Wie der kleine Muck erwachsen wurde. Andreas A.F. Tröbs

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wie der kleine Muck erwachsen wurde - Andreas A.F. Tröbs страница 7

Wie der kleine Muck erwachsen wurde - Andreas A.F. Tröbs

Скачать книгу

bereits geschilderte GPS-Panne und gleich darauf brach dieser vermaledeite Sandsturm los, der mich vollends von meinem rechten Weg abbrachte. Übrigens: Glaubt ja nicht, dass sich in solchen schlimmen Notfällen irgendwo eine Notrufsäule findet! Denkste! Kein Gedanke an Hilfe! Schon gar nicht von der viel gepriesenen Wüstenpatrouille! Schnieke Uniform haben die ja und blitzen können die wie die Teufel, aber wenn man die wirklich mal braucht … Nichts, weder ein Heli noch ein Offroader oder sonst was. Von den bereits erwähnten Beamten, diesen Wüsten-Models, ganz zu schweigen, da ließ sich nichts und niemand sehen!“ Er spuckte verächtlich in den Sand und wiederholte: „Wenn man die Typen in ihrem Lederdressing (oder wie das Zeug heißt) und ihren hohen, blanken Springerstiefeln schon mal braucht! Shit!“ Er überlegte, so als ob er nichts vergessen wollte zu erzählen, bewegte beide Arme plötzlich von oben nach unten und schwadronierte weiter: „Dann tat sich, wie schon gesagt, der Boden auf und es ging direkt in diese Treibsandfalle. So, als ob ich sie als Zielpunkt eingegeben und ausgewählt hätte. Wer weiß: Vielleicht hatten sich die Koordinaten auch soweit verstellt, dass es doch der Zielpunkt war? Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß überhaupt nichts mehr. Ich wünsche mir nur noch, dass Allah diesen abscheulichen Sandsturm mit einer großen Windstille strafen möge! Weiter weiß ich, dass mir so ein Ungemach nicht noch mal unterkommen wird. Nie wieder GPS oder ein schwules Kamel – bei Allah! Beim nächsten Sandsturm verlasse ich mich nur noch auf meinen gesunden Menschenverstand und bewege mich keinen Zoll mehr vom Fleck! Bei Allah, das ist eine Lektion, die ich gelernt habe!“

      Er schwieg einen kurzen Augenblick und erzählte munter weiter: „Ach, ich bin ja so froh, dass ihr mich aus dieser Misere gerettet habt und ich noch lebe. Zur Belohnung werde ich euch und den Bewohnern eures Dorfes heute Abend ein kleines Schlangensondergastspiel geben …“ Er endete abrupt, so als sei ihm plötzlich etwas eingefallen. Er schaute plötzlich nach seinem Korb und lief ohne ein weiteres Wort eilig hin. Achmed blickte dem Schlangenbändiger kopfschüttelnd nach, grinste die beiden Altersgenossen an und flüsterte: „Ich wusste noch gar nicht, dass SCHWUL eine ansteckende Krankheit ist!“ „Schwul sein, das ist doch keine ansteckende Krankheit! Entweder man ist schwul oder man ist es nicht!“ Achmed achtete nicht auf Mukhtars Worte und stichelte weiter: „Was glaubt ihr, wer von den beiden diese Krankheit zuerst besaß?“ Achmed schaute provozierend in die Runde. „Ich glaube, da haben sich zwei getroffen, die beide stockschwul sind und darum auch prima zusammengepasst haben!“, erklärte Arif altklug.

      „Ist doch eigentlich auch egal. Fakt ist, dass ihn die pinkfarbene Decke und die Geschichte mit dem Bullen verraten haben! Wie da seine Augen geleuchtet haben! Jetzt wissen wir, was das für einer ist! Aber“, er kicherte leise, „sich über ein schwules Kamel entrüsten! An die Story mit dem GPS glaube ich jedenfalls nicht!“, ereiferte sich Achmed. „Da hat er ganz schön dick auftragen! Oder hast du schon jemals davon gehört, dass ein Navigationssystem kein Kamelisch versteht?“ Die Jungen schüttelten stumm die Köpfe und beobachteten Mustafa, wie er eifrig seinen Schlangenkorb nach Beschädigungen untersuchte. Er machte schließlich ein zufriedenes Gesicht, schulterte den Korb und lief, mit der freien Hand heftig gestikulierend, zurück zu den Jungen.

      Der besondere Lohn

      Achmed hatte als erster sein Wettbüro errichtet. „Endlich kann ich auch mal das große Geld machen!“, freute er sich, und die Dorfbewohner stauten sich bereits vor seinem Schalter, als Hassan Ibn Odd Set, der Dorfälteste, erschien. „Seit wann darf denn ein Kind oder Jugendlicher ein Wettbüro leiten? Das ist doch erst ab dem 18. Lebensjahr gestattet!“ Er schnaubte wie ein wütender Stier und befahl dem Jungen ungehalten und ungeduldig, diesen Platz zu räumen. „Aber im Reglement steht keine Altersbegrenzung, von wegen ab 18 Jahren! Jedenfalls ist mir da nichts bekannt! Und außerdem habe ich Mustafa N’Atter das Leben gerettet! Ich war der Erste!“, versuchte Achmed zaghaft, dem Dorfältesten zu widersprechen.

      Hassan Ibn Odd Set schien jedes Mittel recht, Achmed von diesem Platz zu vertreiben, von dem er, der Dorfälteste, ahnte, dass er zur Goldgrube werden könnte. So griff er zu dem letzten Mittel, das ihm zur Verfügung stand und rief mit zorngerötetem Gesicht: „Ha, ha, Leben gerettet! Nun gut, jetzt empfehle ich dir aber, dein eigenes Leben zu retten!“ Er zückte seine neunschwänzige Katze und peitschte den Jungen, der vor Schmerzen laut aufschrie, aus dem Wettbüro, dann nahm er selbst, mit dem freundlichsten Gesicht der Welt, ganz so, als sei überhaupt nichts geschehen, den Platz hinter dem Wettschalter ein. Der Dorfälteste wusste, dass die Wetten so günstig wie noch nie standen. Die Bewohner des Dorfes kannten keine Schlangenbeschwörer. Sie hatten so einen fragwürdigen Menschen noch nie im Leben zu Gesicht bekommen. Sie wussten zwar um die Gefährlichkeit der Reptilien, aber sie kannten weder die Tricks noch die Kniffe eines Schlangenbeschwörers und schon gar nicht dessen magische Flöte, mit der er die Schlangen im Zaume und bei Laune hielt. Aber er, Hassan Ibn Odd Set, der kluge Dorfälteste, kannte diese Kniffs. Er kannte sie alle. Still lächelte er in sich hinein. Er würde als einziger auf Mustafa N’Atter als Sieger setzen, da war er sich sicher. Er hatte nämlich sehr schnell, klug und knallhart kalkuliert. Wenn Mustafa N’Atter wider Erwarten doch gebissen werden würde – halb so wild! Er, Hassan Ibn Odd Set, würde es schaffen, eine zweite Wette zu erfinden, dieses Mal nicht eine Wette auf Leben oder Tod des Schlangenbändigers, sondern eines Zuschauers. So würden unter Umständen gleich zwei Wettverhältnisse entstehen, die ihn, Hassan Ibn Odd Set, den Dorfältesten, in jedem Fall begünstigen und reich machen würden. Er würde gewinnen, in jedem Fall gewinnen. Dieser Gedanke wärmte ihm das Herz, sodass er vor lauter Freude fast wie einer der frechen Dorfjungen gehüpft wäre. Er war der Klügste, die anderen dumm und einfältig. Glaubte er. Diese einfachen Wüstenmenschen besaßen nicht seinen Scharfsinn, seine Schläue oder gar seine Hinterlist. Sie glaubten nur das, was sie sahen oder wussten, und das hielt er für sein Kapital.

      Achmed rieb sich die schmerzenden Gliedmaßen, sagte aber trotzdem träumerisch: „Ach, es wäre doch zu schön gewesen, aber der Dorfälteste …“, seine Stirn verfinsterte sich, er ballte die Faust und schaute hasserfüllt in Richtung des Wettbüros, „…wird seine Strafe auch noch bekommen!“ Dann drehte er sich brüsk ab und erklärte gleichmütig: „Wisst ihr was, ich habe keinen Bock mehr auf Schlangen und schon gar nicht auf Wetten! Aber, was könnten wir stattdessen nur anfangen?“ In diesem Augenblick ging ein Raunen durch die Menge. Hassan Ibn Odd Set hatte eben seinen letzten Wettkandidaten bedient, sein Wettbüro geschlossen und das Zeichen zum Beginn der Vorstellung gegeben. Mustafa N’Atter stand vor seinem Schlangenkorb, hob beschwörend beide Arme, ließ dann schnell einen Arm sinken, der streifte nur den Deckel und dieser sprang wie durch Zauberhand auf. Asad, der gleich neben Achmed stand und für jeden Streich zu haben war, flüsterte ihm ins Ohr: „Wir könnten doch heimlich die Schlangen vom Schlangenbeschwörer freilassen!“ Da erschallte eine anrührende und wehmütige Melodie, die alle gleichermaßen erfasste und verstummen ließ. Die Melodie kam aus Mustafa N’Atters magischer Flöte, und eine Königskobra, die sich plötzlich aus dem Korb erhob, ließ allen den Atem stocken. Die Schlange, die sofort ihre typische Drohhaltung mit dem gespreizten Halsschild zeigte, die Schlange, die Mustafa N’Atter im Schneidersitz vor seinem Korb sitzend mit dieser bezaubernden Melodie entzückte, diese Schlange wand und wogte sich immer weiter aus dem Korb empor. Das sah wie ein betörender Tanz aus. Die gesamte Zuschauerschar, die dieses Schauspiel andächtig verfolgte, schaukelte plötzlich genau wie die Schlange und ihr Bändiger, wie in einer vorübergehenden Bewusstseinstrübung, nach den Klängen der sonderbaren Melodie hin und her. Sie schienen alle wie verzaubert von den Künsten Mustafas und schauten mit geweiteten, sensationslüsternen Augen dem geschmeidigen Tanz der Schlange zu. Wann würde sie zustoßen und dem Schauspiel ein jähes Ende bereiten? Gäbe es ein Opfer? Wenn ja: Würde es den Schlangenbiss überleben? Doch die Schlange, die sich wie im Rausch bewegte, dachte nicht an Angriff, sondern nur an Tanz, den sie von den rhythmischen Bewegungen ihres Herrn und Meisters kopierte.

      Mustafa N’Atter hatte zu Beginn der Veranstaltung erklärt, dass die Schlangen durch den Sandsturm und die Wärme etwas gereizt seien und es keine lauten Geräusche seitens des Publikums oder sonstwoher geben dürfe, da er sonst für nichts garantieren könne. Jedoch Hassan

Скачать книгу