Raju und Barbara. Wilhelm Thöring
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Wie zufällig gleitet ihre Hand an den Arm des Sohnes und bleibt da liegen – wie dankbar ist sie ihm für dieses Erlebnis. Aber jetzt, da der Vater es hören kann, wird sie es ihm nicht sagen. Später, später ...
Raju gibt dem Chauffeur Anweisung, wo er den Wagen parken soll. Von dieser Stelle aus ist der Botanische Garten gut zu erreichen. Hier ist es nicht ruhiger als auf den Hauptstraßen Kolkatas. Wie bei einem Volksfest schieben sich Menschenmassen über die Wege. Barbara findet, dass es hier ebenso laut ist wie jenseits des Flusses in der östlichen Stadt, in der sie öfter unterwegs ist. Die vielen Füße wirbeln Staub auf, der Nase und Augen reizt, der sich wie Puder auf sie legt, so dass die Haut zu jucken und zu brennen beginnt. Sie sind ein Stück gegangen, als Doktor Sharma seinen Arm hebt. Zu diesem herrlichen Ort hätte er etwas zu sagen: In Kolkata gäbe es viele Bauten von den Engländern, ihnen hätten sie auch diesen Garten zu verdanken. Ein englischer Colonel wäre es gewesen, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu diesem Garten angeregt oder ihn gar angelegt hätte, weiß er. Und hier wäre damals der Tee gezüchtet worden, der heute unter den Namen der Regionen Darjeeling und Assam in die ganze Welt verschickt würde. Das Kernstück dieses Gartens, Doktor Sharma nickt vielsagend und macht erst einmal eine Pause, bevor er mit weiterem Wissen herausrückt – Kernstück des Botanischen Gartens, das wäre ein zweihundert Jahre alter Banyanbaum von einem unvorstellbaren Umfang. Sie würden es bald sehen. Plötzlich haben es alle, die durch den Garten wandern, eilig, in eine bestimmte Richtung zu kommen. Raju, seine Frau und die Eltern werden mitgezogen und können wegen der Eltern nicht ausscheren, die sie in dem Gedränge leicht verlieren könnten. Sie werden dahin gedrängt, wo der Baum steht, von dem Doktor Sharma gesprochen hat. Im Schatten dieses Baumes soll ein wild aussehender Sadhu sitzen, den sie wegen der ihn umstehenden Menschenmassen nicht sehen können. Aber Leute, die bis zu ihm vorgedrungen sind, erzählen, der Mann wäre sicherlich berauscht. In der Rechten halte er eine qualmende Pfeife während er mit der Linken allerlei Kreise und Figuren in die Luft male, dass es aussehe, als stelle er sich ein kunstvolles Mandala vor.
Raju drängt sie, ruhigere Wege zu gehen, da stellt Barbara fest, dass die Mutter verschwunden ist.
Die alte Frau hat es gemacht wie viele andere auch – sie hat sich zum Sadhu vorgedrängt, um ihn berühren zu können. Tat sie das aus Dankbarkeit für diesen Ausflug, für ihr verändertes, ihr geordnetes Leben? Die Kinder vermuten es, aber keiner fragt sie. Unbeeindruckt nimmt die Mutter es hin, dass sie deswegen von ihrem Mann laut und lange gerügt wird.
Über das Auto gebeugt steht Kali mit einem Staubwedel und reinigt es. Alle Wagentüren hat er weit geöffnet, damit ein Windhauch durchs Innere gehen kann. Zufrieden, auch ein wenig müde, lassen sie sich nach Hause fahren.
Noch manchen Tag wird der alte Doktor Sharma alles das erzählen, was er auf dem Ausflug in den Botanischen Garten seinen Kindern und der Frau erzählt hat. Und niemand wird mehr hinhören.
5
„Raju, dein Bruder Rahul hat angerufen, er will uns bald besuchen!“
„Wie schön! – So, da ist er also wieder aufgetaucht! Und wann will er kommen?“
„In der nächsten Woche. Und seine Frau Savita bringt er auch mit, sagt er.“
„Das ist weniger schön!“
„Die wenigen Stunden können wir sie wohl ertragen, Raju“, sagt Barbara, die vor dem Gerätehaus steht, wo sie ‚Himbeere’ kurz angebunden hat, um ihn zu baden. Ashim hilft ihr, er trägt Wasser heran, reicht ihr Seife und Tücher und wundert sich im Stillen, was diese Frau mit einem Hund anstellt. Mit eingekniffenem Schwanz, zitternd wie ein dünner Zweig im Wind, lässt ‚Himbeere’ die Prozedur über sich ergehen. Als er frei kommt, schüttelt er sich ohne Ende und wälzt sich erst einmal gründlich im Staub. Brombeere ist nicht so geduldig, er jault und reißt an der Leine, dreht und wehrt sich, dass Ashim ihn festhalten muss; und nach dem Bad macht er es ebenso wie Himbeere: Er wälzt und schiebt sich ausgiebig durch den Dreck.
„Ich hoffe nur, es gefällt ihr nicht allzu sehr bei uns“, ruft Raju ihr zu. „Sie kann auf einem Stuhl festkleben wie Fliegendreck, wir werden sie nicht wieder los!“
„Sie wird doch wissen, wohin sie gehört.“
„Ich bin mir nicht so sicher und hoffe, dass mein Bruder sie auf das, was schicklich ist, hinweist. – Allzu freundlich dürfen wir nicht zu ihr sein, Bärbel. Wir dürfen sie nicht bitten, uns noch einmal zu besuchen.“
„Sollte Savita zu anhänglich werden, dann könnte es ihr wie Brombeere ergehen, sieh her ...“
Sie gießt einen Topf Wasser über den Hund und lacht so laut, dass der zusammenzuckt und zitternd vor Schreck sich auf den Boden drückt.
„Ganz zufällig könnte auch ihr eine Ladung Wasser über den Balg geschüttet werden ...“
Auf der Treppe erscheint die Mutter, und obwohl sie Deutsch nicht versteht, bricht Barbara erschreckt ab. Neugierig kommt die alte Frau näher. Was die Schwiegertochter mit den Hunden treibt, dass kann sie nicht verstehen. Eine Weile sieht sie schweigend zu, dann wendet sie sich an den Sohn und der erklärt ihr, warum Bärbel das macht, und dass in Deutschland die Hunde, die im Haus leben, hin und wieder gebadet werden. Und hier, wo es nur so staubt, da wäre ein Bad öfter nötig. Die alte Frau schüttelt fassungslos den Kopf und geht. Von der Veranda sieht sie noch einmal herüber, und als sie ins Haus zurückgeht, hören Raju und Barbara sie kichern.
Rahul ist sehr zeitig mit seiner Frau Savita gekommen. Er begrüßte zuerst die Eltern, indem er seine Handflächen aneinander legt und sich über ihre Füße beugt und eine Berührung andeutet, danach begrüßt er den Bruder, zuletzt streckt er Barbara die Hand hin; ihr erklärt er, sie hätten sich deshalb so früh auf den Weg gemacht, um nicht durch die Hitze fahren zu müssen. Stumm und alles eingehend betrachtend, lässt er sich von seinem Bruder durch’s Haus führen. Darüber, dass Fremde in jedes Zimmer gehen, ist der Riesenschnauzer derart aufgebracht, dass er weggesperrt werden muss. Barbara meint am Abend zu ihrem Mann, Brombeere hätte ein feines Gespür für unerwünschte Gäste, denn er hätte zu bellen und zu knurren angefangen, als Savita das eine oder andere angefasst hätte.
Nachdem sie alles in Augenschein genommen hatten, lässt Rahul sich wie erschöpft in einen Sessel fallen und verlangt einen Whisky.
„Ich habe keinen Whisky, Bruder.“
„Ja, ich vergaß, dass dies kein echtes gehobenes indisches Haus ist. In Häusern unseres Ranges, da wirst du auch Whisky finden ...“, bemerkt Rahul; für alle, die Englisch verstehen, sagt er es in dieser Sprache. Daraufhin zieht Barbara sich in die Küche zurück, und Savita folgt ihr. Schließlich kommt auch die alte Mutter hinterher. Der Koch muss ihr einen Stuhl holen, da sitzt sie und strengt sich an zu verstehen, was die beiden Frauen sich in der fremden englischen Sprache zu erzählen haben.
„Die Eltern waren sehr in Sorge“, beginnt Barbara. „Ihr habt lange Zeit nichts von euch hören lassen.“
Savita zupft an ihrem Sari,