Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945. Winfried Wolf

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Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945 - Winfried Wolf

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wollen nun darauf verzichten die weiteren Verhaltensbereiche der Kindheit, so wie sie sich im Ratgeber darstellen, nach Material „abzuklopfen“, einmal, weil diese Altersspanne keine besondere Berücksichtigung im Ratgeber findet (mit Ausnahme des Themas Schule und einiger Verhaltensauffälligkeiten, die auch an anderer Stelle angesprochen werden können), zum anderen können die für dieses Alter relevanten Erziehungseinstellungen auch im folgenden Abschnitt zur Sprache kommen, wenn nicht „jugendspezifische“ Problemkreise dargestellt werden.

      Problemverhalten und Krisen der Erziehung:

      Mit der Jugendzeit, der stärkeren Orientierung der Kinder und Jugendlichen an Dingen außerhalb der Familie, mit der allmählichen Ablösung vom Elternhaus, erwachsen den Eltern neue Problembereiche und Aufgaben der Erziehung.

      Waren Kinder im Alter von 10, 11 Jahren für ihre Eltern noch Anlass zu ungetrübter Freude, da sie deren Ansichten „noch ohne Vorbehalte“ übernahmen (vgl. 9/61/884), so ist zu ihnen im Alter von 12 bis 16 Jahren „kaum ein inniges Verhältnis“ zu gewinnen. „Kluge Eltern vermeiden es daher, die Nase in ihre Geheimnisse zu stecken“. Empfohlen wird: Nicht zu viel fragen und keine Ratschläge geben, um die man nicht gebeten wird. Dennoch sollte man, meint der Ratgeber „den jungen Menschen auch in diesem Alter (16 Jahre, d. V.) noch nicht zu viel Verantwortung geben, denn sie sind in ihrem Urteil noch unreif.“ (9/61/885)

      Das Bild der Jugend im Ratgeber der 50er Jahre ist uneinheitlich; die Skepsis allerdings überwiegt. Aus der Schule wird berichtet, viele Lehrer stellten fest, dass die „Oberflächlichkeit“ geradezu zu den Merkmalen ihrer Schüler gehöre (vgl. 5/60/454). Es wird die Befürchtung geäußert, dass eine „Generation der Anspruchslosen“ heranwachse, „die eigenes Bemühen für ‚lästig’, ja überflüssig hält, sofern es sich nicht um die mit Leidenschaft betriebenen Steckenpferde handelt... Der Großteil“, urteilt der Ratgeber, „huldigt gleichmütig dem Ideal der Lässigkeit, denn erwiesenermaßen geht es ‚auch so’.“ (vgl. 5/60/454)

      Damit wird ein Thema angesprochen, das schon Mitter der 50er Jahre aktuell war, die „Halbstarken“, oder wie es in einer bereits ‚erklärenden’ Wortschöpfung heißt, die sog. ‚Luxusverwahrlosung’. Sie hat, wie uns der Ratgeber aufklärt, „keinerlei aus wirtschaftlicher Not geborene Gründe, sondern ganz im Gegenteil nicht zuletzt darin ihren Ursprung..., dass es den Betroffenen zu gut geht.“ Das überhitzte „Tempo der Zeit“, „Mechanisierung“ und „Überbeanspruchung durch berufliche, geschäftliche oder gesellschaftliche Pflichten“ sind Kennzeichen der Zeit und tragen ihren Teil zur Verschärfung des Problems bei. „Wie aber soll ein Vater“, fragt der Ratgeber, „der an den meisten Tagen der Woche kaum zu Hause ist..., eine Mutter, die vielleicht selbst noch halb- oder ganztags als Sekretärin oder Geschäftsfrau... arbeitet... ihrem Kind eine wirkliche Mutter sein?“ (vgl. 11/56/688) Dazu komme nach Auskunft des Ratgebers nicht selten noch das „Bestreben dem Kind das leben so bequem wie möglich“ zu machen. Wohin das führen kann, zeige der Schriftsteller H. Springe in seinem Roman „Geliebte Söhne“: Falsch verstandene Vaterleibe endet für den Sohn Oliver am Galgen. Der Ratgeber zieht daraus für seine Leser die Lehre, „dass man seinem Kind nicht nur Annehmlichkeiten, sondern auch Aufgaben und Pflichten gibt und es zu der Einsicht erzieht, dass man sich die Annehmlichkeiten selbst erst verdienen muss.“ Schon den kleinen Kindern müsse man lehren, „dass es noch andere und wertvollere Dinge auf der Welt gibt als Genuss und Großverdienen.“ (vgl. 11/56/688)

      Ein etwas anderes Bild der Jugend zeichnet der Ratgeber im Oktoberheft des Jahres 1957. Danach sind „heutige Jugendliche... kritisch, sachlich, lebenstüchtig und tapfer. Sie sehen klar die unerbittliche Wirklichkeit unserer Zeit und stellen sich auf sie ein, ohne Sentimentalität, aber auch ohne Angst vor dem, was das Leben ihnen abfordern wird.“ (vgl. 10/57/670)

      So sehr nun aber der „Sinn für die Realitäten“ bei den Jugendlichen geschätzt wird, ganz ‚geheuer’ scheint er den Erwachsenen, deren „Partei“ der Ratgeber vertritt, doch nicht zu sein: „Sie (die Jugendlichen, d. V.) scheinen uns manchmal allzu praktisch, allzu sehr Rechner und Materialisten mit ihrem fest abgesteckten, handgreiflichen Zielen“ zu sein. Und im gleichen Beitrag beklagt der Ratgeber stellvertretend für viele Väter, dass die Jugendlichen „keine Ideale“ mehr besäßen und kritisiert „das Phlegma der Jungen, die sich weder erregen noch begeistern könnten.“ (vgl. 10/57/670)

      Hygiene, Kleidung und äußeres Erscheinungsbild:

      Im Alter von 12, 13 Jahren wächst bei den Kindern der Wunsch, sich nach „eigenem Geschmack“ zu kleiden; zum eigenen Körper muss eine neue Einstellung gefunden werden. Das betrifft – überblickt man die Beiträge im Ratgeber, vor allem die Mädchen. So kann es passieren, dass eines Tages, wie uns der Ratgeber berichtet, die dreizehnjährige Tochter „ganz plötzlich rebelliert“ und nach „Kaltwelle“ und „modischem Schuhwerk“ verlangt, „weil die halbe Klasse schon „moderner“ sei als sie (vgl. 4/54/182). Hier nun erheben die Väter Einspruch und zwar „mit Recht“, wie der Ratgeber meint. Denn das moderne Mädchen im positiven Sinn „ist mit allem versehen, um immer sauber und gepflegt im Unterricht zu erscheinen.“ Sie trägt „glattes Haar“, im Handtäschchen hat sie „erfrischendes Talkpuder mit dezentem Duft“, ein „abwaschbares Chintz-Kosmetiktäschchen mit Seife“, „Kölnisch Wasser“, ein „Döschen Heilsalbe“, „Watte, Spiegel, Kamm“ sowie ein „Manikür Etui“ (s.o.).

      In Fragen der Bekleidung „kann sie ihre Wünsche äußern und wird geschmacklich sacht in die Richtung gelenkt, die ihrem Typ am vorteilhaftesten ist“.“(vgl. 4/54/182)

      Diese Sicht vom „modernen“ Mädchen scheint sich jedoch noch nicht allgemein bei den Eltern durchgesetzt zu haben, denn der Ratgeber lässt im gleichen Beitrag wissen: „In den meisten Familien ist der Gebrauch einer Serviette und die Benutzung von Messer und Gabel den Kindern von klein auf vertraut, Kosmetikwünsche dagegen werden von den Eltern häufig mit hochgezogenen Augenbrauen als völlig verfrüht überhört. Körperpflege will jedoch“, so der Ratgeber, „ebenfalls von jung auf geübt sein und nicht plötzlich mit neunzehn Jahren begonnen werden“.

      Eine große Gefahr sieht der Ratgeber allerdings in der „Teenagerei“ am Ende der 50er Jahre auf die Jugend zukommen. Er weiß zu berichten, dass dieses von „geschickten Managern“ erfundene Klischee „bereits zu heftigen Reaktionen“ geführt hat. Die Eltern verspürten diesen „eigenen Stil“ der Jugend u. a. daran, „dass die bereits ihr eigenes Geld verdienenden Söhne und Töchter zu Hause mehr und mehr als Stützen des Familienhaushalts ausfallen“ und dass jene, die noch in der Ausbildung stehen, „ungeduldig und unzufrieden“ werden (vgl. 4/60/306). Die „allerorts angepriesenen neuen Teenager Korseletts ‚in allen Modefarben’“, so befürchtet der Ratgeber, würden überdies „die Figur noch mehr auf Sex trimmen“ als bisher schon (vgl. 4/60/307).

      Umgangsformen:

      Über eine um sich greifende Unsitte im Umgangston berichtet der Ratgeber in Heft 5 vom Jahre 1959, nämlich „die taktlose Manier, wildfremde ältere Leute mit ‚Oma’ und ‚Opa’ anzureden“. Nach Ansicht des Ratgebers fehle leider manchen Menschen der Sinn dafür, das Private im Umgang mit Fremden auszuschalten. „Seien wir also“, empfiehlt er, „bei Anreden lieber etwas zu formell als familiär, schließlich haben es die älteren Menschen verdient, dass man ihnen mit Respekt entgegenkommt“.“(vgl. 5/59/407)

      Im Umgang mit dem anderen Geschlecht wird den jungen Mädchen geraten „jene weibliche Zurückhaltung“ zu zeigen, „die einen Spaß fröhlich mitmacht, aber immer weiß, wo er seine Grenzen hat.“ (vgl. 11/54/487)

      Der Ratgeber verweist auf „das Gefühl für weibliche Würde und Selbstachtung,

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