Die Probanden. Michael Bardon

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Die Probanden - Michael Bardon

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zu verlieren? Schlimmer geht’s wohl nimmer …«

      -4-

      Während die Welt um sie herum im Schneegestöber zu ersticken droht, genießen die sechs Neuankömmlinge die mollige Wärme des frisch geschürten Kamins. In der alten, gemütlichen Gaststube des Hölzle-Hofs riecht es nach geräuchertem Speck, verbrannten Kiefernadeln und den aromatischen Zutaten eines guten Jagertees. Die Einrichtung ist rustikal gehalten, was die gemütliche Atmosphäre aber noch verstärkt.

      Steffen sitzt mit halb geschlossenen Augenlidern gegen den Kachelofen gelehnt; er genießt die wohltuende Wärme, während er fasziniert aus dem Fenster blickt. Der ohnehin schon dichte Schneefall hat sich zu einem wahren Inferno gesteigert, das alles zu verschlingen scheint, was sich ihm in den Weg stellt. Er hört das Jaulen des Windes, hört, wie sich das alte Bauernhaus knarzend gegen den Sturm stemmt. Entfesselte Naturgewalten, wild und feindselig, die er so noch nie erleben durfte.

      Seine Gedanken schweifen ab. Er denkt an den kleinen Unfall und an die Angst, die er für einen kurzen Moment im Schneegestöber verspürt hat: als der Mann auftauchte und auf sie zugelaufen kam. Wie kindisch, denkt er und schallt sich selbst einen Narren. Ein bisschen Schnee, ein bisschen Kälte und du machst dir bei der ersten Gelegenheit fast in die Hosen. Gott, ist das armselig …

      Egal! Schwamm drüber. Jetzt hatten sie es ja geschafft. Sie waren der Kälte und dem Sturm entkommen und genossen die Wärme und die Sicherheit des alten Bauernhauses. Ihre beiden Autos parkten in der Scheune und für die Nacht würden sie in den oberen Stockwerken Quartier beziehen.

      Aus dem hinteren Teil der Gaststube hört er das laute Johlen seiner Freunde. Sie spielen Karten. Räuber-Rommé. Eine abgewandelte Form des normalen Rommés. Es geht hoch her am Tisch. Die fünf Freunde lachen, schimpfen und necken sich gegenseitig. Steffens Blick wandert durch die Gaststube und saugt sich für einen kurzen Augenblick an seiner Frau fest. Süß sieht sie aus, mit ihren schulterlangen braunen Locken, der kessen Nase und den haselnussbraunen Augen, die so sanft und verständnisvoll in die Welt blicken. Sein Blick wandert weiter, bleibt bei der blonden Jenny hängen. Kurzhaarfrisur. Stahlblaue Augen. Eine schwarze Brille beherrscht das ovale Gesicht mit den vollen Lippen. Eigentlich findet er Brillen bei Frauen ja nicht sexy. Doch Jenny wirkt gerade wegen ihrer Brille sehr charismatisch. Das schwarze Gestell verleiht Jenny, die eigentlich Jennifer heißt, das gewisse Etwas. Gerade die Brille machte sie – von ihrer perfekten Figur einmal abgesehen – für die balzende Spezies höchst attraktiv. Das kann noch sehr unterhaltsam werden, wenn Simon seine Charme-Offensive auf Jenny startet, denkt Steffen, während er sich wohlig gegen den Kachelofen drängt. Sein Blick schweift weiter und heftet sich an Luisa.

      Luisa ist Friseurmeisterin und wechselt ihr Aussehen wie andere Frauen ihre Garderobe. Vor ein paar Wochen noch hatte sie ihre Haare in einem satten Blauton gefärbt. Den lösten schwarze Extensions ab, eine neue Art der Haarverlängerung. Und jetzt hat sie lockige blutrote Haare, die zu einem Seitenscheitel fallen. Auch das steht ihr gut, findet Steffen.

      Die Tür der kleinen Gaststube wird geöffnet und Vroni – ein seltsamer Name! –, betritt den Raum. Sie ist die Tochter des Hölzle-Bauers und hat ihnen versprochen, sich um ihr leibliches Wohl zu kümmern. Mit ihren kräftigen Händen trägt sie ein Tablett, auf dem dampfende Teller mit Schweinsbraten und Semmelknödeln stehen. »Habt’s Hunger?«, fragt sie lachend, während sie das Serviertablett mitten auf dem Tisch stellt. »I hob euch ’nen leck’ren Schweinsbraten g’mocht. Macht’s mal en Pausen vom Kartenspül un stärkt’s euch erstma. Auffi geht’s …«, sagt sie, während sie die ersten drei Teller auf dem Tisch verteilt.

      Schlagartig erwacht Steffens Hungergefühl zum Leben. Frischer Schweinsbraten, mit leckerer Soße, Blaukraut und Semmelknödeln. Dafür würde er sich glatt noch einmal die verschneite Pass-Straße hinaufquälen. Vergessen sind die Strapazen. Vergessen sind der Ärger und die Angst. Vor ihnen liegen noch dreizehn wunderbare Urlaubstage, von denen er jeden einzelnen – in vollen Zügen – genießen will.

      -5-

      »Ist ein bunter Haufen, den uns die Lange da herangeschafft hat. Bin gespannt, ob sie unsere Erwartungen auch erfüllen.«

      »Ich mache mir da keinerlei Illusionen. Auf den ersten Blick sehen sie fast alle ganz brauchbar aus, aber sobald es ernst wird, trennt sich die Spreu vom Weizen, ziemlich schnell. Das wird bei diesen Probanden wohl auch nicht anders sein.«

      »Ja, leider. Mit Ausfällen muss man halt immer rechnen. Die wenigsten können der psychischen Belastung lange standhalten.«

      »Wie sollten sie auch. Sie erleben hier eine Grenzerfahrung, die mit dem normalen Leben nur sehr wenig gemein hat. Manchmal frage ich mich wirklich, ob unsere Arbeit überhaupt noch sinnig ist.«

      »Ernsthaft jetzt?«

      »Ja! Hat sich Ihnen diese Frage denn noch nie aufgedrängt?«

      »Wenn ich ehrlich bin … Nein! Noch nie.«

      »Mir schon. All die Pein, all die Verzweiflung. Manchmal tun mir die Probanden wirklich leid. Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, Tim. Ich weiß selbst, dass man im Namen der Forschung Opfer bringen muss. Dennoch frage ich mich in letzter Zeit immer öfter, ob diese Versuchsreihe ethisch überhaupt noch vertretbar ist.«

      »Natürlich ist sie das! Von unseren Ergebnissen profitiert ja nicht nur die Pharmaindustrie. Nein! Denken Sie zum Beispiel an die Polizei-Profiler, die dank unseres Wissens gemeingefährliche Psychopathen aus dem Verkehr ziehen. Oder denken Sie an unsere Geheimdienste oder an das Militär. Psychologische Kriegsführung ist heutzutage ein fester Bestandteil einer gut geführten Armee und fast ebenso wichtig wie ein modernes Waffenarsenal. Nein! Ich denke, dass Ihre Zweifel wirklich unbegründet sind.«

      »Denken Sie?«

      »Ja! Wir sind Wissenschaftler, Forscher, sind Pioniere der modernen Medizin. Wir quälen die Menschen nicht, weil es uns Spaß macht, sondern weil wir für eine bessere, eine sichere Gesellschaft forschen. In ein paar Jahren werden wir hoffentlich in der Lage sein, Psychopathen oder andersartig veranlagte Menschen schon im Ansatz zu erkennen und zu eliminieren. Wir werden ein Leben ohne Hass, Gewalt oder sexuelle Übergriffe führen. Das ist unser Antrieb, das ist doch der Grund, warum die Stiftung diese Versuchsreihe überhaupt ins Leben gerufen hat.«

      »Das sage ich mir ja auch immer wieder. Dennoch … manchmal quälen mich Zweifel und etwas in meinem Inneren scheint gegen diese Art der Forschung aufzubegehren.«

      »Hm …, das klingt jetzt ja fast so, als wollten Sie aus dem Programm aussteigen …«

      »Aussteigen? Ich? Nein, auf keinen Fall. Das hier ist mein Leben. Mein Lebenswerk. Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste, aber solange meine grauen Zellen noch mitspielen, werde ich die Versuchsreihe auch fortführen. Das steht außer Frage.«

      »Dann ist es ja gut. Für einen kleinen Moment dachte ich schon, ich müsste mich nach einem neuen Kollegen umsehen. Sie wissen ja selbst, wie schwierig sich das gestalten würde. Die Forschung ist nicht jedermanns Sache und solch ein Projekt verlangt nach viel Disziplin und noch mehr Verschwiegenheit. Da kann man nicht den Erstbesten nehmen. Hier geht es um Vertrauen, Tüchtigkeit und bedingungslose Loyalität. Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen, das wissen Sie selbst, besser als jeder andere …«

      -6-

      Als

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