Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange
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Die aber antworteten nicht weniger gewalttätig. Ohne die Zustimmung ihres Grafen zu erbitten, fielen sie im Winter 1138 in Wagrien ein und raubten, töteten und brannten nieder, was auch immer in die Nähe ihrer Äxte und Spieße kam. Weder Graf noch Herzog waren erfreut über diese Entwicklung, denn von ausgeplünderten Untertanen ließen sich nur schwer Steuern eintreiben, und Tote konnten keine Frondienste leisten, gleich, ob es nun deutsche oder wendische Tote waren.
Es war keine leichte Aufgabe, vor der Graf Adolf nun stand. Als erstes ließ er die Burg auf dem Siegesberg erneut instand setzen, und als die Sonne wieder höher am Himmel stand und die Wege nach der Schneeschmelze einigermaßen passierbar waren, sammelte er eine Gruppe Bewaffneter um sich und brach auf, um dieses neue Lehen Wagrien in Augenschein zu nehmen.
Drei Tage waren sie nun schon im Sattel, und die Siedlungen, die sie antrafen, boten ein erbärmliches Bild: Überall niedergebrannte und verlassene Hütten, daneben Häuser, die ihre Bewohner notdürftig wieder bewohnbar gemacht hatten. Überall verängstigte Bauern, die dem Trupp Gewappneter scheu entgegensahen. Und überall von Unkraut überwucherte Äcker neben wenigen, die noch bestellt waren. Dabei war das Land fruchtbar, ausgedehnte Wälder boten Holz im Überfluß, immer wieder trafen sie auf Seen, die reich waren an Fischen.
Am Morgen des vierten Tages erreichte die Truppe ein Dorf namens Porin. Graf Adolf sprang aus dem Sattel, seine Gefährten folgten. Vorsichtig führten sie die Pferde auf den Dorfanger, um den herum sich kreisförmig die niedrigen Häuser reihten. Auf einigen Grundstücken standen nur ärmliche Grubenhäuser, auf anderen stattlichere Gebäude aus Flechtwerk, das sauber mit Lehm verputzt war.
„Hier scheinen unsere Leute nicht gewütet zu haben,“ bemerkte Reginald, ein hochgewachsener junger Mann mit Lederwams und einem Lederhelm. Es war einer der gräflichen Ministerialen, Verwalter und Vogt der Burg in Faldera. Adolf hatte ihn in seine Nähe geholt, denn er beherrschte die Sprache der Slawen und diente dem Grafen nun als Dolmetscher. „Du hast recht,“ antwortete der Schauenburger, „dieses Dorf liegt aber auch abseits aller Straßen. Ruf die Leute zusammen!“ Reginald schlug mit seinem Kurzschwert dreimal an eine eiserne Stange, die in der Mitte des Dorfangers aufgerichtet war und deren Bedeutung die Deutschen nicht erraten konnten. Dann rief er etwas in der merkwürdig konsonantenreichen Sprache, die den meisten fremd und barbarisch klang, und langsam, zögernd und misstrauisch erschienen einige Männer, viele in häufig geflickten kurzen grauen Wollkitteln und den schräggestreiften Beinlingen, die Füße nur mit Stroh umwickelt. Obwohl der Rufer sein Schwert in die Scheide zurückgesteckt hatte, hielten sie vorsichtig Abstand zu den Fremden.
„Frag sie nach dem Dorfältesten,“ befahl der Graf, „und sag ihnen, wer wir sind.“ Der Dolmetscher gehorchte; ein alter Mann mit blauen Augen im zerfurchten Gesicht, fast so groß wie Reginald und trotz seiner Jahre aufrecht und von stolzer Haltung, trat vor die anderen und verbeugte sich vor Adolf, ohne doch unterwürfig zu erscheinen. Der Graf musterte ihn eine Weile, dann winkte er ihn zu sich heran.
„Ihr seid Christenmenschen?“ fragte er, und sein Ministeriale übersetzte. Der Alte zögerte einen Augenblick und warf einen Blick auf die anderen Männer, ehe er antwortete. „Man hat uns getauft. Ein Mönch ist hier gewesen, doch seitdem sind schon viele Winter vergangen. Wir haben keinen, der uns lehren könnte, was wir tun müssen als Christen.“ „Ihr feiert nicht die heilige Messe?“ wollte Adolf wissen. „Zu wem betet ihr dann?“ Wieder überlegte der Dorfälteste sorgsam seine Antwort: „Wir verehren den Sohn Gottes und seine heilige Mutter, manchmal wenigstens. Aber viele rufen auch die alten Götter an, wenn das Vieh krank wird oder die Ernte von Hagel bedroht wird. Sie sind der Erde näher als die Himmlischen, die uns der Mönch verkündet hat.“
Adolf zog die Brauen zusammen. „Heiden sind sie immer noch, diese einfältigen Bauern,“ sagte er grimmig. „Aber das wird sich ändern, bald. Schließlich ist es nicht ihre Schuld, wenn kein Priester da ist, sie zu unterweisen. Frag ihn, ob er einen Priester kennt.“ „In Liubice gab es einen heiligen Mann, bei den Deutschen. Doch der ist geflohen, als die Ranen die Stadt überfielen. Er hat auch hier zu uns gesprochen, ein oder zwei Mal, wir haben jedoch nur wenig verstanden, er konnte unsere Sprache nicht. Aber er hatte den Kelch dabei und hat uns gesegnet, es war bestimmt sehr gut für uns.“ „Und hat er den Zehnten von euch gefordert?“ Der Alte hatte offensichtlich Schwierigkeiten, denn Sinn dieser Frage zu begreifen, Reginald musste sie erst erklären, doch er schwieg weiterhin. „Also nicht,“ brummte Graf Adolf. „Auch das muß sich ändern.“ Er sah, dass ein weiteres Verhör nichts Neues bringen würde, und wechselte Ton und Thema.
„Unser gnädiger Herr, Herzog Heinrich, hat mir euer Land übergeben, damit ich es verwalte. Nun wird Frieden herrschen im Land der Wagrier, wir werden euch schützen vor allen Feinden. Dafür verlangen wir euren Gehorsam. Es werden jetzt auch Priester ins Land kommen, damit ihr den rechten Glauben lernt und eure Seele dereinst getröstet und gerüstet vor den Herrn treten kann, denn eure alten Götzen sind vom Teufel und führen euch in die Verdammnis.“ Er hielt inne und lächelte. „Ich sollte das Predigen lieber den Pfaffen überlassen, was meinst du?“ sagte er zu Reginald. „Und dass Fürsten und Herren Abgaben fordern dürfen von ihren Untertanen, das werden sie auch noch lernen. Jetzt frage nur noch, wie wir von hier nach Liubice kommen.“
„Wenn Ihr über den Berg hinwegreitet und dann rechter Hand ins Tal hinunter, werdet ihr einen Fluß finden. Wir nennen ihn Swartove. Folgt ihm, denn dort, wo er in den großen Fluß mündet, liegt Liubice. Es ist aber nicht mehr viel übrig von der Stadt unseres Fürsten, das solltet Ihr wissen.“
Graf Adolf schwang sich auf sein Pferd und hob die Hand. Es war eher ein Zeichen der Herrschaft als ein Gruß. Seine Männer taten es ihm gleich, dann trabte die Gruppe fort, in die angegebene Richtung. Sie fanden den Berg, der eine kahle Kuppe hatte und einen weiten Blick ins Land bereithielt, wandten sie dann rechts den Hang hinab durch einen dichten Wald und kamen zur Flußaue der Swartove, die sich in vielen Windungen um steile Hänge herum nur sehr langsam ihrer Mündung näherte. Sie hätten sicher einen kürzeren Weg nehmen können, doch sie wollten die Richtung nicht verfehlen. So stand die Sonne bereits hoch am Himmel, als sie endlich den Wald verließen und jenseits von brachliegenden Äckern die rauchgeschwärzten Reste von Liubice erreichten.
Langsam ritt Adolf durch die zerstörte Siedlung, die vor dem Burgwall lag und seitlich zum Ufer der Trave hin ihre Fortsetzung fand. Die meisten Hütten waren niedergebrannt und verlassen, nur wenige hatten die Wenden wieder bewohnbar gemacht. Der Graf hatte eine gute Beobachtungsgabe: „Handwerker scheint es hier nicht mehr zu geben,“ sagte er nachdenklich zu seinen Männern. „Was geblieben ist, sind wohl nur ein paar Fischer.“ Dann ritt er an den Burgwall heran. Die Palisaden aus meterhohen Baumstämmen, die ihn einst krönten, waren verkohlt, an anderen Stellen fehlten sie ganz. Auch der Erdwall war zum Teil abgerutscht, man konnte die Eichenhölzer erkennen, die ihn von innen her stützten. Das Tor zur Burg hatte die Flügel eingebüßt, vielleicht hatten die Überlebenden die Reste auch für ihren Hausbau genutzt. Der Bohlenweg im Bereich des Tores war an mehreren Stellen unterbrochen, die Deutschen konnten darunter einen Graben ausmachen, der früher wohl das Wasser aus dem Burgbereich in den Fluß führen sollte.
Graf Adolf war abgestiegen und warf den Zügel einem seiner Männer zu. Daraufhin saßen auch die anderen ab, ein Teil der Leute kümmerte sich um die Pferde, der Graf und die ritterlichen Ministerialen betraten zu Fuß das weiträumige Gelände innerhalb des Burgwalls. Auch hier überall Spuren der Zerstörung. Die Häuser entlang des Walles waren allesamt niedergebrannt, ebenso ein großes Gebäude zur Rechten, das wohl als Fürstenhalle gedient hatte. Daneben ragten mächtige Feldsteinmauern, auch sie rauchgeschwärzt und nun ohne Dach, aber es war immer noch ein beeindruckendes Gebäude. Die Männer traten durch das Eingangstor und blieben ergriffen stehen. Ihnen gegenüber, in der steinernen Nische der östlichen Querwand, stand, noch immer als solcher zu erkennen, ein steinerner Altar. Das also war die weithin gerühmte Kirche von Gottschalk und Heinrich, den großen Wendenfürsten, den christlichen Königen, die