Wie der kleine Muck erwachsen wurde. Andreas A.F. Tröbs

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Wie der kleine Muck erwachsen wurde - Andreas A.F. Tröbs

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atmete stoßweise, keuchend, hustete heftig und kam schließlich zu sich. Er prustete jede Menge Sand aus dem Mund, hustete noch immer heftig und musste fortwährend niesen. Dabei schoss ihn das Wasser aus den Augen und bildete zwei kleine Sturzbäche, die über die Wangen liefen, aber bald im Sand auf diesen Wangen versiegten. Er wischte sich die Augen, schüttelte, klopfte und nestelte an sich herum, erblickte seine Befreier und lachte endlich: „So sehen also meine Retter aus? Ohne euch wäre ich jetzt schon bei Allah!“ Sie lachten gemeinsam laut und befreit, und die Jungen begriffen, dass sie eben ein Menschenleben gerettet hatten. Mukhtar rief spitzbübisch: „Bei Allah soll es doch auch nicht schlecht sein; schließlich wohnt der im Paradies, und dort ist es allemal besser als in der Wüste!“ Arif und Achmed schauten ihren kessen Altersgenossen kritisch von der Seite an, aber der Fremde hatte verstanden und erklärte: „Da wirst du wohl recht haben, mein buckliger Freund, aber meine Zeit fürs Paradies scheint noch nicht gekommen!“ Er lachte erneut und fuhr fort: „Aber lasst mich euch erst einmal vorstellen: Ich bin Mustafa N’Atter, der Schlangenbeschwörer. Dort drüben steht mein Korb, gefüllt mit den giftigsten Schlangen der Wüste, und hier in meinem Gürtel steckt meine magische Schlangenflöte. Sie ist zwar noch etwas sandig, aber ich will ihr die richtigen Flötentöne schon wieder beibringen.“

      „Au, da hatte ich ja richtig Glück, dass sich dein Schlangenkorb nicht öffnen ließ!“ erschreckte sich Mukhtar. „Vielleicht war es auch die Vorsehung?“, mutmaßte Mustafa. „Aber jetzt mal im Ernst: Mein Schlangenkorb besitzt einen geheimen Mechanismus, den keiner außer mir kennt und öffnen kann.“ Der Schlangenbeschwörer lachte, wurde aber schnell wieder ernst und tätschelte den Jungen die Wangen, die sich daraufhin fragend ansahen. „Habt tausend Dank! Ihr habt mir das Leben gerettet, und ich werde nun ewig in eurer Schuld stehen!“ Er unterstrich seine Worte mit einer tiefen Verbeugung. Dann plapperte er weiter munter drauflos. „Was glaubt ihr, wie schnell das ging? Von einem Kameltritt zum nächsten: buff! Und weg! Nur meine Schlangen und ich konnten sich gerade so retten, mein Kamel versank unter mir wie im Gelben Meer!“ Er deutete auf einen überwehten Sandtrichter hinter sich und fuhr fort: „In diesem Krater da steckt es, mein Kamel und Reisegefährte! Da nutzt es auch nichts, dass mir die Agentur „RENT A CAMEL“ das Kamel als Mittelklassekamel mit geregeltem Kat, hohen Reisequalitäten und günstigem Verbrauch angepriesen hat. Nun hat es alle seine Qualitäten mit in sein sandiges Grab genommen. Wenn das die Leute von „RENT A CAMEL“ gewusst hätten! Aber sie werden es erfahren, wenn ich diesen Verlust anzeige und trotzdem noch Schmerzensgeld und meinen entgangenen Gewinn einklage. Das wird nicht so einfach werden. Bei aller Tragik, da müssen die einfach durch! Ich trage keine Schuld! Ein typischer Fall von höherer Gewalt. Und da sich Allah, dem es in seiner unendlichen Güte gefiel, mir diesen Sandsturm zu schicken, nicht verklagen lässt …“ Er nickte wie zur Bekräftigung seiner Worte, dass der Sand nur so aus dem Turban rieselte, und fuhr redselig fort: „… wird mich RENT A CAMEL wohl schadlos halten müssen, außerdem habe ich euch als Zeugen, wenn es hart auf hart kommt.“

      Mustafa N’Atter kratzte sich den Kopf und plapperte weiter: „Aber, wir reden hier über den schnöden Mammon, und das arme Tier wird wohl schon im Kamelhimmel sein, so es einen gibt. So schnell kann es gehen! Aber meine Schlangen, die natürlich auch versichert sind, sind glücklicherweise gerettet, Allah und euch sei Dank!“ Mustafa N’Atter erzählte mit allem, was er besaß, mit Händen, Füßen, Ohren und mit kugelrunden Kinderaugen, eben mit allem, was man am menschlichen Körper so bewegen, verstellen oder verändern kann und natürlich auch mit dem Mund, aus dem es sprudelte wie aus einem der Brunnen in der Oase. Seine Kinderaugen schienen etwas im Widerspruch zu seiner hochgewachsenen Erscheinung zu stehen, jedoch zerstörten sie bei Mukhtar und seinen Freunden nicht den Eindruck, einen sympathischen Zeitgenossen gerettet zu haben.

      „Eigentlich war ich auf dem Weg zum Sultanspalast, um dem Sultan dort meine Referenz zu erweisen und meine Schlangenkünste vorzuführen. Aber, wie war es wieder einmal? Entweder mein Kamel war ein Trampeltier und hat versagt, oder die dreimal verwünschte GPS-Bord-Navigation, die in dem Sattelzeug raffiniert integriert war, hat ihren Geist und damit ihren Dienst aufgegeben. Plötzlich schien dieses Hightech-Gerät kein „Kamelisch“ mehr zu verstehen. Ich habe sämtliche kamelische Dialekte programmiert, geschaltet, gedrückt, getan und gemacht, um an mein Ziel zu gelangen. Nichts, das Tier reagierte nicht! Da nützte es auch nichts, zwischen den beiden Airbags so sicher wie in Allahs Schoß zu sitzen. Bei allem, was mir heilig ist: Ich habe alles versucht, mit der Navigation klar zu kommen! Ich habe wirklich alles versucht: wie ein Blöder gekurbelt, getan und gemacht! Am Ende verlor ich in diesem allgemeinen Tohuwabohu auch noch meinen Sextanten, der auf jedem Wüstenschiff unverzichtbar ist, und alles schien direkt beim Scheitan!“ Er kraulte sich den Bart, räusperte sich laut und begann zur Verwunderung der Freunde einen Monolog, wobei seine Augen starr und seltsam entrückt blickten: „Sagte der Typ von „RENT A CAMEL“ nicht, dass er zwei seiner besten Kamele zur freien Auswahl hätte? Ich machte mir noch einen Spaß draus und erklärte, dass ein Kamel vollkommen ausreichend sei. Daraufhin legte der Verleiher die Stirn in Falten und erklärte, dass das Kamelpaar noch einen kleinen Haken hätte. Als ich ihn fragte, warum, erklärte er, dass die Kamele schwul seien und Dromme und Dar hießen und eigentlich untrennbar wären. Diese Tatsache ließ mich zuerst aufhorchen und dann nachdenklich werden. Sollte ich nun deswegen mit zwei statt mit einem Kamel reisen? Soweit käme das noch! Zwar wäre der Preis günstig, der Agent sprach in diesem Fall von einem ersprießlichen Doppelpack-Preis, aber, da ich die Wasserpreise an den Zapfstellen der Wüste kenne, schlug ich die Warnung des Verleihers in den Wüstenwind, nahm das Kamel Dromme, schwang mich drauf und versuchte mich zielgerichtet auf meine Reise zu begeben. Aber: Was musste ich zu meinem Erschrecken schon nach kurzer Zeit feststellen?“

      Die Jungen starrten Mustafa wie den Mann aus dem Mond an, zuckten ratlos mit den Schultern und hingen an seinen Lippen. „Na, dass diese Warnung nicht aus der Luft gegriffen, sondern gerechtfertigt war! Dromme, das Kamel, lief nicht los, sondern bockte nach allen Regeln der Kunst. Bald schien es mir, ich säße auf keinem komfortablen Kamel, sondern auf einem störrischen Esel. Jedoch, weil Großmut mein zweiter Vorname ist, ließ ich dem Tier zahlreiche Liebkosungen angedeihen und es begann sich dann auch wirklich langsam in Bewegung zu setzen. Als ich aber zufällig meine pinkfarbene Decke hervorholte, um mich damit gegen die Ungemache der Wüste zu schützen, begann es plötzlich, allein Allah war mein Zeuge und weiß warum, wie ein Wüstenhase zu sprinten. Ich sah zwar noch das Schild mit der Dreißig drauf, konnte das Tier aber nicht mehr abbremsen. Dem grellen Blitz folgte ein Officer der Wüstenpatrouille, der hinter dem einzigen Stein der gesamten Strecke hockte. Normalerweise versuche ich immer gesetzeskonform zu leben, aber mit diesem Viech? Der Officer war natürlich sauer, weil ihm das Kamel nicht nur die Show gestohlen, sondern ihn auch noch mächtig mit Sand beworfen hatte. Er strich sich pikiert über die Uniform und stellte empört fest: ‚Das hast du extra gemacht!’

      "Ich schwieg weise und gab den reumütigen Verkehrssünder. Ob das was geholfen hat, kann ich nicht sagen. Eins ist sicher: Der hat mein Foto und ich kann mich auf eine Vorladung wegen überhöhter Geschwindigkeit in einer 30er-Zone und eine saftige Klage wegen ‚Besudelung im Dienst’ besonders freuen. Aber nun ist mir das auch egal! Jetzt mal was andres. Habt ihr schon mal die neuen Uniformen von diesen Sheriffs gesehen? Dieses Leder, das sich wie eine zweite Haut über diese muskulösen Körper schmiegt! Dann diese extreme Passung der Beinkleider! Dieser besondere Schnitt des Turbans! Und dann, ja dann, diese verspiegelten Sonnenbrillen! Da bleibt einem fast der Atem weg! Das nenne ich eine Dienstkleidung, die endlich auch mal dem Bürger gefällt!“

      Die Freunde schauten Mustafa mit Kopfschütteln, Staunen und offenen Mündern an. „Glaubt ja nicht, dass das alles war!“, ereiferte sich der Schlangenbändiger, der plötzlich wie aus einem Traum erwachte. „Denn nun kamen Dromme und ich, immer noch in diesem Affentempo, zur Mautstelle, die als extra Geldquelle für den Sultan an jeder Grenze Maons steht. Bei Allah! Ich kenne wirklich alle Tricks und Kniffe und bin ein erfahrener Reiter, aber das Tier kam erst hinter der Mautstelle zum Stehen. Es durchbrach die Schranke mit einem furchtbar lauten Getöse, und ich bekam nicht nur Sand und Holz zu fressen, sondern noch jede Menge Stress

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