Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945. Winfried Wolf

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Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945 - Winfried Wolf

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Gegenwart nichts von seiner Angst vor dem Wasser... Wir lassen den Kleinen im Sand spielen... gehen freundlich auf seine Gespräche ein, lassen uns Zeit und verlieren die Geduld nicht über dem einen Ziel: Das Kind muss selbst ins Wasser wollen und Freude daran haben“ (7/58/572).

      Dieses Beispiel von wasserscheuen Kindern wurde so ausführlich zitiert, weil es stellvertretend für viele andere die geforderte Grundhaltung von Eltern in Problemlagen und Krisensituationen aufzeigt, nämlich: Ruhe bewahren, überlegen, welche Ursachen das gezeigte, unerwünschte Verhalten des Kindes hat und – Geduld bei dem Versuch durch geeignete erzieherische Maßnahmen eine Besserung des Verhaltens herbeizuführen.

      Nun sind die Schwierigkeiten des Zubettgehens und die Wasserscheu von Kindern relativ „harmlose“ Beispiele für Problemsituationen, vor die Eltern in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder gestellt sein können. Wie und mit welcher erzieherischer Grundhaltung sollen Eltern aufs „Bettnässen“, auf „Zerstörungswut“, „Aufsässigkeit“ und „Aggression“, „Trotz“ und „Ungehorsam“ reagieren? Und wie stellt sich der Ratgeber zum Thema „Sauberwerden“, bis heute für Mütter immer noch eine Herausforderung?

      Was das letztere angeht, sieht sich der Ratgeber veranlasst die Mütter aufzufordern_ „Bitte, liebe Mütter, machen wir das Sauberwerden nicht zu einer solchen Staatsaktion, die unsere Kleinen bis in den Schlaf verfolgt! Es rächt sich ja an uns selbst!“ (10/57/730).

      Trotziges Verhalten des Kindes „lässt sich manchmal vermeiden, wenn man“, so der Ratgeber, „seine Anordnungen und Verbote wohl in bestimmtem, aber nicht befehlendem Ton gibt und dem Kind genügend Zeit lässt, diese innerlich zu verarbeiten“. Konsequenz im Verhalten der Eltern ist allerdings notwendig. So „muss die Mutter auf ihrem Willen beharren und nicht aus Bequemlichkeit nachgeben“ (7/58/574).

      Gerade im sog. Trotzalter, in dem, wie der Ratgeber die Eltern aufklärt, jedes „normal entwickelte Kind“ sich durch „Experimente“ Erfahrungen sammelt, entstehen oft „Machtkämpfe“, die den Eltern sehr an die Nerven gehen können, „wenn sie die Ursachen nicht kennen und sich nicht richtig verhalten...“ (vgl. 7/58/573).

      Allgemein wird den Eltern geraten „die gärende Aktivität dieser Trotzperiode zu steuern, aber nicht zu unterdrücken versuchen“ /9/60/914).

      Hygiene, Kleidung und äußeres Erscheinungsbild:

      Eine Mutter berichtet im Ratgeber über ihre Beobachtungen am Spielplatz: Ein kleines Mädchen wird von seiner Mutter eindringlich ermahnt sich beim Spielen nicht schmutzig zu machen. „Wo es auch ging und stand, immer hörte es Muttis mahnende Worte: Nicht schmutzig machen!... Ich bekam“, berichtet uns die Mutter weiter, „allmählich Mitleid mit dem Kind... Zu meinem Erstaunen stellte ich nämlich fest, das sich das ‚Schmutzigmachen’ nur auf das Kleidchen und die Hände bezog. Das ‚Schmuddelnäschen’ und das nasse Höschen waren nicht einbegriffen. Da hatten meine beiden Dreckspatzen doch andere Sauberkeitsbegriffe“ (5/58/410). Der Mutter ist es egal, ob sich andere Kinder auch so schmutzig machen wie die eigenen. Sie weiß, dass „das richtige Empfinden für Sauberkeit“ nicht durch ständige Mahnung ‚Mach dich aber nicht schmutzig’ geweckt wird. In Heft 5 vom Jahre 1960 meint der Ratgeber: „Damit Kinder in Ruhe spielen können, müssen sie richtig angekleidet sein... ‚Schöne’ Anzüge, die nicht schmutzig werden dürfen, eignen sich nicht“ (vgl. 5/60/456). Dass ein Kind am Sonntag zum Spaziergang mit den Eltern aber nicht seine „Spielkleidung“ trägt, ist in den 50er Jahren selbstverständlich.

      Umgangsformen:

      Gutes Benehmen „in allen Lebenslagen“ ist für den Ratgeber der 50er Jahre ein häufig angesprochenes Thema, das periodisch in der „Fibel des guten Tons, höflich und nett von A bis Z“, aufgegriffen wird.

      Doch „wo anfangen, wo aufhören, wenn man beginnt, vom ‚guten Ton’ zu sprechen?“ „Schon das kleine Kinde“, erklärt der Ratgeber seinen Lesern, „vernimmt, sobald es einigermaßen Verstand hat, immer wieder die Worte ‚Das schickt sich nicht’ oder ‚Das gehört sich nicht’, und so begleiten uns die Anstandsregeln sozusagen von der Wiege bis zur Bahre. Manche glauben“, fügt der Ratgeber hinzu, „sich über diese Regeln hinwegsetzen zu können – welch ein Irrtum! Denn dann geht das Leben meistens über sie hinweg... /1/54/6).

      Doch sollte man in der „Erziehung zum guten Benehmen“ nicht allzu streng sein und schon von den kleinen Kindern vollendete Formen etwa bei Gruß und Anrede erwarten. Für „sinnlos“ hält es der Ratgeber jedenfalls, schon die ganz Kleinen „mit dem ‚schönen Händchen’ zu quälen. Dass sie es meistens doch wieder vergessen, lassen sie das Händchen lieber ganz bleiben, zeigen sich verstockt, halten schnell beide Hände auf dem Rücken und spielen Trotzkopf. Und der Erfolg? Mutti ärgert sich. Der Gruß des Kindes – ob mit dem linken oder rechten Händchen – ist immer beglückend. Man sollte ihm die Ursprünglichkeit nicht rauben, indem man das Kind zwingt, sich zu früh auf ‚Formen’ zu konzentrieren, die es ohnedies einige Zeit später ganz allein lernt und selbstverständlich findet“ (11/57/845). Doch wie gesagt, gute Manieren entstehen nicht von alleine. Erste Gelegenheit „zum Üben“ ergeben sich für das Kind beim Verhalten am Esstisch: Schon das Kleinkind kann man „mit Energie und Ordnung in den Tischsitten“ zum Einnehmen seiner Mahlzeiten anhalten, „ohne viel Geschichtenerzählen...“ (10/55/662).

      Problemverhalten und Krisen der Erziehung:

      Der Schuleintritt und die ersten Erfahrungen in und mit der Schule sind für Kinder und wohl ebenso für die Eltern in den 50er Jahren, genauso wie heute, einschneidende Erlebnisse. Neue Verhaltensweisen müssen in der Familie vorbereitet und eingeübt und außerhalb der Familie erprobt werden. Wir werden darauf allerdings erst im Abschnitt zur Erziehung in den 60er Jahren näher eingehen können, denn das Thema Schule ist für den Ratgeber der 50er Jahre im Vergleich zu späteren Jahrzehnten insgesamt gesehen scheinbar noch eine mehr oder minder unproblematische Angelegenheit gewesen. Das zeigt sich z. B. bei der „Behandlung“ offensichtlicher Schulangst: Wenn ein Kind über Bauchschmerzen oder sonst ein „Wehwehchen“ klagt, ist die „ängstliche“ Mutter, wie der Ratgeber berichtet „meist sofort bereit, dem Kind zu glauben und es im Bett zu lassen“. Das ist nach Meinung des Ratgebers die falsche Verhaltensweise, denn „häufig will das Kind nichts weiter als die Schule schwänzen... Liebe Mutter“, fährt der Ratgeber fort, „fallt nicht auf Eure eingebildeten, schlauen kleinen Kranken herein. Seid nicht zu leichtgläubig, prüft den Zustand Eures Kindes, meist sind die Kleinen ja doch keine hervorragenden Schauspieler und man kommt hinter ihre Tricks.“ Der Ratgeber gibt den Müttern den Tipp: “Macht dem eingebildeten Kranken den Aufenthalt (zu Haus im Bett, d. V.)so unangenehm wie nur möglich, vielleicht noch durch eine meist unbeliebte Schwitzpackung. Dann wird ihm das Krankspielen verleidet“ (5/54/234).

      Lernstörungen bezeichnen einen weiteren Problembereich, mit dem Eltern während der Schulzeit ihrer Kinder konfrontiert werden können. Wenn das Kind in der Schule nicht mitkommt, können mehrere Ursachen vorliegen. Bei geistig und körperlich gesunden Kindern, klärt der Ratgeber die Eltern auf „müssen... die Leistungen seelisch bedingt sein“. Die häufigste Ursache dafür: „dauernder Tadel und... ewige Kritik an seiner (des Kindes, d. V.) Arbeitsweise“ (vgl. 6/58/496). Viel besser wäre es doch, meint der Ratgeber, wenn Eltern bei einem mittelmäßigen bis schlechten Aufsatz etwa sich zu folgender Bemerkung durchringen könnten: „Der Aufsatz ist ganz gut, aber findest du nicht auch, dass die Schrift noch etwas schlecht ist?“ (6/58/496

      Der Ratgeber weiß jedoch auch, damit möchte er möglichen Einwänden von Seiten der Eltern begegnen, dass die Geduld der Eltern auch einmal erschöpft sein kann und wären dann nicht „härtere Maßnahmen“ angebracht? Die „Ohrfeige zur rechen Zeit“ mag auch der Ratgeber

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