Raju und Barbara. Wilhelm Thöring
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Wenn Raju mit ihr allein ist, sprechen sie Deutsch; ist der Vater bei ihnen, dann wird Englisch gesprochen. Barbara achtet darauf, dass beim Vater nicht der Verdacht aufkommt, er würde ausgeschlossen oder als hätten sie etwas über ihn oder die Mutter zu besprechen. Raju legt seinen Arm um sie und führt sie wie ein Verliebter durch den Garten, so dass der Vater auf der Terrasse darüber die Stirn runzelt, denn ein indischer Mann zeigt für seine Frau keine Gefühle in Gegenwart anderer, es schickt sich nicht; noch weniger schickt es sich, wenn eine Frau ihre Gefühle zeigt; und diese Frau, die der Sohn geheiratet hat, kennt darin überhaupt keine Hemmungen.
„Ja, es ist für dich nicht leicht mit den beiden“, beginnt er. „Ich glaube, sie hätten auch in jungen Jahren nichts zugelassen, was vom Gewohnten abgewichen wäre. Ich frage mich manchmal, wie es für ihn während seiner Studienjahre in London gewesen ist. Er erzählte oft, dass er nicht nur Umgang mit Indern hatte; er ist sogar in englische Familien eingeladen worden und hat sehen können, dass sie anders leben. Und das scheint ihn sogar beeindruckt zu haben, so habe ich ihn damals verstanden. Vielleicht wäre er im Westen auch ein Westler geworden, wie ich einer geworden bin. Aber hier – da ist er ganz schnell wieder zu einem Inder geworden, durch und durch Inder ...“
„Und du?“
Raju lacht auf. „Ja, ich bin Inder, aber in der umgekrempelten Jacke fühle ich mich wohl, sehr wohl, Bärbel.“
Aneinandergelehnt betrachten sie ihr Haus. Wie es zwischen den Palmen und Büschen, den Bäumen und vielen Blumen leuchtet! Barbara versteht, dass die wenigen Freunde Rajus, die bis jetzt hergekommen sind, ihren Besitz nicht nur bewundern, sondern sie auch deswegen beneiden. Und mit Rahul und seiner bequemen, seiner faulen Savita ist es wohl ebenso. Irgendwo in einem südlichen Bezirk Kolkatas haben beide vor nicht langer Zeit eine bescheidene, mehr eine kümmerliche Wohnung bezogen, wie der Vater Raju erzählt hat. Aber so etwas wäre nicht von Bedeutung, sagte er, dafür reisten sie viel und würden sich bilden.
„Es ist doch ein Paradies, in dem wir wohnen, findest du nicht auch, Bärbel?“
Sie sieht ihn von der Seite an und schweigt dazu. Ja, von außen betrachtet, ein Paradies, möchte sie ihm antworten – im Innern aber geht es zu, wie in jedem anderen Haus, da gibt es Fremdheit zwischen den Menschen und Missverständnisse, auch Machtgedanken und offene Reibereien ...
„Ja, der Vater“, beginnt Raju. „Was der nur manchmal für Einfälle hat!“
„Was hat er denn für Einfälle?“
„Er möchte, weil es hier keinen Arzt gibt, wieder Kranke behandeln.“
„Das ist kein schlechter Einfall, Raju. Er ist geistig auf der Höhe, ist rüstig ... Wenn er sich unten bei den Händlern eine kleine, einfache Praxis einrichtet, nur einen Raum, der würde genügen ...“
„Barbara, er will es hier machen!“
„In unserem Haus?“
„Im Hof.“
Sie macht sich aus seiner Umarmung frei, lässt den Kopf sinken. Gegen den Boden spricht sie schließlich: „Hat er dich gefragt?“
„Nein.“
„Und wie denkst du darüber?“
„Ich denke, Barbara, wir müssen es verhindern. So etwas bringt nicht nur Unruhe ins Haus, es bringt auch Ärger. Du weißt, wie einfache Leute sein können: Die öffnen jede Tür, kriechen vor Neugier in jeden Winkel, müssen alles befummeln und stecken auch schon einmal etwas ein!“
Bärbel lässt noch immer den Kopf hängen. Der Vater auf der Terrasse hat sich aufgerichtet, um besser sehen zu können, was die beiden hinter den Büschen machen.
„Wie soll ich das verhindern können?“, fragt sie. „Ich kann das nicht, ich bin nur eine Frau. Hier trifft alle Entscheidungen der Mann. Du musst es verhindern, Raju!“
Jetzt, da es heraus ist, und sie es weiß, fängt Raju an zu schwitzen. Diese Aufgabe muss er übernehmen, er, der jüngere Sohn. – Wie kann er den Vater dazu bringen, von diesem Vorhaben, wie er es sich denkt, abzulassen? Raju wirkt ziemlich hilflos, und leise, beinahe verzagt sagt er:
„Ja, ich muss wohl mit ihm sprechen. Es wird nicht leicht sein, so eigensinnig wie er ist ...“
Wann Raju mit seinem Vater gesprochen hat, weiß Barbara nicht. Sie bemerkt aber, dass der alte Mann noch stiller geworden ist und mit mürrischem, hartem Gesicht herumläuft; und auch das bemerkt sie, dass Vater und Sohn darauf bedacht sind, nicht für längere Zeit allein in einem Raum sein zu müssen. Während der Mahlzeiten unterhält Raju sich nur mit ihr, der Vater schweigt. Ob die Mutter etwas weiß? Die hockt gleichmütig und abwesend dazwischen und ist ebenfalls still. Aber das ist sie ja meistens.
Ja, er hätte noch am selben Tag mit dem Vater gesprochen, sagt Raju später, als Barbara ihn danach fragt. Der habe ruhig zugehört und am Ende gemeint, wenn er in diesem Haus wohne, dann sei es wohl auch sein Haus, in dem er die Freiheit hätte zu tun, was er für richtig erachte.
„Das hat er gesagt, Raju?“
Raju wiegte den Kopf. „Ja, so sieht es der Vater. – Ich habe ihm begreiflich gemacht, dass dieses Haus nicht von mir, sondern von dir gebaut und bezahlt worden ist. Über viele, viele Jahre hätten wir deinen Verdienst dafür gespart.“
„Das hast du ihm auch gesagt?“
„Er muss es wissen, bevor er sich noch andere Verrücktheiten einfallen lässt. Ich hätte ihn früher auf diese Sachlage hinweisen sollen ...“
„Ist er böse geworden?“
„Nicht mit Worten, aber er hat mich angesehen, als wollte er mich mit seinen Blicken vernichten. Er hält mich für einen Waschlappen.“
„Hat er das gesagt?“
„Er hat es mir indirekt durch Rahul sagen lassen, und der hat mir durch die eine oder andere kränkende Bemerkung dasselbe zu verstehen gegeben.“
Es ist Juni geworden und es wird nicht lange mehr dauern, bis der Monsun beginnt. Für Doktor Sharma spielt das Wetter keine Rolle: irgendwo in einem Winkel leiden Menschen und warten darauf, dass ihnen geholfen wird.
Wenn es ihm in den Sinn kam, dann stand er in den letzten Tagen oft vor dem Tor und sprach Leute an, vor allem die herumreisenden Händler; warum er das tat, behielt er für sich.
„Jetzt ist es Zeit, dass ich mich um die Kranken kümmere“, sagt er in die aufgeschlagene Zeitung; er sitzt mit seiner Frau auf der Terrasse und liest, oder er tut nur so und beobachtet, was um ihn herum geschieht. „Mehr als einen Tisch und zwei oder drei Stühle brauche ich nicht. Die kann einer von den Leuten nach draußen vor das Tor tragen. Meine Sprechstunden halte ich nur an zwei Nachmittagen, das genügt.“
Die Mutter hat, während der Vater das sagt, ihre Zeitung zusammengefaltet und ist ins Haus gegangen.
„Als Arzt, der großes Ansehen genoss, willst du dich herabwürdigen und draußen vorm Haus im Straßenstaub wie ein Quacksalber sitzen“, empört sich Raju. „Heruntergekommen wie Schuhflicker, wie Frisöre und primitive Zahnzieher, die an jeder Ecke der Stadt herumlungern?“
„Wenn