Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange
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Graf Adolf wandte sich seinen Begleitern zu, die höflich einen Schritt hinter ihm stehengeblieben waren. „Nun, Reginald, was denkst du?“ „Ich denke, dass Ihr gefunden habt, was Ihr sucht, Herr.“ Adolf von Schauenburg nickte, dann fragte er unvermittelt: „Könnt Ihr reiten, Kaufmann?“ Der Angeredete zeigte ein breites Lächeln: „Wer gelernt hat, bei schwerer See fest auf den Planken zu stehen, der wird auch vom Rücken eines Pferdes nicht herunterfallen.“ Der Graf lachte. „Gut! Dann besorge ihm ein Pferd, Reginald, wir reiten noch einmal über das Werder, und Ihr werdet uns begleiten, Hinrich.“
Als sie den Hang hinauf die offene Fläche auf dem Höhenzug erreicht hatten, zügelte Adolf seinen Rappen und blickt zurück: „Von hier werden mehrere Wege zum Hafen hinunterführen, und daran wirst du die Grundstücke abstecken, Reginald. Die Kaufleute, die dort schon siedeln, mögen ihre Plätze behalten, nur die Wege müssen geräumt werden. Der Fernhandel wird weiterhin am Ufer abgewickelt, und hier, auf diesem Heideland, wird der Markt entstehen für die Bauern der Umgebung. Seitlich errichten wir eine Kirche für unser neues Liubice, und der Abt Vicelin aus Faldera wird uns einen fähigen Priester schicken. Und jetzt zum Burgwall!“
Sie folgten den Fahrspuren, die breit auseinandergezogen über den Höhenrücken nach Norden führten, zu beiden Seiten stand ein lichter Wald, gelegentlich sah man zur Rechten das Wasser der Wochenitze heraufblinken. Dann ritten sie zwischen einigen Hütten hindurch, die wendischen Bewohner grüßten den Grafen scheu und aus weitem Abstand heraus. In den letzten Jahren waren hier nur wenige Fremde den alten Handelsweg gezogen, seit dem Untergang von Liubice blieben die Karawanen der Fernhändler aus, wer dennoch bis Bucu kam, war vorher zum Hafen abgebogen.
Der Graf lenkte sein Pferd durch eine Öffnung im Ringwall, um die Burg in Augenschein zu nehmen. Der Boden im Inneren war fest, die Hänge noch gut erhalten, erschienen ihm aber für eine Verteidigung als zu niedrig. Wenn hier einst Häuser gestanden hatten, so waren sie restlos verschwunden, aber der Buchenwald zu beiden Seiten bot genügend Holz, um neue Gebäude und eine Palisadenwand zu errichten.
Adolf wandte sich an Reginald, den Burgvogt von Faldera: „Du wirst eine neue Aufgabe bekommen, mein guter Reginald,“ sagte er betont freundlich. „Faldera hat seine Rolle als Grenzfeste ausgespielt, dort mag ein anderer die Verwaltung übernehmen. Für dich gibt es wichtigeres zu tun: Die neue Civitas Liubice braucht einen fähigen Stadtvogt, und das wirst du sein. Schau dich gut um, denn als erstes wirst du diese Burg hier instand setzen. Du wirst über eine kleine Schar Gewappneter verfügen und außerdem über genügend Knechte, mit denen du den Wall erhöhst und sicherst. Das Holz im Umkreis steht dir zur Verfügung, und auch die Dorfbewohner hier sind zukünftig zur Dienstleistung verpflichtet. Aber belaste sie nicht zu sehr, höchstens zwei Tage in der Woche, sie sind solchen Tribut nicht gewöhnt, und ich wünsche keinen neuen Aufruhr. Diese Wenden sind stets sehr empfindlich, wenn man sie in die Pflicht nimmt, wir werden sie erst daran gewöhnen müssen.“
Reginald hatte schweigend zugehört. Er war zwar ritterlich erzogen, aber eben doch ein Höriger seines Grafen wie die anderen Ministerialen. Er hätte kein Recht zum Widerspruch, und warum sollte er auch widersprechen? Diese Aufgabe war eine Ehre, ein Lohn, und sie erlaubte ihm, in eigener Verantwortung zu planen und zu befehlen, so als wäre er frei, ein Edelherr wie sein Graf. „Ich werde in allem bemüht sein, Euch nicht zu enttäuschen, edler Herr,“ sagte er und neigte den Kopf – auf dem Pferderücken die einzige Möglichkeit, Ehrerbietung zu zeigen.
Adolf nickte und wandte sich Hinrich von Soest zu, der schweigend, aber aufmerksam zugehört hatte. „Auch für Euch habe ich eine Aufgabe, Kaufmann, und es soll Euer Schade nicht sein. Ich weiß wohl, dass Ihr für einige Monate keine Handelsfahrten unternehmen könnt, wenn Ihr meinem Wunsch nachkommt. Ihr seid ein freier Mann und könntet Euch verweigern, aber ich denke, Ihr werdet gerne einwilligen.“ Er unterbrach sich, um sein Pferd näher an den Kaufmann heranzuführen. Jetzt schaute er ihm gerade in die Augen:
„Wer eine Stadt gründet, braucht Bürger, braucht Handwerker und Händler. Und im Reich gibt es genug - nicht nur Bauern - die kaum ein Auskommen haben, denen Land und Arbeit fehlen und die mutig genug sind, etwas neues zu wagen. Aber sie müssen geworben werden, und wer vermag das besser, als ein ehrenhafter Mann, der weiß, wovon er redet, der den Ort kennt, an den sie ziehen sollen, der die Zukunft ausmalen kann, die alle neuen Bürger hier erwartet. Ist das Land nicht fruchtbar und wenig besiedelt? Ist der Hafen nicht wie geschaffen für den Handel? Und kann nicht jeder zu Besitz und Reichtum kommen, der sich getrost auf Meer hinaus wagt wie Ihr selbst und die Waren der Pruzzen, der Gotländer, der Russen gewinnbringend weiterverkauft? Ihr seid der rechte Mann dafür, Hinrich von Soest! Zieht in Eure Heimat und bringt mir tatkräftige Leute in diese neue Stadt. Ich stelle Euch Pferd und Packtier, zahle für Euren Unterhalt und Euren Verlust, und für jedes Grundstück, das Ihr hier vergebt, erhaltet Ihr eine Abgabe.“ Graf Adolf streckte dem Kaufmann die Hand hinüber: „Schlagt also ein, Hinrich, gräflicher Sendbote und erster Bürger in meiner Civitas Liubice!“ Und der Fernhändler aus Soest schlug ein.
Viertes Kapitel: August 1144
Der Treck kam nur langsam voran. Es hatte wider Erwarten viel geregnet in diesem Sommer, und die Wege waren an vielen Stellen so aufgeweicht, dass jeder Karren von allen verfügbaren Männern durch die Pfützen geschoben werden musste. Die Ochsen schafften es nicht mehr allein, und manches Tier, schon in den vorangegangenen Jahren nur schlecht ernährt, blieb erschöpft und krank am Wegrand zurück, falls sein Besitzer ihm nicht den Gnadentod gewährte.
Dietmar war ein kräftiger Mann, sehnig und muskulös, man sah dem Schmied seine fünfundvierzig Jahre nicht an. Doch auch er hatte Schwierigkeiten, den Wagen vorwärtszudrücken, war er doch nicht nur mit Hausrat und Werkzeug, sondern auch mit Blasebalg und Amboß beladen, den nötigen Dingen, die er als erstes im fernen Liubice brauchen würde – falls sie es jemals erreichten. Immerhin – sein Wagen besaß zwei Achsen, und in den Seilen gingen zwei kräftige Ochsen, die sein Sohn Alf meist am Kummet führte. Im Gegensatz zu den anderen Neusiedlern waren die beiden allein, Dietmar war seit einiger Zeit Witwer, und er hatte nicht den Mut gefunden, erneut zu heiraten, denn die Schmiede in seinem Dorf nahe der Stadt Soest ging nur schlecht, allzu viele Huf- und Nagelschmiede, Plattner und Grobschmiede hatten sich in der Stadt selbst niedergelassen und boten dort schon fertige Waren an. Da wäre es schwer gewesen, nun auch noch ein Weib zu ernähren. Das alles hatte ihn bewogen, dem Ruf des Werbers zu folgen und sich dem Treck ins ferne Wagrien anzuschließen, obwohl er nichts von diesem Land wusste, außer dass dort noch viele Heiden lebten und dass es an der äußersten Grenze des Reiches lag.
Hinrich von Soest ritt mit einem Knecht dem Zug voran, und er hatte alle Mühe, den Reisenden immer wieder Mut einzuflößen. Hatten sie die sumpfigen Flussniederungen mit den aufgeweichten Wegen überwunden, dann gerieten sie in Heidelandschaften, wo die Räder im losen Sand einsanken. Wieder einmal lenkte Hinrich sein Pferd zurück, um an dem sich lang dahinziehenden Troß vorüberzureiten und auch nach den Nachzüglern