Franzi und die Ponys - Band V. Eike Ruckenbrod
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„Nichts zu sehen, wir können kurz rasten.“
Erleichtert hauchte Franzi: „Danke“, und streichelte das erschöpfte Tier.
Jamil nickte ihr zu, spannte ein Segel auf und befestigte es mit Pflöcken im Sand. So hatten sie und das Pony Schatten.
„Wohin reiten wir eigentlich?“, fragte sie, als er fertig war.
„Zu Freunden.“
„Sind wir dort in Sicherheit?“
„Ja, und nur dort sind wir sicher. Die Schwarzen kennen unser Versteck nicht.“
„Ist es noch weit?“
„Zwei Tage.“
Franzi schluckte entsetzt. „Zwei Tage? Wie sollen wir das schaffen?“
„Wir binden deinem Pony ein Tuch um den Kopf, damit es nicht so unter der Sonne leidet und du reitest bei mir mit. Wir machen öfter eine Pause, dann werden wir sehen, ob wir lebend ankommen.“
In diesem Moment wurde Franzi klar, wie ernst die Situation und wie hinderlich Svartur war. Aber sie konnte ihn doch nicht einfach im Stich lassen - ihren treuen Partner. Sie dachte laut nach:
„Weißt du, wenn wir Holzscheiben hätten, die könnten wir ihm unten an die Hufe binden, damit er nicht so einsinkt. Schau dir mal die Füße von Lahthan an! Durch die große Auflagefläche versinkt er nicht so weit wie Merlin, obwohl er viel schwerer ist.“ Jamil nickte bewundernd. „Du hast recht. Ich überlege mir, was wir nehmen könnten, um ihm das Laufen zu erleichtern.“ Der Beduine stand auf und wühlte in den großen Lastenkörben, die das Kamel trug. Er holte vier Korbgeflechte heraus und drehte sie in den Händen. „Vielleicht funktioniert es auch mit denen. Die sind sehr stabil und eng geflochten.“
„Wie willst du sie befestigen?“, fragte Franzi vage.
„Mit Tüchern, ich habe genug davon dabei. Wir wollten sie eigentlich verkaufen.“
„Wenn ich Geld hätte, würde ich dir alle abkaufen.“
Jamil sah Franzi an. Seine Augen lächelten. Sie blickte beschämt zur Seite. Der Beduine stand auf, stellte Svarturs Huf in das Geflecht und umwickelte alles mit einem Tuch. Es sah witzig aus, als hätte Svartur einen Klumpfuß. Der Rappe stand ganz still, als wüsste er, dass der Junge ihm helfen wollte. Franzi half ihm und bald konnten sie die ersten Probeschritte testen. Das Pony stakste steif und unsicher mit den Körben durch den Sand. Ein Bild für Götter: ein Isländer mitten in der Wüste mit einem weißen Kopftuch, aus dem seine plüschigen Ohren herausragten, und vier umwickelten Körben an den Hufen.
Aber seine Hufe versanken tatsächlich nicht mehr. Franzi lachte. Erleichtert schloss sie den Jungen in die Arme. Der schob sie von sich. „Komm, wir müssen gehen.“
Franzi nickte und kletterte auf Lahthan. Jamil packte hastig zusammen, verwischte die Spuren und setzte sich hinter sie. Ein Prickeln durchfuhr das Mädchen, als sie seine festen Oberschenkel spürte. Lahthan richtete sich auf. Blitzschnell griff Franzi nach vorne in den Sattel, um nicht hinunterzufallen. Rasch gewöhnte sie sich an den schaukelnden Passgang des Kamels und daran, so weit oben und so nah bei Jamil zu sitzen. Sie fühlte sich jetzt schon zu dem schweigsamen Jungen hingezogen.
Gefährliche Flucht
Svartur brauchte nun weniger Kraft und sie konnten zwei Stunden im Schritt ohne Unterbrechung reisen. Bei jeder Pause kontrollierte Franzi seine Beine nach Scheuerstellen und dem Sitz der Körbe. Aber wie durch ein Wunder hielt alles und scheuerte nichts. Bald dämmerte es und die Hitze wurde erträglicher.
„Wir schlafen jetzt ein paar Stunden und nutzen den Rest der Nacht, um umgesehen weiterzureisen“, erklärte Jamil. Franzi, deren Hosenboden schon brannte, nickte dankbar. Mit steifen Gliedern kletterte sie von dem Kamel. Jamil spannte das Segel, holte Essen und Trinken aus einem der Körbe und ließ sich neben dem Mädchen nieder. Schweigend aßen sie. Franzi brannten tausend Fragen auf den Lippen, aber sie wollte Jamil nicht nerven und war dankbar, dass er sich ihrer angenommen hatte. Nicht jeder hätte diese Last auf sich genommen. Er würde schon reden, wenn die Zeit gekommen war, vermutete sie und wickelte sich satt und schläfrig in ein weißes Tuch ein. Kurz darauf schlief sie.
Der Junge blickte nachdenklich auf die Fremde und dann auf den Wallach, der völlig erschöpft flach auf dem Sand lag. Sein schwarzes Fell war klitschnass und sein Brustkorb hob und senkte sich in kurzen Abständen.
Hoffentlich wird das gut gehen und wir schaffen es, das Tier lebend ins Lager zu bringen. Grübelnd starrte er vor sich hin, bis die Nacht hereinbrach. Er gähnte und streckte sich.
Warum habe ich mir so eine große Last auferlegt?, fragte er sich gerade zum x-ten Mal, als ein großer Skorpion zielstrebig auf Franzi zumarschierte. Jamil beobachtete ihn eine Weile. Skorpione sind ausschließlich nachtaktiv, leben, je nach Art, im Sand, in Steppen, auf Bäumen, sind Wanderer oder Höhlenbewohner. Sie ernähren sich von Insekten, Spinnen, Eidechsen, kleinen Schlangen und Nagern. Diese ergreifen sie mit ihren Zangen und spritzen ihnen mit ihrem Stachel ein Gift ein. Es gibt wenige Arten, deren Gift für den Menschen tödlich ist.
Mit langsamen Bewegungen zog der Junge seinen Säbel aus dem Gürtel und schlug, da das Spinnentier seine Richtung nicht wechselte, mit einer schnellen Bewegung zu. Der Skorpion zerfiel in zwei Stücke. Jamil vergrub sie im Sand.
Wie soll ich da ein Auge zu tun? Ich muss das Mädchen bewachen. Es wird schon einen Sinn haben, dass gerade ich sie fand.
Er rollte sich zur Seite und beobachtete den Sand in Franzis Umgebung. Aber schon bald fielen auch seine Augen zu.
Irgendetwas kitzelte Jamil am Bein und er erwachte. Hastig sprang er auf. Es war stockdunkel. Er vermutete einen Wüstengecko oder einen weiteren Skorpion. Vorsichtig tastete er nach dem Mädchen. Es lag ruhig neben ihm. Seine tiefen Atemzüge verrieten ihm, dass es tief und fest schlief. Er beugte sich über sie und roch an ihr. Neugierig hielt er sich eine ihrer feinen Haarsträhnen unter die Nase. Sie roch so anders, als die Mädchen hier. Und sie war auch ganz anders. Hier hatten die Mädchen und Frauen nicht viel zu sagen und mussten sich ihren Männern und Brüdern unterordnen. Ihre Aufgabe war es, sich um das Essen, die Tiere und die Behausung zu kümmern. Oft wurden sie auch geschlagen. Sie durften sich nicht von ihren Ehemännern trennen, aber diese konnten sich von ihnen trennen. Eine Frau, die Ehebruch begann, war eine Schwerverbrecherin. Außerdem hatten sie überhaupt kein Mitbestimmungsrecht, was das Geld der Familie betraf.
Doch Jamil war nicht so. Er wollte eine selbstbewusste Frau und sein Ziel war es, bald die Wüste zu verlassen und zu studieren. Aber vorher hatte er noch einiges vor, damit seine Familie ohne Angst und Schrecken hier leben konnte. Was dieses Mädchen dabei für eine Rolle spielte, wusste er in diesem Moment noch nicht. Vielleicht konnte es ihnen ja helfen. Zahra schien intelligent und mutig zu sein. Jeder Helfer war wichtig. Was konnten er, die Alten und seine Schwestern schon ausrichten? Er bräuchte viel mehr Leute, um die Schwarzen zu besiegen oder sie endgültig zu vertreiben. Die wurden immer dreister und gefährlicher, je mehr sich ihnen anschlossen. Und Schutzgeld konnte Jamils Familie auch nicht bezahlen. Der Junge stöhnte. Franzi drehte sich im Schlaf und lag nun halb auf seinem Gewand. Er konnte nicht weiter von ihr wegrutschen, ohne sie zu wecken. Er schmunzelte.
So schnell hat sie mich eingewickelt.