Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe. Maxi Hill

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Laila - Die Farben der Klänge & Verfluchte Liebe - Maxi Hill

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vom Kino also. Ich glaubte zu träumen. Hätte mir jemand gesagt, Laila sei Abstauberin in einer Bibliothek, das hätte ich sofort geglaubt. Aber Managerin? Kann eine Nervenkranke überhaupt Managerin sein? Diese Laila wurde immer rätselhafter. Ich schlich zurück zum Stammtisch und setzte mich still wieder dazu.

      »Matti hat heute seine Tage«, hörte ich Ottmar frotzeln.

      »Nein, ihm ist nur kalt am Kinn«, nuschelte Cora, die schon vor einiger Zeit angedeutet hatte, heute wäre ein schadloses Kuscheln mit Matti möglich. Es fiel sofort auf, wenn ich einmal rasiert war. Spätestens zu dieser Zeit wusste ich, dass ich sie an jedem anderen Tag abschleppen würde. Cora war blond, hatte große dunkle Augen und sehr dünne Brauen. Alles andere an ihr war eher üppig. Sie war eine, die sehr viel Zeit damit verbrachte, jeden Zentimeter ihres Körpers zu beobachten. Wie weh ihr das tat, verrieten ihre giftigen Anfeindungen gegen jede potentielle Konkurrentin, die ohne ständige Diät auskam. Aber Cora war … nun ja, keine Perle, eher ein zu scharf geschliffener Diamant. Die Männer gafften ihr nach, wenn sie mit ihrem schwingenden Ganzkörper-Schritt provozierte. Niemand kam mit so hohen Absätzen und so engem Rock so schnell vorwärts wie Cora, und wie keine Andere beherrschte sie es, Männer einzufangen und sei es nur durch ihre Art, wie sie mit ihren Hüften schwang. Sie brauchte männliche Blicke wie den Sauerstoff zum Leben. Heute aber übertrieb sie ein wenig. Wie eine Ikone saß sie da, zückte den Lippenstift, wandte sich zu mir und schlug die langen Beine übereinander, wie eine von der leichten Sitte, die nicht mehr zu bieten hat, als ihren Körper. Ich hatte keine Lust auf Cora, schließlich hatte ich mir geschworen, für eine einzige Liebesnacht mit Laila notfalls eine gewisse Zeit blonde Frauen zu meiden. Man muss sich schließlich auf Veränderungen einstimmen.

      Ich rauchte viel zu viel und paffte die Kringel in den fetten Dunst der «Eule». Und was machte das für einen Sinn? Ich sah in jedem Kringel Laila auf dem Boden hocken und still vor sich hin summen. Langsam wurde auch ich verrückt – Laila hatte mich auf rätselhafte Weise infiziert.

      »Die weiße Unschuld- 1.20 €« stand auf dem Schild, das sich über die Blüten erhob. Im Blumenshop gleich hinter der Lindenpforte standen zu später Stunde noch Eimer und Schalen vor der Tür, prall gefüllt mit Rosen, Lilien, Rittersporn und allerlei farbenprächtigen Blüten, deren Namen ich nicht kannte. Die Kirchenglocken läuteten weit hin vernehmbar den Abend ein. Also war es kurz vor Ladenschluss und ich wunderte mich wie schon tausendmal zuvor über die Fülle der kurzlebigen Ware. Ob die Blüten je rechtzeitig an den Mann gebracht werden können, ehe sie verdorben sind? Auf den südamerikanischen Plantagen ruinierten sich die Feldarbeiterinnen für ein paar Pesos ihre Gesundheit, und wie ich unlängst gehört hatte, mit dramatischen Auswirkungen, nur um uns materialistisch orientierten verwöhnten Ästheten ein kurzes, sinnloses Vergnügen zu bereiten.

      Mir war damals schon klar, dass ich einer von denen war, die den falschen Idolen der heutigen Welt dienten – dem Profit. Jeder mitfühlende Arbeitnehmer weiß natürlich, warum die Besitzenden heutzutage die unglücklichsten Menschen unter der Sonne sind. Geld ist ein falsches Idol, Geld macht nicht glücklich - Sex ist kein falsches Idol, er ist ein gutes – er macht glücklich.

      Ich stand dazu, auch wenn ich wusste, dass Begierde schnell zur Gier werden kann, doch kann begehren auch bekehren, wie es Oma Hannah immer sagte. Sie war die Frau in meinem Leben, die mich behutsam dazu brachte, etwas dafür zu tun, um etwas anderes zu bekommen.

      In diesem Moment begehrte ich Laila. Etwas zu begehren gehört zur menschlichen Natur. Wenn man nichts mehr will, ist man vermutlich schon im Vorstadium des Todes.

      Also zog ich einen der prächtigen Stängel aus dem Bündel, zahlte und lief die verbleibenden einhundert Meter über den Neumarkt bis hin zur Marktgasse 27. Diese Blüte war zu lang, um sie unter dem Jackett zu verbergen. Außerdem trug ich keine Jacke. Jemand hatte die Haustür offen gelassen und ich sauste die Treppen empor, bis ich zaudernd auf einem der Zwischenabsätze stehen blieb, um über einen vielleicht meine Ehre vernichtenden Angriff oder den feigen Rückzug zu entscheiden. Noch niemals in meinem Leben war ich so unentschlossen, ja geradezu unsicher. Traurig? Memmenhaft?

      Nicht einmal die Geländerköpfe, mit ihren drallen Kugeln und vorwitzigen Nippeln darauf, konnten mich erheitern. Ich schlich weiter. Von oben herunter kam pfeifend ein Bursche gesprungen. Die Stufen zitterten unter der Wucht seiner athletischen Kraft. Er grinste und schlug einen Haken um mich. Unterhalb rief er mit einem kleinen Jauchzen in der Stimme zu mir zurück:

      »Lizzy ist nicht zu Hause! «

      Aha, also nur Lizzy verdiente es in diesem Hause, dass man Blumen schenkte. Das war der Wendepunkt hin zu meinem wiedererstarkenden Mut. Ich war der Held, der einer anderen als Lizzy Blumen brachte.

      Vorsichtig öffnete sich die Tür. Laila trug wieder diese Kopfhörer und riss sich sofort die dunkle Brille vom Gesicht.

      »Matthi΄s«, hauchte sie. Wie der fade Schatten des Mondes wanderte die Blässe von ihrer Stirn abwärts. In mir ergoss sich ein warmes Gefühl und zugleich traf mich ein kalter Blitz. Matthi΄s hatte sie gesagt. Matthi΄s – und wie sie das sagte. Das erste A betont, das zweite verschluckt.

      Ich reichte ihr die weiße Rose und aus dem Schatten des Mondes kroch urplötzlich die Sonne über Lailas Muskatgesicht bis hinter die Ohren. In ihrer Erregung ähnelte sie jenen Frauen, die gerade ihren Orgasmus erlebten. Bei mir verhinderte ein fetter Kloß im Hals jedes weitere Wort, während ihre Augen strahlten. Sie liebkoste die Rose und drückte sie samt Brille und Kopfhörer an ihre Brust. Mit der anderen Hand zog sie mich durch den Flur.

      Wie sie so erhaben, mit der weißen Unschuld vor ihrer Brust, neben mir her schritt, konnte ich noch nicht ahnen, wie sehr mir gerade der Glaube an ihre Unschuld noch zu schaffen machen sollte. Das aber passierte viel später.

      Sie schob mich resolut in das Zimmer, das ich in schlechter Erinnerung hatte. Heute überkam mich eine tröstliche Gelassenheit. Ich sah, was mir die Umstände an jenem Tag zu betrachten versagt hatten. Alles in diesem Raum strahlte Ruhe aus, Harmonie, Wohlgefühl, Behaglichkeit. Auf der hellen Couch waren gelbe und rostrote Kissen dekorativ aufgestellt, Zipfelmützen und Kandiszuckerhüten gleich. Über dem einzigen Sessel hing ein rostrotes Plaid, dessen Fransen sich lustig kringelten.

      Vorsichtig trat ich näher. Ich spürte, wie sie zögerte, das erste Wort zu sprechen, doch dann trat sie vor mich hin. Ihre feuchten Augen spiegelten jenen Glanz, der mich schon einmal so unerklärlich fasziniert hatte. Ihre bleichen Lippen zitterten und sie nestelte nervös an einer Kleiderkordel herum: »Matthi΄s, es tut mir so leid«, flüsterte sie. In diesem Moment lösten sich all meine Lebenssäfte aus meiner inferioren Substanz (ich muss dieses Wort benutzen, weil ich mir geschworen hatte, dieses Papier nur mit ehrlichen Worten zu füllen, und nun hoffe ich, dieses Wort versteht nicht jeder) und stürzten wie ein Wasserfall bis in den untersten Teil meiner Extremitäten. Ich stand wie angeklebt und konnte mich nicht rühren. Mit dem Wasserfall musste auch mein letztes bisschen Verstand den Bach herunter gespült worden sein. Meine Arme entwickelten grotesker Weise eine Schubkraft in entgegengesetzte Richtung. Ich umarmte Laila und drückte ihren Körper an mich. Wieder berührten meine Lippen ganz zufällig ihre heiße Stirn. Diesmal geschah nichts. Im Gegenteil. Wir verharrten stumm. Je länger wir so standen spürte ich, wie ihr Körper langsam entspannte. Bedächtig reckte sie ihr glühendes Gesicht meinem entgegen. Meine Lippen rutschten sanft hinunter auf ihre Wangen, mehr rührte sich nicht, obwohl meine Zunge geneigt war, den Ausbruch zu versuchen und sich zwischen ihre bleichen Lippen zu mogeln. Ich beherrschte mich. Der Pfirsich-Duft ihres Haares betörte mich. Ihre Haut schmeckte nach Mandel und ich hätte zu gerne gewusst, was ich in diesem Moment sagen könnte. Mir war, als floss Blei dem Wasserfall hinterher und staute sich in meiner Brust, jener Stelle, die lange hohl gewesen sein musste. Ich schmeckte Salz. Auch bei Laila begann etwas zu fließen. Ein winziges Tröpfchen suchte den Weg um den Widerstand meiner Lippen herum. Es war ein Reflex. Mein Körper schien davon betroffen.

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