Alte Rechnung. Erich Szelersky

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Alte Rechnung - Erich Szelersky

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mehr verlängerte. Für viele war es unverständlich, dass er seinen gut dotierten Job aufgab, obwohl der Vertrag erneut verlängert werden sollte. Sikorra hat über die Motive für seine Entscheidung nie gesprochen. Eine große Verabschiedungszeremonie lehnte er ab. Von seinen engsten Mitarbeitern verabschiedete er sich persönlich, und in einer Videobotschaft an die Belegschaft gab er sein Ausscheiden aus dem Unternehmen, das er als das weltweit beste, innovativste und zukunftsorientierteste der IT-Branche bezeichnete, bekannt. Als er am Ende seiner kurzen Rede erklärte, mit ruhigem Gewissen in den Ruhestand zu gehen, weil er die UniTec in den Händen der Besten ihres Faches wisse, jubelten ihm Tausende Mitarbeiter in der ganzen Welt zu, die seine Abschiedsworte auf riesigen Videowänden mit verfolgten.

      Mit seiner neu gewonnenen Freiheit ging Helmut Sikorra sehr bewusst um. Er kümmerte sich um seine Hobbies und versuchte, das zerrüttete Verhältnis zu seinen Töchtern in Ordnung zu bringen.

      Er hatte alles, was er brauchte. Geld, ein Haus in einer der besten Lagen Düsseldorfs, ein Anwesen in den Bergen oberhalb eines der schönsten Skigebiete Österreichs, einen eigenen Hubschrauber, den er selbst flog, seit er vor acht Jahren die Lizenz erworben hatte, und ein Liebesverhältnis mit einer fünfundzwanzig Jahre jüngeren Frau, das so lange völlig unproblematisch für ihn war, solange er sie mehr mit seiner finanziellen Großzügigkeit als mit seiner Warmherzigkeit bediente. Das lag ihm auch näher, denn warmherzig war er nicht. Helmut Sikorra brauchte keine Zuneigung, und er verbreitete auch keine Wärme.

      Seine Frau hatte ihr Leben lang darunter gelitten, dass er sich für sie nur am Rande interessierte, und seine beiden Töchter machten sich bald nach dem Abitur aus dem Staub. Eine studierte an der Sorbonne in Paris, die andere lebte im Sommer an der Cote d`Azur und im Winter in St. Moritz. Keiner wusste so recht, womit sie ihr Geld verdiente. Es hieß, sie sei eine erfolgreiche Geschäftsfrau.

      Helmut Sikorra war viel unterwegs gewesen. Es hatte ihn nicht gestört, wenn er wochenlang von seiner Familie nichts hörte. Er ging auf eine Geschäftsreise und kam irgendwann wieder zurück. Anfangs hatte seine Frau ihn noch gefragt, wann er denn voraussichtlich wieder zurück wäre. Als er darauf unbestimmt antwortete und sich nie an einen möglichen Termin hielt, wurde ihr klar, dass er ihr nicht sagen wollte, wann er wieder zurück sein würde. Helmut Sikorra hielt dieses Verhalten für einen Teil seiner persönlichen Freiheit.

      Jetzt, nach seiner Pensionierung, wenn er auf der Terrasse stand und über den Rhein den Glocken zuhörte, kamen ihm manchmal Zweifel, er könnte vielleicht auf einen wesentlichen Teil seines Lebens leichtfertig verzichtet haben. Meistens schüttelte er sich dann, so als wollte er diesen Anflug von Sentimentalität abschütteln. Er hasste diese Gefühle. Sie waren für ihn ein Zeichen von Schwäche, und wenn Helmut Sikorra etwas hasste, dann war es Schwäche. Sein Leben lang hatte er sich nach oben geboxt. Dazu bedurfte es neben geistiger Flexibilität und eloquentem Umgang Disziplin und erbarmungsloser Härte. Sikorra glaubte daran. Sein Leben lang folgte er dieser Überzeugung, denn nach seiner Vorstellung konnte man ohne diese Eigenschaften keine Karriere machen.

      Erst im Alter, in der Ruhe, abseits von Erfolgsstreben, Machtausdehnung und Argwohn gegenüber potentiellen Wettbewerbern, denen er dieselben rüden Methoden unterstellte, überkamen ihn schon mal Zweifel. Meistens geschah dies, wenn ihm ohne irgendeinen besonderen Anlass Geschehnisse einfielen, die er schon längst verdrängt hatte. Dann konnte es auch schon einmal vorkommen, dass er Mitleid für seine Frau empfand.

      Für Frau Sikorra entwickelte sich das Leben mit Helmut Sikorra zu einer Qual. Sie hatte Helmut einmal sehr geliebt. Sie mochte seine direkte Art, seinen Humor, seine lebensbejahende Fröhlichkeit, und sie bewunderte sein Durchsetzungsvermögen. Es gab nie eine Situation, in der sie Angst hatte, wenn er in ihrer Nähe war; aber im Laufe der Jahre ihrer Ehe änderte sich ihre Einstellung zu ihm. Er vernachlässigte sie immer mehr, und das merkte sie.

      Sie suchte nach einem Ausgleich, wenn er unterwegs war, und das kam immer häufiger vor. Ein guter Freund half ihr, wieder als Fotografin zu arbeiten, und sie war recht erfolgreich. Sie richtete sich ein Atelier ein. Geld war vorhanden, und Helmut war nicht geizig, doch alle Bemühungen, ihn für ihre Arbeit zu interessieren, blieben erfolglos. Helmut Sikorra lehnte sie und ihre Leistungen nicht ab. Es war für sie schlimmer. Er ignorierte sie einfach.

      Helmut Sikorra war nach der Fusion der MicroData mit der Global Technologies zum Vorstand der neuen United Technologies aufgestiegen, einem international tätigen Technologiekonzern. Dieser Job forderte ihn und erforderte seine gesamte Aufmerksamkeit. Es kam für sie auch nicht überraschend, dass er ihr eines Tages eröffnete, auszuziehen, und eine Wohnung in Düsseldorf zu nehmen. Sie nahm das zur Kenntnis. Was blieb ihr auch anderes übrig, doch insgeheim litt sie sehr darunter, dass ihre Ehe gescheitert war. Immer öfter tröstete sie sich mit Alkohol. Sikorra blieb dies nicht verborgen, doch je mehr sie trank desto mehr stieß sie ihn ab, und desto weiter entfernte er sich von ihr. Als dann die Töchter das Haus in Bad Homburg verließen, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch und verbrachte mehrere Wochen in der Klinik.

      Nach ihrer Entlassung arbeitete sie eine Zeit lang als freie Fotoreporterin. Dies wurde ihr aber nach einer Weile zu uninteressant. Sie wollte nicht länger auf den Schuss eines Fotos warten, das es auf die Titelseiten der internationalen Magazine schaffte und sie mit einem Schlag berühmt machen würde. Ein solches Foto könnte sie über Nacht wohlhabend machen und ihr damit die finanzielle Unabhängigkeit von ihrem Ehemann bringen, doch sie gab diese Art von Fotografie auf und wurde wieder künstlerisch tätig.

      Ihre Arbeit lenkte sie von ihren Sorgen ab, und ein Jugendfreund bestärkte sie in ihrem Schaffen.

      Zwei Jahre später bekam sie ihre erste Fotoausstellung. In ihrer ersten Freude schickte sie Helmut eine Einladung.

      Am Tag der Eröffnung war sie sehr nervös. Ihre Gedanken kreisten darum, ob Helmut käme. Sie hoffte darauf, denn die öffentliche Anerkennung war ihr nicht so wichtig wie die persönliche Meinung ihres Mannes. Die Ausstellung war ein Riesenerfolg. Die Presse überschlug sich in ihrem Lob. Sie wurde gefeiert; aber Helmut war nicht gekommen.

      Noch in der Nacht ihres bis dahin größten Erfolges und zugleich auch ihrer schlimmsten Enttäuschung entschloss sie sich, neu anzufangen. Als sie die Scheidung einreichte, akzeptierte er ausdruckslos ihre Bedingungen. Wahrscheinlich hatte er mit größeren finanziellen Forderungen gerechnet, doch für so etwas war sie sich zu schade. Und sie brauchte seine finanzielle Unterstützung bald auch nicht mehr. Sie hatte sich von ihm abgenabelt; in jeder Beziehung.

      Helmut Sikorra trank einen Espresso. Alte Geschichten fielen ihm wieder ein. Vor allem dachte er an die Menschen aus seiner Zeit bei MicroData. Damals, vor mehr als zwanzig Jahren, noch lange vor der Fusion, als sie noch alle zusammen bei der MicroData waren, hatten sie eine sehr erfolgreiche Zeit gehabt. Und eine sehr schöne. Sie waren alle Direktoren und hatten die Welt unter sich aufgeteilt.

      Herbert Rensing war zuständig für Deutschland, Österreich und die Schweiz, sowie für Osteuropa.

      Reinhard Saatkampf für Mittel- und Südamerika,

      Siegmund Wittenberg kümmerte sich um Frankreich, Be Ne Lux und Südeuropa sowie Südafrika.

      Der Schwede Lennart Jonsson verantwortete Skandinavien, Finnland, United Kingdom, Kanada und die USA.

      Sein eigener Verantwortungsbereich umfasste den mittleren Osten, Südostasien, China, Japan, Australien und Russland.

      Mit von der Partie war noch Dr. Viktor Theißen, der Leiter der Entwicklung.

      »War eine geile Zeit«, dachte er, ich sollte die Jungs mal wieder einladen. Vielleicht auf die Hütte. So wie früher, als wir dort immer die Jahresplanung gemacht haben.

      Innsbruck

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