Die Probanden. Michael Bardon

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Die Probanden - Michael Bardon

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verflucht. Ich komme mir auf einmal vor, als würde ich auf einem verdammten Friedhof stehen. Zuerst das Gepolter und jetzt diese Stille. Ist irgendwie komisch«, sagt Simon mit nachdenklichem Gesicht.

      »Wo sind eigentlich unsere Frauen abgeblieben?«

      »Keine Ahnung, Ralf. Vor ’ner Minute standen sie noch neben dem Schneemann«, brummt Steffen, während er sich erneut suchend umschaut. Ein lauter Schrei, schrill, hysterisch, verzweifelt, gellt in diesen Augenblick zu ihnen herüber. Steffen spürt, wie sich seine Nackenhaare aufstellen. Er spürt, wie sich das beklemmende Gefühl der Angst schlagartig in seinen Eingeweiden einnistet. Ein weiteres Stakkato von Schreien. Kurz, abgehackt, in wilder, panischer Hast ausgestoßen.

      »Gott, scheiße! Das ist Luisa«, keucht Ralf erschrocken und sprintet aus dem Stand heraus los.

      Steffen steht da wie betäubt. Er weiß im Moment nicht, ob ihn die verdammte Kälte oder der Schreck schockgefroren hat. Eine Hand reißt an seiner winddichten Jacke. Simons Hand.

      »Los, Steffen, komm …«

      Mechanisch setzt er sich in Bewegung, stolpert seinen beiden Freunden einfach hinterher. Wirre Gedankenspiele geistern durch seinen Kopf, während Unmengen von Adrenalin in seine blutleeren Arterien einschießen. Das Adrenalin befeuert ihn, treibt ihn vorwärts und drängt seine aufflammende Angst in sein Unterbewusstsein zurück.

      Himmel, Kirsten!, denkt er, während er plötzlich so schnell läuft, wie er kann. Doch der Schnee ist sein Feind, behindert ihn, macht ihn langsamer als gewohnt. Er rennt am Haupthaus vorbei, rennt am zweistöckigen Taubenschlag vorbei, der mit seinen drei gemauerten Türmchen wie eine kleine Burg aussieht.

      Zwanzig Meter vor ihm jagt Ralf bereits am Kuhstall entlang. Gefolgt von Simon, der ihm dicht auf den Fersen ist.

       Weiter … weiter … lass jetzt nicht nach …

      Er schlittert, er rutscht, er kämpft mit dem Gleichgewicht. Seine Schuhe finden im niedergetrampelten Schnee einfach keinen sicheren Halt.

      Noch immer gellen Luisas Schreie über den Hof; sie vermischen sich mit dem aufgeregten Geblöke einiger Schafe. Seine Beinmuskeln brennen, doch er hastete weiter an der Front des ausgedehnten Kuhstalls entlang. Sein Atem fliegt, seine kalten Füße trommeln im Gleichtakt seiner Beine auf den Boden. Das Atmen fällt ihm schwer. Die eisige Luft lässt seine aufgeblähten Lungenflügel schmerzhaft brennen. Fünfzehn Meter vor ihm rutscht Simon auf einer kleinen vereisten Fläche aus. Erschrocken schreit Simon auf, geht wild mit den Armen rudernd zu Boden. Entsetzen flackert in seinen Augen. Erstaunen, Unglaube und Wut. Es folgt ein lautes Knacken, wie das Bersten eines hölzernen Besenstiels. Dann brüllt Simon schmerzerfüllt auf. »Alles … okay bei dir?«, keucht Steffen, als er wenige Sekunden später an dem Gestürzten vorbeihetzt. Keine Antwort. Nur Simons schmerzerfülltes Gesicht, das zu ihm aufblickt.

      Schneller … schneller … du musst zu Kirsten, denkt Steffen, während er versucht, letzte Kraftreserven zu mobilisieren. Wirre Bilder tanzen vor seinen Augen. Er hat Angst um Kirsten, hat Angst um seine Freunde, hat Angst vor dem, was ihn erwartet.

      Wild schnaufend spurtet er an einem grob verputzten Gebäude entlang. Die Schreie werden nun lauter, deutlicher, intensiver. Die Luft schmeckt auf einmal bitter; sie stinkt nach Salmiak, ranzigem Stroh und Scheiße.

      Schweinestall!, denkt er und biegt in einen schmalen Durchgang ein. Schattige Dunkelheit, kein Sonnenlicht. Der Boden unter seinen Füßen ist plötzlich frei von Schnee. Gefrorener Lehm, knüppelhart und uneben.

      Am Ende des schmalen Durchgangs herrscht gleißende Helligkeit. Er sieht ein paar schemenhafte Gestalten, hört aufgeregte Stimmen und das hysterische Gekreische von Luisa. Seine Schritte werden langsamer; er zögert und stoppt seinen Vorwärtsdrang schließlich ganz. Hinter ihm ein Keuchen. Sein Kumpel Simon hetzt auf ihn zu. Er hat sich wieder aufgerappelt und ist ihm in den schmalen Durchgang gefolgt. »Was ist …?«, presst Simon hervor; er ist genauso außer Atem wie Steffen. Beide starren in die Helligkeit, während sich ihre Pupillen langsam auf Stecknadelgröße zusammenziehen. Erste Bilder pulsieren vor Steffens Augen; sie bahnen sich ihren Weg über den Sehnerv bis ins Zentrum seines Großhirns.

      Strahlend blauer Himmel. Seine Frau, Kirsten, die schützend die Arme um ihren Leib schlingt. Ralf, der wie angewurzelt auf den Boden starrt. Jenny, etwas abseits stehend. Kühl und distanziert durch ihre schwarze Brille blickend. Und Luisa, die mit schreckgeweiteten Augen schrille Schreie ausstößt.

      Unsicher wagt er ein paar Schritte. Hinter ihm drängt nun auch Simon aus dem schmalen Durchgang heraus. Sein Gesicht ist noch immer schmerzverzerrt. Schweißtropfen glitzern auf seiner Stirn, sein Haaransatz glänzt feucht, seine rote Mütze ist seitlich etwas vom Kopf gerutscht.

      Steffen tritt zwei weitere Schritte vor. Sein Sichtfeld erweitert sich. Endlich kann auch er sehen, was seine Freunde so aus der Fassung bringt. Während sein Magen schlagartig zu rebellieren beginnt, brüllt sein Geist erschrocken auf. Er kann nicht glauben, kann einfach nicht begreifen, was er vor sich auf dem Boden sieht. Drei Meter von ihm entfernt liegt eine Frau. Sie ist tot, da gibt es keinen Zweifel. Ihre Kehle wurde aufgeschlitzt, ihr blutbesudelter Körper liegt nackt und starr in einer Schneewehe.

      Die Tote sieht aus wie Vroni, Hölzle-Bauer Josefs freundliche Tochter, die ihnen noch heute Morgen gut gelaunt das Frühstück serviert hat. Steffens Gedanken überschlagen sich, während er neben sich, Simons erschrockenes Aufkeuchen hört.

      Ein Albtraum, denkt er. Das ist bestimmt alles nur ein blöder Albtraum. Du liegst noch immer in deinem Bett und schläfst deinen beschissenen Vollrausch aus. Verfluchter Schnaps! Du träumst diesen Mist nur, wach auf, verdammt, wach doch endlich auf …

      -8-

      Ralf gelingt es als Erstem, sich aus der kollektiven Schockstarre zu befreien. Mit schweren Schritten stapft er durch den tiefen Schnee und verschwindet in einem kleinen, hölzernen Geräteschuppen. Als er wenige Augenblicke später wieder aus der Tür tritt, hält er eine grüne Gewebeplane in den Händen.

      Auch Steffens Verstand erwacht allmählich wieder aus dem schocklindernden Stand-by-Modus. »Wir müssen sofort die Polizei anrufen«, stößt er atemlos hervor und versucht seinen Blick von Vronis Leichnam abzuwenden. Vergebene Liebesmüh. Die Aura des Todes hat eine Anziehungskraft, der er sich einfach nicht entziehen kann. Sie scheint nach ihm zu greifen, scheint mit ihm zu spielen, scheint ihn mit einem Bann – schau mich an, Steffen, schau mich an! – zu belegen. Während er sein eigenes Blut in den Ohren pulsieren hört, beobachtet er, leicht irritiert, dass das Blut der Toten bereits zu gerinnen beginnt.

      Wahrscheinlich wegen der Kälte und des Schnees, denkt er. Ja so muss es sein! Durch den Frost gerinnt das Blut viel schneller als üblich.

      »Gott, die arme Vroni! Was für ein Monster tut so etwas?«, wispert Kirsten. Entsetzen schwingt in ihrer Stimme. Aber auch Angst, Abscheu und Verzweiflung begleiten ihre gehauchten Worte.

      Eine gute Frage, denkt Steffen, während in ihm die Erkenntnis keimt, dass die Tote sich die grässliche Schnittwunde unmöglich selbst zugefügt haben kann. Verstohlen blickt er sich um – und sieht Dutzende von Versteckmöglichkeiten, in die sich der Mörder zurückgezogen haben kann. Großer Gott, was für ein Albtraum …

      »Wo … wo ist eigentlich Josef«, fragt Simon. Er schaut sich um, formt mit den Händen einen Trichter, vor dem Mund. »Josef … Josef … Joseeef …«

      »Halt

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