Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange

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Die Faehlings - eine Lübecker Familie - Eckhard Lange

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heidnische Mörder, er blieb doch Ort der Gegenwart des geopferten Gottessohnes. So trat der Schauenburger ehrfurchtsvoll an den Altar und beugte das Knie, um das Kreuzeszeichen zu schlagen, und seine Männer taten es ihm nach. Dann wandte er sich wieder dem südlichen Tor zu. Einer der beiden hölzernen Türme, die den Zugang flankierten, schien noch nutzbar zu sein. Adolf winkte Reginald an seine Seite, und gemeinsam stiegen sie die enge Treppe hinauf auf die Plattform. Von dort hatten sie einen guten Blick auf die Burg und die Siedlungen ringsum. Reginald zeigte auf eine Ansammlung von Häusern, Hallenhäuser zumeist, fast alle mit Wänden aus kräftigen Bohlen statt des üblichen lehmbeschichteten Flechtwerks. Sie lagen jenseits der Trave, ein wenig abseits, und sie schienen unversehrt zu sein. „Seht, edler Herr, ich kann dort drüben kein einziges Ackerfeld entdecken vor dem Waldrand, nur Gärten und Hofraum. Und am Ufer sind Schiffe, wenn auch nur in geringer Zahl. Das dürfte die Siedlung der deutschen Kaufleute sein, die von Liubice aus ihre Fahrten zu den Dänen unternommen haben. Und sie scheint unversehrt den Angriff der Ranen überstanden haben.“

      Der Graf nickte. „Du hast recht, Reginald. Aber nur aus wenigen steigt Rauch auf, viele Häuser sehen verlassen aus. Auch die Gärten sind verödet. Die letzten Jahre haben dem Handel übers Meer sehr geschadet. Mancher, der vor den Ranen geflohen ist, scheint auch danach fortgeblieben zu sein. Wir werden viel unternehmen müssen, um wieder Kaufleute ins wagrische Land zu holen.“ Er schaute nachdenklich in die Runde. „Dieses Liubice war einst eine blühende Stadt. Und was ist davon geblieben? Eine verfallene Burg, eine zerstörte Siedlung, ein kaum noch genutzter Hafen.“

      „Ihr wollt sie wieder aufbauen?“ fragte Reginald, „die Trave wieder zum Handelsweg in den Norden machen?“ Adolf schwieg eine Weile, dann wies er mit der Rechten auf den schmalen Werder, der von Swartove und Trave umflossen war. „Dies ist kein Platz für eine größere Civitas,“ sagte er nachdenklich. „schon die Burg nimmt die Hälfte des Geländes ein, und der Rest ist weitgehend sumpfig. Nicht umsonst haben sich die Kaufleute am anderen Ufer niedergelassen, doch diese Siedlung ist ungeschützt, und das Ufer wenig geeignet für einen Hafen.“ Wieder machte er eine Pause, um den Gedanken zu ende zu denken. „Nein, Reginald, wir werden einen besseren Platz finden müssen, stromaufwärts. Zum Meer hin scheint es nur diese Schilfflächen zu geben. Und je dichter an der Mündung, desto größer die Gefahr eines Überfalls von der See her. Die Ranen haben es uns hier deutlich vor Augen geführt. Laß uns den Fluß hinauf reiten und Ausschau halten. Wir müssen einen besseren Platz finden für das neue Luibice.“

      Sie stiegen wieder hinunter und begaben sich zu den Pferden, die die Knechte auf einen grasbewachsenen Platz geführt hatten, damit sie sich inzwischen Nahrung suchen konnten. Adolf befahl, sie an einer günstigen Stelle auch zu tränken, dann ließ er seine Mannschaft wieder aufsitzen und lenkte sein Roß auf dem Ufer zurück zum Wald, um nun dem Lauf der Trave zu folgen. Nach einer Weile bog der Fluß scharf nach links, der Wald öffnete sich auf eine Heidefläche, und die Pferde konnten auf festem Boden in Trab fallen, während die Männer darauf achteten, dass der Wasserlauf zur Linken ihnen nicht aus dem Blick geriet. Zweimal überquerten sie mühelos flache Bäche, während die Sonne langsam den Horizont erreichte.

      Da ließ Graf Adolf absitzen, um auf einem flachen Hügelrücken inmitten von freiem, feuchtem Gelände die Nacht zu verbringen. Das Zelt für den Herrn wurde aufgestellt, die übrigen wickelten sich in ihre Mäntel und legten sich auf den trockenen Boden, nachdem die Nachtwachen eingeteilt waren. Schließlich waren sie weit im Slawenland, und nicht jedem dieser heidnischen Barbaren würde das Fähnlein, das sie mitführten und nun vor dem Zelt ihres Herrn aufgepflanzt hatten, die nötige Ehrfurcht einflößen. Da war schon Vorsicht geboten.

      *

      Der Gesang einer Feldlerche weckte die Schläfer, noch ehe die Morgensonne sich über die Baumwipfel am gegenüberliegenden Ufer emporgearbeitet hatte. Man verzehrte das Mitgebrachte, trank aus den ledernen Wasserflaschen, während Graf Adolf ein Schlauch mit Wein gereicht wurde. Den passenden Silberbecher führte Reginald stets griffbereit in seinem Gepäck. Dann gab der Schauenburger das Zeichen zum Aufbruch, und sie ritten auf einen dritten Bach zu, wo sie auf einen breiten Weg stießen mit vielen Spuren von Karrenrädern und Pferdehufen, die allerdings meist schon aus vergangenen Jahren zu stammen schienen. Die Straße führte geradewegs auf das Ufer der Trave zu, und fand am gegenüberliegenden Ufer ihre Fortsetzung.

      Der Graf von Holstein hatte die Furt erreicht, über die ein einst viel genutzter Handelsweg vom Süden her über den Hügel Bucu nach Liubice führte. Reginald ritt vorsichtig voran, um zu prüfen, ob die Pferde ohne zu schwimmen das andere Ufer erreichen können. Die Furt erwies sich als flach genug, und die Reiter gelangten ohne abzusitzen auf die gegenüberliegende Seite. Dort allerdings mussten sie absteigen, denn ein Hang erhob sich steil über dem schmalen Uferstreifen. Oben angekommen, hielten sie überrascht inne: Ein mächtiger Erdwall versperrte den Weg. Allerdings waren auch hier die Palisaden verrottet, die Burg verlassen. Als sie den Wall umrundeten, gab es eine weitere Überraschung: Zur Linken zog in einem röhrichtbestandenen Sumpfgebiet ein zweiter Fluß in weitem Bogen gen Süden.

      Einer der Knechte bat Graf Adolf, ihm das Wort zu erlauben. Auf seinen Wink hin begann er: „Edler Herr, ich bin sicher, dass wir hier am Zugang zu jenem Werder stehen, den die Wagrier Bucu nennen, und der von zwei Flüssen umgeben ist, der Trave und einem anderen, der Wochenitze, zu deutsch Barsch-Fluß, genannt wird. Man sagt, dass diese Burg einst von Fürst Kruto, dem grausamen Feind unseres Glaubens, als Zwingfeste am Zugang zu dem Werder genutzt wurde, denn der Weg über den Hügel führt zu einer Furt über eben diese Wochenitze, und auf ihm erreicht man den großen Elbefluß und das berühmte Bardowieck.“

      „Woher weißt du das alles?“ fragte Adolf, und der Mann antwortete: „Ehe ich in Euren Dienst kam, edler Herr, gehörte ich zur Familia eines Fernhändlers in eben jenem Bardowieck, und ich habe ihn oft von seinen Reisen nach Liubice erzählen hören. Er hat diesen Hügel Bucu und den Lauf der beiden Flüsse stets anschaulich beschrieben, und alles passt genau zu dem, was Ihr hier seht.“ Der Graf nickte ihm gnädig zu und wandte sich dann an Reginald: „Es scheint, er hat recht, und meines Wissens haben unsere deutschen Händler irgendwo hier auch einen Stützpunkt mit einem Hafen an der Trave. Ich denke, wir suchen als erstes diesen Ort auf.“

      Er gab das Zeichen zum Ritt, und als sie dem Weg folgten, der unterhalb der Burg nach Süden führte, stießen sie auf eine kleine Siedlung. Es waren jedoch nur slawische Bewohner dort, Fischer zumeist, deren Boote am Ufer jener Wochenitze vertäut lagen, und einige wenige Handwerker, die wohl einst für die Burgbesatzung gearbeitet hatten und sich nun notdürftig aus weitläufigen Gärten ernährten. Auch hier war manche Hütte verlassen und verfallen, mancher Garten überwuchert, doch waren keine Spuren einer Feuersbrunst zu entdecken, die auf einen feindlichen Überfall schließen lassen könnte.

      Adolf verzichtete darauf, die Bewohner zusammenrufen zu lassen, er wollte die Burg und den anschließenden Höhenrücken erkunden. Der Ringwall war kleiner als jener in Liubice, die Burg erwies sich als rein militärische Anlage, und ihr Platz auf der schmalen Landenge war mit Geschick gewählt. Allerdings schien sie schon seit langem verlassen. Der Handelsweg führte auf der Kuppe des langgestreckten Hügels teils durch lichten Buchenwald, teils über freie Flächen mit niederem Strauchwerk, bis er sich mit weitgeschwungenem Bogen zum Flusstal der Wochenitze herabsenkte. Der Knecht hatte recht, es gab dort eine weitere Furt und jenseits eine Fortsetzung der Straße. Ein schmaler Pfad führte vor dem Übergang zur Rechten am Ufer entlang. Adolf schickte zwei seiner Männer dorthin, und sie kehrten rasch wieder zurück. Nur ein paar Fischerhütten hatten sie entdeckt, verborgen hinter einem Buchenhain.

      Der Graf ließ wenden. „Dieser Werder ist ein günstiger Ort,“ sagte er zu Reginald, der an seiner Seite ritt. „Er ist nicht nur von Wasser umgeben, die Flüsse scheinen auch durch einen breiten, morastigen Schilfgürtel zu fließen, der den Hügel zusätzlich schützt. Und sein Rücken hat einen festen Boden, um dort Häuser und eine Kirche zu errichten. Auch der Burgwall könnte wieder ausgebaut werden. Doch das alles nützt uns nichts, wenn wir nicht ein festes Ufer für einen

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