GIFT geschädigt. Maxi Hill

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ziemlich redseliger, dicklicher Bursche mit Stoppelhaaren und Nickelbrille, der bei Projektarbeiten nie ein Ende fand und den Schrimp regelmäßig aus der Schule treiben musste, um keinen Zoff mit seinen Eltern zu bekommen, dieser Junge pirschte sich an Schrimp heran. Ob er vielleicht die Teile unter dem Mikroskop betrachten dürfe, er würde schon herausbekommen, worum es sich handelte. Eine Ahnung hätte er schon.

      »Kümmt Tiet, kümmt Rat, Tobias«, sagte Schrimp in seinem unverwechselbaren Platt und wenn er up platt snackte, dann war er guter Dinge, das wusste jeder in der Schule. Schrimp schob den Jackenärmel über die Uhr zurück und drängte die Klasse zum Rückmarsch. Nur die Warnung – niemand solle sich einer solchen Pflanze ungeschützt nähern – die gab er allen mit auf den Weg. Dann wies er sie an, Hände und Gesicht zu waschen, bevor sie zur Essenpause gingen.

      »Das ist ja wie bei den ersten Menschen.« Die Stimmen maulten weit weg im Zug der Klasse, die grüppchenweise zurücktrottete.

      »Wieso? Hatten die ersten Menschen auch schon Lehrer?«

      »Nee. Die lebten ja im Paradies.«

      Ganz geheuer war Schrimp bei einem gewissen Gedanken nicht. Die Pflanze musste noch stehen bleiben, bis er Tags darauf der Parallelklasse die gleiche Nuss zu knacken vorgesetzt hatte. Aber danach müsste er sofort zum Amt, eine Meldung machen. Heute muss alles gemeldet werden, dachte er und erinnerte sich noch gut an die vermutete Salmonellengeschichte, die im letzten Sommer beinahe ein Chaos ausgelöst hatte. Für jeden unnormalen Stuhlgang, für jede Übelkeit und jeden verqueren Pups wurde ein extra Protokoll angefertigt. Es waren keine Salmonellen, aber der Aufwand war auch kein Problem gewesen. Sicher war sicher. Hier aber ging es auch um die Menschen da draußen, die gutgläubig die Blüten berührten oder gar pflückten.

      Schrimp hatte vor, die nächste Pause im Lehrerzimmer zu verbringen, obwohl er dort selten zu finden war. Nicht weil er menschenscheu war. In seinem Kabinett im ersten Stock gab es immerzu etwas vorzubereiten. Diesmal kam er nicht umhin. Am Stundenplan hatte sich etwas geändert. Das war normal für den Schuljahresbeginn und er musste diese Änderung in seinem Plan korrigieren. Neuerdings konnte jeder sein Wehwehchen anbringen, seine Springstunden monieren. Nur auf Fächer mit notwendigen Exkursionen wie eine solche, die er soeben hinter sich gebracht hatte, wurde keine Rücksicht genommen. Den Stundenplan baute Krüger und er baute ihn im Sinne seiner Busenfreunde. Dazu gehörten weder Ole Fedder noch Aaron Barthels und ebenso wenig Fräulein Brown. Das war kein Geheimnis.

      Die Atmosphäre im Lehrerzimmer war nicht gut. Stickige Luft und schlecht gelaunte Gesichter. Warum spürte Schrimp sie immer, wenn er von seinen Exkursionen kam? Lag es an den Stimmen der Schüler, die da draußen um einiges freundlicher klangen? Lag es an der sauerstoffreichen Luft in den Auen?

      Im Lehrerzimmer war die Luft tatsächlich mies und die Ausdünstung so manch eines Saubermannes tat hier noch das Übrige. Eigentlich müsste man es denen mal sagen, dachte er. Es blieb beim Denken. Es war klüger, den Mund zu halten, wie er es ein Leben lang getan hatte und gut damit gefahren war. Wenn alle anderen der Geruch von Schweiß und Bettwärme nicht störte, warum sollte er das Maul aufreißen und den Groll aller ernten? Nicht einmal Aaron, den die Luft immer störte, monierte sie an diesem Tag.

      Schrimp erfasste eine gewisse Situation mit ziemlichem Missmut: Aaron saß am langen Tisch, die Zeitung lag aufgeschlagen vor ihm, doch er döste wie abwesend vor sich hin. Sein flaches, ausdrucksloses Gesicht war ungewöhnlich rosig. Die Ärmel seines geblümten Hemdes waren ordentlich zugeknöpft und reichten bis zur Hälfte über die Handrücken. Fräulein Brown, die Englisch-Lehrerin im biederen Flanellkleid, aß eines der mitgebrachten Frühstücksbrote und hielt die linke Hand fortwährend unter ihr Kinn, um die Krümel aufzufangen. Heiner Bär, der Mathematiker, hob das rechte Knie mitsamt der ausgebeulten Jeans über das linke und beugte sich zum Chemiker Sven Krüger hinüber. Sie sprachen leise miteinander und dennoch hatte Schrimp das Gefühl, alle sollten hören was gesprochen wurde. Es ging um die Stelle des Stellvertreters von Direktor Mudrack, die wegen der anhaltenden Krankheit von Karl Müller zur Disposition stand. Krüger hatte nicht nur große Ambitionen; die Erwartung seines Aufstiegs schien berechtigt zu sein.

      Arme Sau! Schrimp war vermutlich nicht der Einzige, der so dachte. Krüger gab sich viel Mühe, die Bitternis seines Lebens zu überspielen. Ein Dummejungenstreich kostete ihn einst sein linkes Auge. Hinter der teuren Designerbrille fiel es kaum jemandem auf. Nur wer es wusste, der sah es auch. Was aber jeder sah, das war die schräge Haltung seines schweren Kopfes, mit der er seinen Nachteil zu korrigieren versuchte. Und was jeder hörte, das war die Großspurigkeit in Krügers Reden.

      »Na, Spaziergang beendet?« lästerte der, als Schrimp in der Tür erschien. »Biolehrer müsste man sein.«

      »Soviel ich weiß, ist der Aufenthalt an der frischen Luft in einem Sanatorium wie diesem Verordnung«, konterte Schrimp, wohl wissend, was die übrige Schullandschaft der Stadt über das Konrad-Zuse-Gymnasium dachte. Krüger zog seinen Kopf gerade und wandte sich wieder Bär zu.

      Als Aaron Schrimp bemerkte, streckte er seinen Körper, als erwachte er soeben aus einem langen Traum. Er zog einen kleinen bunten Schein aus der Tasche und legte ihn neben die Lausitzer Rundschau, direkt dorthin, wo die Lottozahlen der Mittwochsziehung abgedruckt waren. Sein Kopf ging mehrmals hin und her, ehe seine Lippen kaum hörbar formten:

      »Nicht eine einzige Zahl stimmt.«

      Am anderen Ende des Tisches ruckte Heiner Bär aus seiner Lauerstellung, die er nie aufgab, auch wenn er noch so brisante Gespräche führte: »Tröste dich«, kicherte er lauter als er bisher mit Krüger gesprochen hatte. »Deinem Sohn ging es damals genauso.« Zum Glück hatte er zu sagen unterlassen, was ihm bei Aarons Abwesenheit gerne aus dem Munde rutschte: Die gehören beide nicht an diese Schule. Schrimp wusste es, wie jeder es wusste. Und er sagte nichts dazu, wie jeder nichts dazu sagte.

      Aarons Sohn war längst im Auslandstudium. Also konnte er in Mathe so schlecht nicht gewesen sein.

      Wütend schlug Aaron die Zeitung zu. Er stand auf, um den Raum zu verlassen. An Schrimp kam er erst einmal nicht vorbei. Der legte großen Wert darauf, Aaron erhobenen Hauptes zu sehen und den Sticheleien, die er bestens kannte, mit Würde entgegenzutreten. Vielleicht aber war es nur seine Wiedergutmachung für die Kränkung ein paar Tage vorher.

      Keiner von beiden wusste es in diesem Moment. Es war der Beginn all dessen, was noch folgen sollte und was Folgen hatte. Ganz sacht begann ein kleiner Kampf, der erste, den Schrimp je in diesem Hause führte. Ein Aufbegehren gegen die kleine Gemeinschaft der Verschworenen, die hinter vorgehaltener Hand witzelten, die dem Ruf eines unbescholtenen Menschen schadeten.

      »Ich habe von deinem Erfolg gehört«, sagte Schrimp. »Alle Achtung. Du schaffst es noch zum ersten Professor dieser Schule. Eine anerkannte Koryphäe in unseren Reihen. Ehrlich, das täte diesem Hause mal gut.«

      Der fragende Blick von Aaron, ehe der den Raum kopfschüttelnd verließ, war Schrimp nicht entgangen, ebenso die klappende Kinnlade von Sven Krüger. Zum Glück war Aaron nicht in der Stimmung zu fragen, was genau Schrimp gemeint hatte. Es wäre ihnen beiden nicht gut bekommen. Aber es hatte gewirkt. Ganz sicher hatte es gewirkt. Und diese Sicherheit verstärkte sich Tage später, als Sven Krüger ohne ersichtlichen Grund um Aaron herumscharwenzelte. Als Schrimp dazukam, ließ er von Aaron ab und begnügte sich damit, Schrimp auf die Pelle zu rücken:

      »Schau dir das an.« Er pflanzte sich mit lauerndem Blick neben Schrimp auf und schaute mit schrägem Kopf dahin, wo Schrimp mit verkniffenen Augen und kleiner Schadenfreude hinschaute. Vom Fenster aus konnte man über die Straße auf einen alten Garagenkomplex blicken, an dessen Flanke alte Autoreifen aufgestapelt lagen, von wucherndem Unkraut umgeben.

      »Warum ist Unkraut so unverwüstlich,

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