ihr fast das Reststück aus der Hand gefallen. Ein weiterer Versuch brachte Toast mit Honiggeschmack zu Tage. Das machte sie dann doch stutzig.

      Sally startete einen Versuch, sie dachte ganz fest an Kirschtorte mit Schlagsahne und probierte ein weiteres Stück und wirklich, ein unverwechselbarer Geschmack nach Kirschtorte mit Schlagsahne machte sich in ihrem Mund breit. Dann gab es kein halten mehr für Sally. Genussvoll machte sie sich über die Speisen her, immer neue Geschmacksrichtungen ausprobierend, bis sie schließlich nicht mehr konnte.

      Erschöpft lehnte sie sich zurück und blickte aus dem Fenster, durch das vor wenigen Minuten noch die letzten Sonnenstrahlen in das Zimmer gefallen waren.

      Nun waren dort nur noch Finsternis und das Flackern der Kerze, die in Ihrem Zimmer brannte. Aber da war noch etwas, anfangs nur ein Flackern, dann ein Schemen, der immer mehr Gestalt annahm und zu einem Schatten wurde, einem schrecklichen Schatten, der sie anstarrte. Sally sprang auf und stieß dabei den Stuhl um, auf dem sie gerade noch gesessen hatte. Erschrocken fuhr sie zusammen, traute sich jedoch nicht, ihren

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