Alte Rechnung. Erich Szelersky

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Alte Rechnung - Erich Szelersky

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      »Und trotzdem konnte er sich in seiner Position behaupten?«

      »Ja, das schon. Heute frage ich mich manchmal auch, warum; aber er war nicht gefährdet. Wir nahmen ihn so wie er war; ungehobelt.

      Reinhard Saatkamp suchte die Nähe zu Herbert Rensing. Der war auch nicht gerade das, was man einen Intellektuellen nennt. Sein Lebenshorizont reichte von seiner Arbeit bis zu einer Art von Lifestyle, die er für sich als wertvoll betrachtete. Rensing war ohne Zweifel sehr konsumorientiert. Er sprach von Dingen, die er nicht verstand, wie alle, die meinen, zu etwas ihren Kommentar abgeben zu müssen, ohne es wirklich zu verstehen. Mit anderen Worten, er plapperte mit schönen Worten nach, was er irgendwo aufgeschnappt hatte. Dazu las er auch entsprechende Magazine. Er schleppte immer ein paar Kataloge mit sich herum. Wenn ein Kunde sich für Uhren interessierte; Herbert hatte bestimmt einen Katalog über Chronometer dabei oder besorgte einen für das nächste Treffen. So ging es mit allen Dingen und insbesondere mit solchen, die zu der von ihm bevorzugten Lebensart gehörten. Als er erfuhr, dass meine Frau und ich ein Kind aus den Slums von Managua nach Deutschland geholt hatten, entdeckte er dies für sich als Thema, über das sich trefflich schwadronieren ließ. Nach ein paar Monaten verloren die Schicksale von Kindern in der dritten Welt für ihn ihren Reiz, und ein anderes Thema besetzte diese Position in Herbert Rensings Gesprächsthemenkatalog. Rensing beschenkte seine Kunden auch entsprechend. Keiner von uns hielt einen so großen Etat für Präsente bereit wie Herbert Rensing.

      Helmut Sikorra verachtete sie alle. Für ihn waren die drei Papiertiger. Er schätzte Viktor Theißen, weil er über den Dingen stand. Das hinderte Helmut Sikorra aber nicht daran, ihn zu opfern, als es ihm opportun erschien. Er war aus einem völlig anderen Holz geschnitzt. Dieses oberflächliche Geschwätz war ihm lästig. Er mochte Gegenstände mit besonderem Wert, aber mehr für sich und protzte nicht damit herum. Wenn er etwas verschenkte wusste der Empfänger, dass es ein Ausdruck besonderer Wertschätzung war. Sikorra legte Wert auf Bodenständigkeit. Er wirkte in Gesprächen nicht so geschmeidig wie Rensing. Während Herbert Rensing zum Mittagessen in stadtbekannte Edelrestaurants ging besuchte Helmut Sikorra eine Trattoria oder eine Taverne in der Vorstadt, in der er die mediterrane Lebensart einsog und sich mit seinen Gästen von dieser Atmosphäre einfangen ließ.

      Helmut Sikorra hatte etwas Naturburschenhaftes. Auf dem Wildspitzhof war er privat. Ich glaube, dort lebte er sein wahres Naturell.

      In dieser turbulenten Zeit der Fusionsvorbereitungen wurde mir eines klar. Nur der gemeinsame Erfolg hatte uns zusammengehalten. Er hatte wie Klebstoff gewirkt, und alle Spannungen waren übertüncht; so wie Farbe Roststellen überdeckt. Dieser Rost kam nun unversehens hervor und brachte zu Tage, wie marode unser Gebäude angeblicher Freundschaft im Grunde war.

      »Und wie war das mit Ihnen?«

      »Ich? Ich war so etwas wie die graue Eminenz in der Runde. Der einzige Ausländer in dieser deutschen Runde in einer deutschen Firma.«

      »Machen Sie es sich nicht etwas zu einfach. Sie gehörten zum inneren Führungszirkel. Da kommt man doch nicht nur mit Schönfärberei hin.«

      »Sicher nicht. Aber wie ich schon sagte, ein bisschen exotisch war ich als Schwede in diesem Gremium schon. Das hatte auch mit meinem Hauptbetätigungsfeld Nordamerika zu tun. Dort hielt ich mich oft wochenlang auf. Ich hatte in Boston auch schon vor der Fusion und meiner Übersiedlung nach Massachusetts ein Büro und nicht nur in Frankfurt. Die anderen arbeiteten in Heimmärkten aus einer Position der Stärke heraus oder in Wachstumsmärkten wie Fernost oder die sich nach dem Mauerfall entwickelnden osteuropäischen Gesellschaften mit ihrem riesigen Nachholbedarf. Ich dagegen arbeitete in einer Region, die von amerikanischen Unternehmen mit der ihnen eigenen Kultur dominiert wurde. Die GlobalTech kam aus Cupertino im Santa Clara Valley.«

      »Santa Clara Valley?«

      »Ja. Oder sagen wir mal allgemeiner im Silicon Valley. Das sagt Ihnen was?«

      »Ja. Dort konzentriert sich die Welt der Informationstechnologie, oder?«

      »Richtig. Also, die GlobalTech kam aus diesem Zentrum amerikanischen Schöpfergeistes und verfügte in der amerikanischen Gesellschaft über ein außergewöhnlich gutes Image. Während in anderen Regionen der Vereinigten Staaten und in anderen Industriezweigen sowohl Innovationsfähigkeit und industrielle Leistung schwächer wurden, boomte die IT-Industrie. Wie ein Herzschrittmacher wurden ständig mit zunehmender Geschwindigkeit IT-Produkte kreiert. Dabei orientierten sie sich damals mehr noch als heute vornehmlich an den Wünschen amerikanischer Nutzer und übertrugen diese auf den Rest der Welt. Sie kennen diese etwas überhebliche Haltung: Was in Amerika gut war konnte in den übrigen Teilen Welt nicht falsch sein. Dagegen standen wir aus Deutschland. Wir hatten andere Konzepte, die mehr die Lösung und weniger die technischen Details in den Vordergrund stellten. Ich bewegte mich also in einem Markt, in dem die MicroData ein Außenseiter war. Als Schwede verband ich die deutschen Leistungs- und Handlungsprinzipien mit den überseeischen Vorstellungen, sich in einer von Elektronik bestimmten Welt zu bewegen. Wahrscheinlich war es sinnvoll, mit mir einen Mittler zu haben, der zwar nicht amerikanisch aber eben auch nicht deutsch war, obwohl er für deutsche Produkte, deutsche Werthaltigkeit und deutsche Verlässlichkeit einstand.«

      »Das verstehe ich nicht.«

      »Nun, Herr Hauptkommissar, stellen Sie sich vor. Ein deutsches Luxusauto zu fahren ist für einen Amerikaner ein Statussymbol. Ein Haus ist besonders wertvoll, wenn es eine deutsche Einbauküche, möglichst von Miele, hat. Alle möglichen Gebrauchsartikel kommen aus Fernost. Sie überfluteten die Staaten, weil sie in den USA nicht mehr produziert wurden. Worauf kann man eigentlich stolz sein, wenn man Autos aus Deutschland oder Japan und Fernseher aus Korea hat; wenn die Raumfahrt nicht mehr als Alleinstellungsmerkmal amerikanischer Ingenieursleistung dient, und dies in einem Land wie Amerika, das seinen Patriotismus in einem Wettbewerb von Fahnen an jedem Einkaufscenter präsentiert und in dem keine Rede enden darf, ohne um Gottes Segen für das Land gebeten zu haben.

      Die Informationstechnik war damals in den achtziger und neunziger Jahren einer der wenigen Wirtschaftszweige, der als Ikone amerikanischer Leistungsfähigkeit angesehen werden konnte. Amerikanische Hard- und Softwarehersteller gingen mit missionarischem Eifer in die Welt und vermarkteten ihre Produkte. Gleichzeitig stärkten sie ihren riesigen Binnenmarkt, in dem sie mit riesigem Marketingaufwand postulierten, dass es nur ein amerikanisches IT-Produkt sein konnte, das die immer komplexeren Aufgabenstellungen lösen konnte. Und in dieser Welt bewegte ich mich. Hier suchten wir als nichtamerikanischer Hersteller unseren Erfolg. Das war ein völlig anderes Geschäft als in den übrigen Teilen der Welt und ganz besonders als in Europa. In den Staaten war ich als Schwede ein unbefangener Repräsentant deutscher Leistungskultur. Die Amerikaner hatten auch eine Vision von Kultur, doch für uns bedeutete dies mehr eine moralische Orientierung der Mitarbeiter, für die Amerikaner eher eine funktionale.«

      »Wie soll ich das verstehen, Herr Jonsson?«

      »Das ist ganz einfach. Wenn man Verwendbarkeit und Persönlichkeit eines Mitarbeiters vergleicht, muss man sich entscheiden. Wir entschieden uns für die Persönlichkeit.«

      »Und das soll ich Ihnen glauben, nachdem Sie Ihre Kollegen Hyänen genannt haben?«

      »Ich weiß, es ist schwer zu verstehen, aber unser Führungsverständnis basierte auf Kommunikation, die jedem Mitarbeiter Bedeutung verlieh, und unser Handlungsverständnis bezog unsere Kunden darin mit ein. Wir wollten nie Egomane mit Motivationsobsession sein. Wissen Sie, kein intelligenter Mensch lässt sich auf Dauer für etwas begeistern, was er in seinem Innersten nicht einsieht. Das war eine anspruchsvolle Vision von Kultur, der wir über Jahre Realität verliehen haben.

      Umso schlimmer war es für mich, als mir bewusst wurde, wie wir wirklich waren. Während der

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