GIFT geschädigt. Maxi Hill
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Obwohl ihm das alles nicht gleichgültig war, obwohl er viel lieber noch mehr erfahren hätte, er durfte sich auf kein Scharmützel einlassen. Es liefe eventuell auf eine Intrige hinaus, so beherrschend, wie er diese Frau erlebt hatte.
Seit er genau vor Augen hatte, wie er in der Angelegenheit um Aarons Krankheit weiter zu verfahren gedachte, durfte er nichts riskieren. Jetzt lag ihm zu viel daran, genau an dieser Schule zu bleiben, an der er war, bis zum bitteren Ende. Welches Ende es sein würde und für wen, das würde die Zeit mit sich bringen. Ob er zufrieden mit dem Ende sein würde oder nicht, darüber könne er später lamentieren. Jetzt hatte er Vorsicht zu üben, auch gegen noch so leuchtende Augen.
»Zum Glück also«, sagte er vorsichtshalber, um überhaupt eine Reaktion zu zeigen. »Glück hat für mich nicht damit zu tun, dass wir bekommen was wir wollen, sondern dass wir alles so wollen, wie wir es haben.«
Mal blickte aus den schönen Augen Besorgnis, mal die blanke Verzweiflung. Ihr Versuch einer Intervention hatte nicht viel genutzt. Eigentlich gar nichts. Nur dass Schrimp nicht mehr gar so schlecht auf Simone Hamm zu sprechen war. Für diesen Tag aber hatte er sich ganz plötzlich wieder um die Teilnehmer der Exkursion zu kümmern und die kamen gerade aus der Blutspendenzentrale zurück, wohin er sie nicht begleitet hatte, seiner Blut-Phobie wegen. Mit einigem Bedauern zog er die Schultern nach oben und schickte sich an zu gehen. Vielleicht sollte er rasch noch einlenken. Vielleicht aber war sie die Verkörperung des wirklich Schrecklichen am Menschen. Vielleicht war sie gerufen, das Schreckliche zu vermenschlichen. Und dazu zählte die schönste Hinterlist ebenso wie die zweckdienlichste Lüge.
Am Montag war seine Wut verraucht. Es war nicht schwer, so zu tun, als habe sich der Grund seines Anrufes erst jetzt ergeben.
»Fedder hier. Wir waren am Samstag zu etwas Wichtigem nicht mehr gekommen.«
»Gibt es für Sie überhaupt etwas Wichtiges?«
»Ob Sie es glauben oder nicht«, erwidert er erst einmal, um Zeit zu haben, seiner Stimme einen väterlichen Ton zu verleihen. »Wie geht es Sebastian?«
»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst.«
Beinahe ging wieder alles schief. Beinahe hätte er wieder alles vermasselt. Jetzt half nur: Asche aufs Haupt.
»Ernsthaftigkeit ist manchmal nur verkappte Dummheit und manchmal unterrichtet dieselbe an einer Eliteschule.«
Er hörte kein Wort der Erwiderung. Wie so oft verfluchte er seine Art, die eigene Ungeschicktheit mit noch ungeschickteren Worten zu überdecken.
»Frau Hamm, Sie müssen mir in einer Angelegenheit helfen.«
»Ein Hilfeschrei also?«
»Keiner, der schlafende Hunde wecken sollte, wenn Sie verstehen? Sie sind die Einzige, die mir helfen könnte, weil Sie dafür selbst einen triftigen Grund haben.«
»Sie wissen, dass ich Ihre Heuchelei erkenne.«
»Das ist ein hässliches Wort für eine so hübsche Frau. Ein ganz hässliches. Nennen wir es einfach Taktgefühl, obwohl es um mehr als um ein Gefühl geht.«
»Ich denke nicht, dass ein Mann wie Sie am Montagmorgen vor neun Uhr überhaupt Gefühle haben kann. Kommen Sie vielleicht schneller zur Sache?«
Dass es Missstimmungen geben würde, hatte er vermutet. Mit welcher Frau, die von einem Mann schnöde stehen gelassen wird, gab es die nicht. Er hätte früher erkennen müssen, dass sie an diesem Tage gewillt war, mit ihm zu reden. Ob das so blieb, würde sich in den nächsten Sekunden herausstellen.
»Verstehe«, sagte er mit sanfterem Ton, »aber fragen Sie mich nicht warum. Sagen Sie nur, was Sie wissen. Was versteht man unter Human-Biomonitoring?«
»Deshalb wollten Sie am Samstag einen Chef sprechen?«
»Sie halten sich nicht an die Abmachung.«
»Ich hatte auch keine Chance zuzustimmen. Aber wenn Sie schon fragen: Es sind komplexe Untersuchungsmethoden, bei denen Körperflüssigkeiten und Gewebe untersucht werden, um ihre Belastung mit Schadstoffen zu bestimmen. Blut und Urin zum Beispiel. Wir nennen es Belastungsmonitoring.«
»Danke. Und was sollten Befragungen von Patienten beinhalten, um die Notwendigkeit solcher Maßnahmen zu eruieren?«
Obwohl es seine eigenen Worte waren, kam ihm in diesem Moment kein anderes Wort fremder vor, als das Wort: eruieren. Geräuschvoll zog er Luft durch die Zähne wie stets, wenn er die eigene Unsicherheit überspielen musste. Der tiefe Atem am anderen Ende der Leitung verriet auch Hilflosigkeit bei der Frau. Es dauerte geraume Zeit, ehe Simone Hamm antwortete.
»Hören Sie. Ich bin diese Art Fragen zu beantworten nicht berechtigt. Wir nehmen Blut ab und füllen die Blutbank auf. Selbst wenn ich dürfte, könnte ich es Ihnen nicht so mir nichts dir nichts herunterbeten. Und überhaupt …«
»Und überhaupt?«
Wieder Stille. Er mochte es nicht, wenn er seine Chance nicht aus dem Gesicht ablesen konnte. Hatte er überhaupt eine Chance, in dieser Frau die richtige Hilfe für seinen Zweck gefunden zu haben?
»Denken Sie, ich unterstelle Ihnen Boshaftigkeiten?« Ihre Worte waren es nicht, ihre Stimme klang boshaft.
»Ich sehe es Ihren Augen an, dass Sie es tun.«
»Sind Sie vielleicht auch noch Hellseher?«
»Nein, ich versuche nur, hinter gewisse Kulissen …«
»Sehen Sie, genau damit will ich nichts zu tun haben …« unterbricht sie hart.
»Ist ein Halbwüchsiger mit untypischen Krankheiten und noch dazu aus eigenem Fleisch und Blut nichts?«
Warum hatte er jetzt das Gefühl, am anderen Ende der Leitung reiche die Luft nicht mehr zum Atmen. Zu hören war es nicht. Noch nicht. Doch dann wähnte er sich im Recht.
»Sie finden sich wohl verdammt souverän.« Ihr war offenbar zum Ersticken zu Mute, das war nicht zu überhören. Aber gerade das machte Schrimp klar, was er zu tun hatte.
»Das hoffe ich stark. Für eine Zecke ist sogar ein spuckender Fisch noch souverän. Ich will nichts, als die Zecken von ihrem hohen Ast zu spucken, die vielleicht am Zustand auch Ihres Sohnes verantwortlich sind.« Jetzt hatte er sie, da half keine noch so weibliche Ausflucht mehr. Stille. Vorerst schien sie ihre Zeit mit lautlosem Seufzen zu verbringen, ehe ihre Stimme mit grellen Tönen begann und zunehmend sanfter abglitt.
»Wenn es Ihnen wirklich ernst ist, warum verpacken Sie dann alles in eine so grässliche Niedertracht.«
»Tu ich das?«
Es war ein so schöner Tag geworden nach dem Gewitter, das seit Samstag immer wieder herumgrollte und sich endlich verzogen hatte. Wie kam es, dass die Jahre schneller verflossen, je älter er wurde? Hatte er nicht geglaubt, das Alter ziehe sich schrecklich lang hin? Also war er noch nicht soweit. Aber warum konnte er den Mai nicht genießen, wie man einen Wonnemonat genießen sollte. Warum war die Zeit so rasch verflogen, das Schuljahr gar, das mit der Bitternis um Aaron begonnen hatte und die noch lange nicht enden