Alte Rechnung. Erich Szelersky

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Alte Rechnung - Erich Szelersky

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die Berge waren nicht zu sehen.

      Reinhard Saatkamp drehte das Radio lauter. Ö3 berichtete über den seit einigen Tagen über Tirol tobenden Schneesturm, der schon erhebliche Schäden verursacht hatte.

      »Hast Du gehört, Herbert. Heftiger Schneefall. Hoffentlich ist die Straße zum Wildspitzhof frei.«

      »Wird schon, Reinhard.« Er zögerte.

      »Zum Umdrehen ist es jetzt zu spät.«

      Herbert Rensing drückte sich in die Polster. Vielleicht war es ein Fehler, zum Hof von Helmut Sikorra zu fahren.

      Innsbruck

      Tiroler Landeskrankenanstalten, 12. Dezember 2010

      Hauptkommissar Gerstel schaltete das Licht in dem Zimmer an, da es draußen schon dämmerte.

      »Eine E-Mail sagen Sie?«

      »Ja, eine E-Mail. Ich war völlig überrascht, als ich sie erhielt. Sie kam von Helmut Sikorra. Der war einmal einer meiner besten Kollegen gewesen. In Anlehnung an Frank Sinatra und ein paar weiteren Künstlern nannten wir uns nach einem feuchtfröhlichen Abend »The Rat Pack«.«

      »Rat Pack?«

      »Ja. Wie in den fünfziger Jahren als Frank Sinatra, Sammy Davis Jr., Dean Martin, Joey Bishop und Peter Lawford so genannt wurden.«

      »Und das fanden Sie gut?«

      »War nur ein Scherz. Sie wissen ja wie das ist, wenn man etwas getrunken hat. Da kommt man auf die ulkigsten Ideen. Jedenfalls hielten wir uns für unzertrennlich. Das Geschäft hatte uns zusammengeschweißt. Wir hatten gemeinsame Interessen.

      In den zwölf Jahren zwischen neunzehnhundertachtzig und neunzehnhundertzweiundneunzig entwickelten wir das Geschäft mit elektronischen Bauelementen und Rechnern in den verschiedenen Regionen der Welt und machten die MicroData zu einem der großen Fünf auf den globalen Märkten. Wir standen ständig im Wettbewerb zu den vier anderen, und je nach Region oder Branche war es meistens entweder die GlobalTech oder die DCL, gegen die wir uns behaupten mussten. Die ASC hatte ein starkes Geschäft mit der amerikanischen Rüstungsindustrie, für uns tabu, und die CIG trat neben Frankreich nur in Afrika, wo wir uns erst im Aufbau befanden, ernsthaft in Erscheinung. Neunzehnhundertachtundachtzig hatten wir es geschafft. Ein deutsches IT-Unternehmen war in die Championsleague aufgestiegen, und dies war unser Erfolg.

      Aber das war lange her, als ich die E-Mail erhielt. Von Helmut Sikorra hatte ich seit der Fusion vor achtzehn Jahren nichts mehr gehört. Umso mehr war ich überrascht. Der Inhalt der Mail war abgefasst, als wenn sich seit damals nichts geändert hätte.«

      Hallo Jungs, es ist wahrscheinlich ein Indiz für das Älterwerden, wenn man sich an alte Zeiten erinnert. Mir ging es letztens so. War damals eine tolle Zeit. Ich möchte Euch alle mal wiedersehen. Wenn Ihr könnt und Lust habt lade ich Euch für ein paar Tage auf den Wildspitzhof ein.

      Wenn es Euch passt am 4. Dezember 2010. Bis dahin ist es noch lang hin. Ihr habt also genügend Zeit zu planen. Ich hoffe, Ihr könnt es einrichten.

      Meldet Euch.

      Viele Grüße.

      Helmut

      PS. Bringt Eure Skiausrüstung mit. Dann können wir auch mal in Sölden oder Obergurgel Skilaufen.

      »Wann war da?«

      »Was?«

      »Wann haben Sie die E-Mail mit der Einladung erhalten?«

      »Das war …, lassen Sie mich kurz nachdenken; das war im August.«

      »Lange hin bis zum Termin für das Treffen.«

      »Ja, aber Herbert Sikorra plante immer langfristig.«

      »Ich wollte Sie auch nicht unterbrechen, Herr Jonsson. Erzählen Sie weiter.«

      »Seit damals, als sich nach der Fusion mit der GlobalTech alles grundlegend geändert hatte, hatten wir nichts mehr voneinander gehört. In der MicroData waren wir noch ein Team gewesen, auch wenn es vereinzelt schon mal Meinungsverschiedenheiten gab. Die legten sich aber schnell wieder. Ernsthafte Spannungen zwischen einigen von uns gab es erst, als die Fusion mit unserem Hauptwettbewerber, der GlobalTech, auf die Agenda kam.«

      »GlobalTech war Ihr stärkster Konkurrent, nicht wahr?«

      »Ja. Ein amerikanisches Unternehmen, das in vielen Geschäftsfeldern mit seinen Produkten im Wettbewerb zu uns stand. Jede Ausschreibung, jedes Projekt war ein knochenharter Kampf mit GlobalTech. Wir entwickelten Strategien, Kunden von GlobalTech zu lösen und für uns zu gewinnen, und ich erinnere mich an Abwehrkämpfe, GlobalTech von unseren Kunden fernzuhalten. Es war so etwas wie eine Mischung aus Verfluchung und Hochachtung, was wir gegenüber GlobalTech empfanden. Verflucht haben wir sie, weil sie immer gegen uns standen, und geachtet haben wir sie, weil sie redlich um ihre Chancen kämpften. Klar; die Jungs von denen hatten den gleichen Ehrgeiz wie wir. Sie steckten halt nur in anderen Anzügen. Jahre später habe ich erfahren, dass sie vor uns vielfach Angst hatten. Wechsel von uns zu denen kamen kaum vor, wie auch Leute von GlobalTech fast nie den Weg zu uns fanden. Darum war es ja auch für keinen von uns zu begreifen, was sich neunzehnhundertzweiundneunzig plötzlich entwickelte.«

      »Und was war das Besondere?«

      »Die Fusion. Alles fing völlig harmlos an. Es war im Frühjahr. Der Vorstand hatte mich zu einem Gespräch geladen. Eine der Sekretärinnen führte mich aber nicht wie sonst in das Zimmer meines Vorstandes sondern in den großen Konferenzraum. Als ich den Saal betrat, waren meine Kollegen auch anwesend. Wir schauten uns erstaunt an.

      Keiner wusste, welchen Grund es für die Sitzung gab. Aus den anderen Unternehmensbereichen waren noch weitere Kollegen im Raum. Insgesamt waren wir etwa dreißig Personen, die alle eines gemeinsam hatten. Wir berichteten alle an den Vorstand, und der hatte uns zusammengerufen.

      Kurz darauf betraten die Vorstände den Konferenzsaal. Entgegen sonstiger Gepflogenheiten kam der gesamte Vorstand. Sie hielten sich auch nicht lange mit der Vorrede auf. Als das Unwort Fusion, und dann auch noch mit GlobalTech, gesagt war, trat eine gespenstische Ruhe ein. Auch die Vorstände verharrten einen Augenblick ausdruckslos in der Erwartung einer Reaktion von uns auf ihre Worte. Vielleicht wurde ihnen aber auch in diesem Moment mit unverhoffter Schärfe bewusst, dass Worte Flügel haben und sich nicht einfangen lassen. Sie hatten die bedeutungsvollen Worte gesagt. Jetzt ließ sich nichts mehr rückgängig machen. Ich hörte nur noch halb hin, als über die neuen Chancen als weltweit führendes Unternehmen der Branche, größer noch als ASC, und was man in solchen Situationen sonst noch alles so sagt, geredet wurde. Fest stand erst einmal, dass die MicroData verschwinden würde und mit ihr all das, woran wir gearbeitet und was wir aufgebaut hatten; und was uns wichtig war. Zumindest glaubte ich das damals noch. Später musste ich feststellen, dass die GlobalTech-Leute auch nicht ganz so dämlich waren, wie wir es ihnen immer unterstellt hatten.

      Es war für mich eine interessante Erfahrung, dass unser Selbstverständnis auch ein gutes Stück auf Selbstbetrug basierte. Besonders bitter war für mich jedoch, dass jeglicher Anstand unter denen, die sich ein paar Wochen zuvor noch bei der Begrüßung umarmt und Freund genannt hatten, verloren gehen würde.«

      »Was meinen Sie damit, dass jeglicher Anstand verloren gehen würde?«

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