Raju und Barbara. Wilhelm Thöring

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Raju und Barbara - Wilhelm Thöring

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wirklich Beruhigende, das ist Raju, denkt sie.

      2

      „Raju, du musst der Ninu erklären, was sie tun soll!“

      Barbara steckt sich die Haare fest, die sie nervös machen, weil sie ihr immerzu ins Gesicht fallen. Sich mit beiden Armen auf die Tischplatte stützend, lacht Ninu sie an und bewegt die Lippen, als könnte sie nicht sagen, was sie loswerden möchte.

      „Was soll sie denn tun“, fragt Raju vom oberen Treppenabsatz, wo er in ihrem eigenen Bad Spiegel und Konsolen anbringt. Die Bohrmaschine noch in der Hand, voll weißen Staubs, kommt er herunter, setzt sich auf die vorletzte Stufe und schüttelt den Kopf über Barbaras festgeklemmte Haare.

      „Du siehst fremd aus“, sagt er. „Die Frisur steht dir nicht!“

      „Sie soll zuerst die Gläser spülen, danach das Geschirr, zuletzt Besteck, Töpfe, die Pfannen ...“

      Raju erklärt Ninu, was die Memsabib, die Hausfrau, von ihr erwartet. Aufmerksam, ihre dunklen Augen weit aufgerissen, hört Ninu zu, dann wendet sie ein, es wäre alles sauber, denn alles hätte in Papier gepackt in den Kisten gelegen, nichts von dem, was sie abwaschen soll, wäre benutzt worden. Und um Raju zu überzeugen, hält sie ihm eine Tasse hin. Aber weil das von ihr verlangt wird, füllt sie die Schüssel mit kaltem Wasser und macht sich an die Arbeit; und wieder muss Raju ihr erklären, dass weiße Frauen zum Abwasch heißes Wasser nehmen, dazu ein Reinigungsmittel, keinen Sand. Ninu tut, was man von ihr erwartet, aber es ist ihr anzusehen, dass sie sich darüber sehr wundert und nichts begreifen kann.

      „Bärbel, es wird sich nicht umgehen lassen, dass du auch noch Bengali lernst ...“

      „Ja, das habe ich mir vorgenommen, aber alle diese sonderbaren Schriftzeichen – das lerne ich nie!“ ruft sie entsetzt und schlägt auf die Zeitung, die Raju mitgebracht hat. „Für so etwas bin ich schon zu alt!“

      „Nicht die Schriftzeichen, Bärbel, es reicht, wenn du etwas Bengali verstehen und sprechen kannst! Und davon nur das, was im Alltag gebraucht wird.“

      Ja, das will sie versuchen, sagt sie, denn es wäre zu lästig, ihn immer als Dolmetscher an der Seite haben zu müssen.

      Der Tag geht zu Ende; sie sitzen auf der Terrasse, wo sie vorerst die Korbmöbel hingestellt haben, die für das elterliche Wohnzimmer vorgesehen sind. Raju will die getane Arbeit in diesem Haus mit einem Whisky feiern, Barbara hält ein Glas Limonensaft zwischen den Händen. Beide schweigen, sie hängen ihren Gedanken nach. Im Nu ist es dunkel geworden; wie ein Boot taucht der Mond zwischen den Bäumen auf. Jenseits ihrer Gartenmauer wird es lebhaft auf der Straße. Manchmal knattert ein Moped vorüber. Hinter dem Eisentor bleiben Menschen stehen, sie rufen, sie versuchen es zu öffnen, und weil sich nichts rührt, gehen sie weiter.

      „Ja, hat der Mensch noch Töne“, fährt Raju in die Höhe und rennt mit der Taschenlampe und dem Besen durch den Garten auf die nördliche Mauerseite zu. Er beleuchtet zwei Jugendliche, die von der oberen Kante einen dicken langen Bambusstab in den Garten herabgelassen haben, an dem sie herunterzugleiten versuchen. Raju schimpft und droht ihnen mit dem Besen, und die Jungen nehmen lachend Reißaus und lassen den Bambusstab, wo er ist.

      Am anderen Tag ist Raju auf Barbaras Drängen mit einer Taxe ins Zentrum gefahren, um sich in einer Tierhandlung nach einem Wachhund umzusehen. Papageien, die hätte er bekommen können, und alle möglichen Vögel, große und kleine, Zierfische, niedliche Kätzchen und Schoßhündchen, doch einen Wachhund, der ihm ungebetene Gäste fernhalten könnte, den fand er nicht. Ihm wurde die Adresse eines Niederländers genannt, der würde große, wachsame und scharfe Hunde züchten. Raju ließ sich zu ihm fahren, und hier fand er, wonach er suchte: Deutsche Schäferhunde, Dobermänner, zwei gefleckte Doggen und eine Riesenschnauzerhündin, die ihre kaninchengroßen herumtapsenden Jungen in der Wurfkiste bewachte. Schnauzer, ja, das wären verlässliche und wachsame und verteidigungsbereite Hunde, wurde Raju versichert, doch als Wach- und Schutzhund wäre der Riesenschnauzer mit keinem anderen zu vergleichen. Er könne sich unter den Jungen jetzt schon einen aussuchen, der würde mit einem farbigen Band gekennzeichnet, und in acht Wochen, wenn sie entwöhnt sind und der Mutter lästig werden, dann gehöre der Hund ihm.

      Von dem Tag an, da die Jugendlichen versuchten, in seinen Garten zu steigen, sieht Raju an jedem Abend nach, ob hinter der Mauer Bambusstangen liegen oder gar eine Leiter.

      Schon an einem der nächsten Tage sind sie zu einem Hund gekommen – einem Hund, wie sie keinen haben wollten: Raju verhandelte vor dem Tor mit einem Mangohändler. Der Mann zeigte sich nicht ehrerbietig und nannte einen unverschämten Preis, er hielt Raju wohl für einen Angestellten des vornehmen Hauses. Das änderte sich, als Barbara, die weiße blonde Frau erschien. Für die Memsabib wäre diese Frucht gerade richtig, sagte der Händler und bot eine große, reife Frucht zu einem annehmbaren Preis an.

      Während Raju noch verhandelte, verteidigte auf der anderen Straßenseite einer der hier üblichen vielen Straßenköter, ein rötlichbraunes Tier, seinen ergatterten Bissen vor einem anderen. Mit eingekniffenem Schwanz und fletschenden Zähnen starrte er den Rivalen an und bemerkte nicht das Auto, das einem vorüber ziehenden Ochsenkarren ausweichen musste. Ein Aufjaulen, ein nicht enden wollendes Winseln – das Auto hatte ihn an der linken hinteren Flanke erwischt. Der Hund versuchte seine verletzte Stelle zu lecken, während der andere sich mit dem Bissen davonmachte.

      Barbara lief hinüber. Zuerst sprach sie auf den Hund ein, der blickte zu ihr auf, duckte sich, als erwarte er Schläge, ließ sich von ihr streicheln und wurde ruhig und leckte einige Male über ihre Hand; und als sie ging, folgte er ihr, den Körper nachschleifend, hinter das Tor. Barbara holte eine Schale Milch, kauerte sich zu ihm und begann, während er die Milch schlabberte, auf ihn einzureden.

      „Den werden wir nicht mehr los“, sagte Raju und gab Ninu, die aus dem Haus gekommen war, die Mangos, die sie zubereiten solle. „Wenn er wieder gesund ist, dann werde ich mit ihm weit von hier wegfahren und ihn freilassen.“

      Barbara, die nie ein Tier um sich hatte, schwieg dazu. Sie untersuchte die Verletzung, und der Hund ließ es zu und leckte ihr wieder die Hände. Zu sehen war nichts, aber das Tier hinkte, es konnte mit der linken Hinterpfote nicht auftreten.

      „So lange du magst, darfst du bei uns bleiben“, flüsterte sie dicht über dem Tier, dass sie es mit ihren Haaren berührte. „Wenn du erst einmal bei uns bleibst, dann brauchst du einen Namen, du kleiner Pechvogel. Zuerst werde ich dich von deinen Flöhen befreien, und dann wollen wir sehen, ob du erzogen werden musst ... Und wenn dein größerer Kumpan kommt, den wir schon gekauft haben, dann ... Na, wir werden sehen.“

      Ninu hat einen Tisch in den Garten tragen müssen, der mit einem Plastiktuch abgedeckt wurde. Auf dem Tisch liegt der Hund ohne Namen und erwartet, was mit ihm gemacht wird: Barbara sieht zuerst nach der Verletzung, dann sucht sie sein Fell nach Zecken und Flöhen ab, und zuletzt wird er gründlich eingepudert. Und das mag er überhaupt nicht. Er niest und prustet und würde vom Tisch springen, wenn er alle vier Pfoten gebrauchen könnte.

      Das Haus ist seit etlichen Tagen schon ganz nach Barbaras Vorstellungen eingerichtet. Bilder und Spiegel, Zierrat und Blumenvasen sind da, wo sie sie hinhaben wollte. Sein Inneres spiegelt die Atmosphäre eines deutschen Hauses. Dieses jedoch ist großzügiger, geräumiger und eindrucksvoller, so dass kein Inder es wagen würde, unbefangen hineinzugehen. Auch Ninu wagte sich das erste Mal nicht so ohne weiteres hinein – sie trat vorsichtig auf, sah sich um, blickte hierhin und dorthin, als könnte sie plötzlich von etwas Gefährlichem angesprungen werden. Ihre Scheu war aber bald verflogen, und jetzt bewegt sie sich in allen Räumen ebenso sicher wie die Memsabib, die Hausfrau.

      Heute

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