Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe. Maxi Hill
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Ich sagte es nicht, konzentrierte mich nur auf die Köstlichkeit aus Mandel und Vanille.
»Zuwachssparen? «, fragte sie beiläufig, was ich mit Augenzwinkern bestätigte, ohne von meinem Kuchen abzulassen. Jetzt gab es Wichtigeres, als sich klug zu unterhalten. Jetzt war kein Fünkchen Muse überzählig und schon gar nicht für die G.U.T.
Laila aß nicht. Sie kritzelte und legte ihren Kopf schräg, genau wie ich selbst noch kürzlich vor dem Bild im Flur. Nach ein paar Strichen gab sie auf. »Sie sind der Kreative.«
Sie zog verschämt die Schultern an und ich sah im abendlichen Gegenlicht, wie die winzigen Härchen an ihren Wangenknochen den Aufstand probten. Nach meinem heimlichen Blick auf die Serviette begriff ich. Auf das Einfachste war ich nicht gekommen. Mit zwei winzigen Strichen, einem senkrechten und einem waagerechten, hatte die schüchterne Idee von einer schüchternen Frau das Licht der Welt erblickt.
»Er + Sie = Es« Ich griff die Serviette. Etwas hastig vielleicht.
»Wenn das keine Formel für Zuwachs ist?“
»Man muss ja nicht immer vom Sparen reden. Zuwachs ist an sich etwas Positives«, sagte sie, errötete aber ein wenig dabei, angesichts der Zweideutigkeit.
»Das ist es. « Es war die einfachste Formel für Zuwachs und sie würde sich wundervoll grafisch umsetzen lassen. Ich sah das Plakat schon vor mir. Wohl ein wenig zu impulsiv küsste ich Laila auf die Stirn. Es war nichts als Dankbarkeit. Sie hatte mir schließlich in einer angespannten Situation, in der ich mich total verrannt hatte, aus der Patsche geholfen. Der winzige schwarze Fleck auf Lailas Stirn war übrigens echt, diese Erkenntnis war das Nebenprodukt meiner stürmischen Freude. Ich wusste sofort, dass Lailas Idee auch Tarrach begeistern würde. Nur Laila saß wie erstarrt da. Aus ihrem Blick las ich das blanke Entsetzen. Meine Impulsivität musste sie sehr erschreckt haben. Sie stand auf und schlich aus der Küche. Eine Tür knarrte leise, dann war es ruhig. Ich saß da wie bedeppert und wartete, immer mit der Befürchtung im Bauch, sie könne einen Anfall bekommen und wie eine Furie auf mich los gehen. Vorsichtig schaute ich mich um. Bei Verrückten ist nichts sicher, dachte ich. Das galt für Vasen genauso wie für Küchenmesser. Auch mit ihren eigenen Ungereimtheiten schienen die Hypersensiblen um sich zu werfen.
An diesem Abend habe ich jene Laila erlebt, die mir noch sehr viel später immer wieder einen Schrecken einjagen sollte.
Ich trat in den Flur und klopfte vorsichtig an eine der Türen. Nichts. Kein Mucks. Ich brachte es nicht fertig, einfach zu gehen und drückte lautlos die Klinke herunter. Nichts rührte sich. Mein Kopf sagte mir, hau ab Matti, doch von irgendwo aus der Magengegend grummelte es – schau nach, sie ist verrückt und könnte wer weiß was tun. Behutsam drückte ich gegen das Holz. Einen Spalt breit konnte ich in das Zimmer sehen. Es passte so gar nicht in die anheimelnde Gemütlichkeit, die mir über eine Stunde lang außerordentlich behagt hatte, dennoch fühlte ich mich irgendwie Zuhause. Es herrschte ungefähr das gleiche Chaos wie in meiner Bude, nur Laila war nicht da drin. Also musste es das Zimmer von Lizzy sein, wenn sonst niemand hier wohnte. In mir grollte der Zorn über meine Blödheit, dem Kitzel einer ungewöhnlichen Erfahrung nachgehangen zu haben. Das hatte ich nun davon. Warum ich dennoch all meinen Mannesmut zusammennahm und schnurstracks auf die Tür neben der Küche zuging, weiß ich nicht mehr. Ich drückte vorsichtig die Tür von mir weg und merkte sofort, hier herrschte wieder Ordnung.
Etwas mutiger schob ich meinen Kopf um die Ecke. Die letzten glutroten Strahlen der untergehenden Sonne zwängten sich durch die Jalousie und malten ein gespenstisches Muster auf die helle Couch, die in der Nische an der schmalen Wand stand. Auf dem Boden davor hockte Laila. Den Kopf auf die Knien gepresst, die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, schaukelte ihr schmächtiger Körper im Takt zu jener Melodie, die sie summte. Ich kannte das Lied: Es waren zwei Königskinder … Ihr Geist war in einer anderen Zeit. An einem anderen Ort?
»Laila, es tut mir leid«, heuchelte ich, dabei kämpfte gerade meine Wut gegen das größte Glücksgefühl in meinem Bauch, das ich seit meinem Lottogewinn von 450,- Mark vor sechs Monaten je wieder verspürt hatte. Ehrlich, ich wollte nicht kneifen, aber mich zog es regelrecht nach Hause, um die Idee von Er + Sie = Es noch auszubauen. So tatenlos herumzustehen behagte mir nicht, außerdem musste ich fürchten, dass Lizzy bald hereingeschneit kam.
»Lassen Sie mich allein«, unterbrach Laila ihr Summen, hob aber nicht einmal den Kopf. Ich verschwand lautlos. Das hatte noch keine Frau zu mir gesagt.
»Lassen Sie mich allein …«, flötete ich, während ich polternd die Treppen herunter sauste, immer drei Stufen auf einmal überspringend. Doch es war Galgenhumor. Ich wusste natürlich, dass ich etwas falsch gemacht hatte, doch das begriff ich erst viel später.
Auf meinem Weg durch die Stadt summte ich Lailas Lied weiter. Ich probierte, ob ich den Text noch zusammenbrachte, den mir Oma Hannah so herrlich piepsend vor … was weiß ich … vor hundert Jahren … beigebracht hatte.
» … sie hatten einander so lieb, sie konnten zusammen nicht kommen …« Irgendwie fiel mir nicht mehr ein, warum die zwei Königskinder nicht zusammenkommen konnten.
Zu Hause in meiner Bude erfasste mich das Grauen. Immer wenn ich aus einem ordentlichen Haushalt in meine vier Wände zurückkam, wusste ich wieder, wie recht Mama hatte. Leider hatte ich mir ihre Hilfe völlig verscherzt. Sie würde nie mehr kommen und bei mir Ordnung schaffen. Ich beförderte Berge von Papier und Klamotten in alle Ecken, um wenigstens Platz für einen Zeichenblock und einen Aschenbecher frei zu bekommen, doch schon die Serviette mit dem so wertvollen Gekritzel katapultierte meine Gedanken zurück zu Laila.
Was, wenn sie sich was antut? Wie konnte ich nur gehen, ohne auf Lizzy gewartet zu haben. Mir wurde heiß. Die Schweißtropfen auf meiner Stirn begannen mit den winzigen Pusteln einer Gänsehaut zu konkurrierten. So wie mein Blick über das zerknüllte Papier streifte, sah ich die traurigen Augen dieses Mädchens, das mich noch um den Verstand bringen sollte. Versonnen malte ich weiter nichts als zwei Mandelaugen unter einem winzigen schwarzen Fleck. Ich konnte mich nicht auf den Slogan konzentrieren und ließ es nach mehrmaligen Versuchen einfach wieder bleiben. Morgen sei auch noch Zeit, tröstete ich mich, öffnete ein Bier und trank den letzten Raki aus der Flasche, die Ottmar von seinem Türkei-Urlaub mitgebracht hatte. Dieses Teufelszeug war nichts für empfindsame Kehlen. Es wütete gewöhnlich wie ein Brandbeschleuniger in meinem Rachen und setzte etwas in Gang, was sich abwärts durchzufressen begann und mich aus dem Zustand der Lustlosigkeit weckte. Heute nicht!
Stöhnend erhob ich mich, schaltete den Fernseher ein und lehnte mich zurück in der Hoffnung, mein Gleichmut erstarke im Kontext der Erschlaffung meiner Muskeln.
Es lief ein Krimi – irgendwo in einer Wohnung lag eine Frauenleiche, verdächtigt wurde der junge Mann, der sie zuletzt besucht hatte.
Ich stürmte aus der Wohnung. Bier und Raki hatte ich vergessen. Die umlackierte Merkwürdigkeit meines Alfa-Romeo stand im Parkverbot genau vor der Tür – hier draußen im nördlichen Wohngebiet konnte man sich das trauen – vor Lailas Haus sah es anders aus. Nicht die kleinste Lücke. Ich kurbelte dreimal um das Karree ehrwürdiger Bürgerhäuser, bis mich mein Naturell besiegte. Schließlich gab es für Notfälle die Warnblinkanlage.
Die Fenster der obersten Wohnung verloren sich in der Dunkelheit. Ich stellte mir vor, wie Laila noch immer auf dem Boden hockte und vor sich hin summte – oder schlimmer? Wohnte sie eigentlich mit Blick zur Straße heraus? Ich bemühte meinen vom Raki vernebelten Kopf. Die Sonne