GIFT geschädigt. Maxi Hill
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»Ick denke, Hamm heißt Schinken?«
»Bei Fräulein Brown vielleicht. Sonst heißt es Weichei.«
Schrimp war beileibe keiner, der dahergesagte Worte auf die Goldwaage legte. Auch wenn sie noch jung waren, solche Reden machten ihn zuweilen wütend. Sie hatte durchaus ihren Spaß an gewisser Häme, aber kaum einer betrachtete sich selbst. Wer das nicht von Kindesbeinen an lernt, der lernt es nie mehr. Und dieser Schmierer, dieser Eike, der ist doch selbst ein Weichei, eines der größten sogar, dachte Schrimp bei sich, doch er sagte:
»Wenn du die Hälfte von dem wärest, was du zu sein glaubst, dann wärest du das Doppelte von dem, was du bist.« Seine Knöchel knufften den Hinterkopf des Jungen, gerade so, dass es noch als freundschaftlich durchging.
»He Eike«, jaulte einer im Hintergrund, »lös das mal schnell im Dreisatz.«
Das Gelächter hielt nur kurz, damit hatte Ole Fedder kein Problem. Dann hob er die Hand.
»Schluss jetzt!«
Die Projektstunden nach der Mittagspause waren wesentlich anspruchsvoller, obwohl Schrimp genau wusste, dass nicht alle am Schluss die gleiche Erkenntnis teilen würden. Die Erbsubstanz sollte extrahiert werden. Dazu hatte er umfangreiche Vorbereitungen getroffen, die an Laborbedingungen anknüpften. Das waren genau diese Stunden, die er Inka stahl, wofür sie nur schwerlich Verständnis zeigte.
Nur drei Schüler bekamen Zettel mit dem Versuchsablauf. Die anderen hatten nach deren Anweisung die Substanzen exakt nach Milligramm abzuwägen oder zu protokollieren, was geschehen sollte.
Fein geschnittene Pflanzenteile, Kochsalz und Spülmittel. Das Becherglas stand auf der Platte und der Stabmagnet drehte sich. Erhitzen. Abkühlen und alles zerkleinern. Ein Stabmixer surrte.
»Vorsicht«, mahnte Schrimp, »das ist doch keine Gulaschkanone. Ihr zerstört mir noch die DNA.«
Die erste Gruppe gab alles bereits durch einen Filter und füllte den Extrakt in Röhrchen. Erst dann kam Schrimp mit dem eiskalten, hochprozentigen Alkohol ins Spiel. In den Röhrchen setzt es sich am Boden das Objekt der Begierde ab.
»Cool«, staunte Tanja Kurz, die als Erste die DNA erkannte und mit einem Stäbchen aus dem Röhrchen angelte.
»Cool«, sagten auch einige andere, während wieder andere nur gelangweilt schauten.
»Ich wette, die Hälfte weiß nicht, was soeben passiert ist«, provozierte Schrimp die Gelangweilten und reichte die Röhrchen zur Begutachtung herum.
»Aber höchstens die kleinere Hälfte«, witzelte Tobias.
Schrimps geballte Faust fuhr in gewohnter Manier über den kurz geschorenen Hinterkopf des Jungen: »Wer in Bio was kann, muss noch lange keine Leuchte in Geometrie sein.«
Wippenden Schrittes ging Schrimp nach der Stunde hinunter zum Lehrerzimmer. Nach seiner Laune zu urteilen war es ein schöner Tag. Die Zwölfer, deren Leistungskurs er jetzt noch hätte, waren auf Geschichts-Exkursion in Berlin, somit hatte er für heute frei.
Aaron saß wie ein geprügelter Hund auf seinem Stuhl und stützte den Kopf in den hochgezogenen Schultern ab. Schrimp setzte sich zu ihm.
»Und?« Mehr Worte brauchte es nicht.
»Geht so.«
»Na dann.«
Das Ehepaar Barthels war nicht mehr so jung, um alles Moderne mitmachen zu müssen. Seit Kurzem aber hatte Schrimp das Gefühl, Aaron holte auf, was er zu verpassen geglaubt hatte. Materiell gesehen. Erst hatte er das Wohnzimmer erneuert und die Garageneinfahrt verbreitert und im Moment, das wusste Schrimp, war gerade eine neue Küche in Arbeit, deren Aufbau Aaron ganz sicher viel Kraft gekostet hatte. Auch Heiner Bär, der Informatiker, wusste davon. Aaron hatte sich erkundigt, wie die neuen Fliesen am besten anzubringen seien. Bär hatte gerade den Umzug in sein eigenes Haus hinter sich.
»Ist deine Küche fertig?« Grinsend schaute Heiner Bär zu Aaron herüber.
»Fertig.«
»Alles neu? Nur Hanna nicht?«
Heiner Bär pfiff durch die Zähne und blinzelte in die Runde der Kollegen, die hier ihre Pause verbrachten. Sie wussten alle, was Hanna für Aaron bedeutete. Sie war ihm Heiland und Verderben zugleich, nur die Anteile waren schlecht verteilt. Fast jeder wusste ein bisschen darüber Bescheid und einige zollte Aaron sogar Respekt für seine Haltung. Wer jeden Morgen eine solche Frau am Frühstückstisch ertrug und noch verträglich blieb, dessen Trübsal musste sogar vor Widersachern als gerechtfertigt gelten.
Heiner Bär prahlte auch gern mit seinem Verstand von elektronischer Technik, die das ältere Semester sträflich verschmähe. Schrimp hatte eine sehr interessante CD bekommen, die er leider kurzfristig wieder an den Besitzer zurückgeben musste. Deshalb wollte er sie allen Zehnerklassen zugleich vorspielen, wusste aber nicht, ob das neue Gerät, das man in der Aula installiert hatte, zum Abspielen geeignet war.
»Was bedeutet C/A-Wandler?«, fragte er Bär. Der verschränkte sofort seine Arme auf dem Rücken, reckte den Kopf nach hinten und begann kerzengerade im Zimmer auf und ab zu laufen, ganz so, als habe er eine Schulklasse vor sich. Seine Stimme aber klang wie die eines Rezitators.
»C/A-Wandler bedeutet, dass dieses Gerät die auf CD codierte digitale Information liest und sie dann in Schallsignale umwandelt. Also auch in Musik. Deshalb steht das Gerät in der Aula.«
Sein schräger Blick traf Aaron, der bei Veranstaltungen für die Musik zuständig war. Aaron verschmähte dieses Gerät. Er brauchte es nicht. Nicht umsonst hatte er mit einiger Mühe eine kleine Kammermusik-Gruppe ins Leben gerufen und leidenschaftlich geprägt. In kaum einer Schule waren es die Schüler selbst, die jeder Veranstaltung einen festlichen Rahmen verliehen. Zum Leidwesen der jüngeren Lehrer saß Aaron zuweilen auch selbst am Klavier und spielte Klassik.
Schrimp schüttelte seinen Kopf: »Wenn ich dich richtig verstehe, heißt das, der CD-Spieler spielt CDs ab?«
Einige der Kollegen, die das Geschehen verfolgten, grinsten diabolisch, andere lästerten ob der gewaltigen Logik.
»Richtig«, bestätigte Bär und änderte seine erhabene Position.
Aus dem Hintergrund löste sich Maddy Browns helle Stimme: »Wenn du verstanden werden willst, gebrauche für gewöhnliche Dinge niemals ungewöhnliche Worte. Mach es lieber mal umgekehrt.«
Bär machte eine zackige Bewegung. In seinem Alter konnte man das erwarten, nicht aber die Anstandslosigkeit, mit dem Heiner Bär gegen Fräulein Brown zurückschlug.
»Wenn Sie jemanden zum Bevormunden brauchen, warum heiraten Sie nicht einfach.«
Schrimp mischte sich ein. Die Worte waren nicht sehr deutlich, aber seine Stimme gegen Heiner Bär war etwas lauter als bisher: »Wenn du Aggressionen abbauen willst, fahr einfach Auto.«
»Geht nicht. Zu viele aggressive Lehrer mit Autos unterwegs.«
Bär zog es vor zu verschwinden und gab sein Unverständnis mit lautem Schlagen der Tür zu verstehen. Kurz darauf war man sich einig, es sollte wieder mehr Anstand im Lehrerzimmer herrschen.
Aaron