Rette sich, wer kann!. Ekkehard Wolf
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Inzwischen war die Zeit des Dienstschlusses gefährlich nahe gerückt und Rogge entschloss sich dazu, diesen erst gar nicht mehr abzuwarten. Jedenfalls nicht im Büro.
Er packte seine Siebensachen, zu denen inzwischen auch ein Notebook gehörte, das für sich in Anspruch nahm ‚tough’ zu sein und das er sich in Wirklichkeit allein aus sentimentaler Verklärung angeschafft hatte. Immerhin standen diese kleinen Computer in dem Ruf besonders zuverlässig und mit robuster Technik ausgestattet zu sein. Ein Zuverlässigkeitsmerkmal, das Rogge allemal dem ansonsten bei seinen Kolleginnen und Kollegen sehr verbreiteten Streben vorzuziehen war, den jeweils neuesten Stand der Technik in den Händen zu haben. Natürlich hatte er Probleme damit, sich selbst eine derartige Gefühlsduselei einzugestehen. Das hinderte ihn aber nicht daran, selbige auszuleben.
Völlig gleichgültig war ihm hingegen der Umstand, dass die Verwendung eines solchen privaten Computers schlicht und ergreifend vorschriftswidrig war und ihm dieser Verstoß bei böswilliger Betrachtung den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit und damit ein entsprechendes Disziplinarverfahren einbringen konnte.
Allein diese Haltung hätte seine Vorgesetzten bei genauerem Hinsehen dazu veranlassen müssen darüber nachzudenken, ob es tatsächlich noch vertretbar war, einem Mann mit dieser Dienstauffassung auch weiterhin Vorgänge von einiger Bedeutung anzuvertrauen.
Er war jedoch nicht defätistisch genug, um seine Dienstauffassung ständig nach außen zu kehren und so entband er seine Vorgesetzten auch von der Notwendigkeit, sich darüber allzu große Gedanken machen zu müssen.
Rogge hatte gerade sein Köfferchen zugeklappt, die Schreibtischschublade verschlossen und war im Begriff sich von seinem Sessel zu erheben, als sich die Klinke der Tür zu seinem Büro vorsichtig bis zum Anschlag senkte. Er lehnte sich zurück und blickte gespannt auf das Türblatt.
Die Klinke blieb gedrückt, aber die Tür wurde nicht geöffnet.
Rogge begriff, dass der oder diejenige, von der die Klinke betätigt wurde, wohl davon überrascht worden war, die Tür geöffnet vorzufinden.
Jetzt suchte die Person vermutlich händeringend nach einer Erklärung dafür, hier einfach eingedrungen zu sein, ohne zumindest geklopft zu haben. Also konnte es sich nur um einen Rangniederen handeln, machte sich der Oberrat klar und wurde im selben Moment eines Besseren belehrt.
Ausgerechnet seine neue Abteilungsleiterin steckte den Kopf durch die Tür, sah ihn mit ihren wachen Augen an und erkundigte sich mit ungewohnt umgänglicher Stimme danach, ob sie kurz hereinkommen dürfe.
Rogge hatte ganz ausgeprägt das Gefühl, dass ‚Madame’ eigentlich nur deshalb an seiner Tür gelandet war, um sich davon zu überzeugen, dass er das Büro bereits verlassen hatte - wieder einmal selbstverständlich vor Dienstschluss. Doch auch diesen Gedanken beschloss Rogge besser für sich zu behalten.
„Kommen Sie herein,“ forderte er die leitende Polizeidirektorin statt dessen auf und war ehrlich gespannt, welchen Grund für ihren plötzlichen Besuch sie sich zwischen Tür und Angel würde einfallen lassen.
Die Vorgesetzte ließ ihn nicht lange zappeln. Sie setzte sich - selbstverständlich unaufgefordert - an den runden Tisch, an dem Rogge seine kleinen Lagebesprechungen abzuhalten pflegte, lud ihn mit einer Handbewegung ein, sich dazu zu gesellen, wartete ab, bis er es sich bequem gemacht hatte und überfiel ihn sodann mit der simplen Frage, wie weit er inzwischen gekommen sei.
Rogges gedehntes „äh, ja“ löste bei ihr ein verstehendes „aha“ aus.
Da die Dame Grafunder trotzdem keine Anstalten machte, das Büro umgehend wieder zu verlassen, sondern ihn statt dessen weiterhin mit fragendem Blick erwartungsvoll ansah, blieb diesem nichts anderes übrig, als sich zu einigen weiteren Ausführungen zu bequemen.
Viel hatte er nicht zu sagen und so musste sich seine Vorgesetzte mit der hochinteressanten Tatsache zufrieden geben, dass ihr Mitarbeiter sich die Unterlagen „bereits angesehen“ hatte und dabei auf „einige Ungereimtheiten“ gestoßen war, die jetzt zu erläutern „natürlich zu weit führen“ würde.
Dr. Andrea Grafunder erkundigte sich noch höflich danach, wie er weiter vorzugehen gedenke, bedankte sich dann ebenso höflich, entschuldigte sich im Gehen sogar noch für die Störung und wünschte ihm zum Schluss „viel Erfolg bei der Bearbeitung des Falles.“ Danach ließ sie ihn allein.
Rogge hatte sich erhoben, war aus Gewohnheit bereits auf dem Weg zur Tür gewesen, um ihr diese zu öffnen, doch sie hatte ihn mit den Worten daran gehindert: „Nein, lassen Sie mal, ich finde noch allein hinaus.“ Zurück blieb bei Rogge ein doch deutlich ungutes Gefühl.
Ihm war klar, dass er soeben nicht gerade einen besonders kompetenten Eindruck hinterlassen hatte und das wurmte ihn, auch wenn er wie üblich versuchte, diesen Anflug von kritischer Selbsteinschätzung mit einer kurz verbalisierten Trotzhaltung zu überspielen.
Er sah auf die Uhr, wartete noch die verbleibenden wenigen Minuten bis zum offiziellen Dienstschluss ab, ließ dann noch einige Minuten vergehen, die er damit verbrachte, in der Schublade seines Schreibtisches nach einem Memorystick zu suchen, der sich in Wirklichkeit bereits in seiner Hosentasche befand.
Als der Kriminaler schließlich doch noch den Weg heraus aus dem Dienstgebäude fand, war es bereits eine gute Viertelstunde nach Dienst – Schluss, wie Rogge diesen Zeitabschnitt pointiert zu bezeichnen pflegte.
Auf direktem Weg begab er sich zu seinem Audi, den er vor wenigen Monaten günstig von einem Bekannten erworben hatte. Ihm war nicht entgangen, dass es auch innerhalb des Dienstes böse Zungen gab, die behaupteten, bei dem Bekannten habe es sich um einen bekannten Kriminellen gehandelt, der sich über den Preis für das Auto des besonderen Wohlwollens des Polizisten vergewissern wollte. Rogge hatte eingeräumt, dass auch andere Menschen zu Wortspielen fähig waren, sich ansonsten hiervon nicht weiter beirren lassen.
Wenn man bereits dadurch zum Kriminellen wurde, dass man als Grieche auf die Idee kam, mit Autos zu handeln, dann war sein Bekannter sicher ein Krimineller.
Noch auf dem Weg zu seinem Wagen sah er auf die Uhr und erinnerte sich daran, welchem anderen Bekannten er noch einen kurzen Besuch abstatten wollte.
„Wenn einer weiß, wie und wo man anklopfen muss, um an solche Spielsachen heranzukommen, dann vermutlich der,“ machte sich der Polizist Mut und stellte alle Bedenken zurück.
Als Rogge es eine knappe Stunde später geschafft hatte, sich durch den Feierabendverkehr zu dem Uhrmacher durchzukämpfen, erwartete ihn dort eine kleine Überraschung.
Kapitel 2
Er wurde Augenzeuge eines handfesten Streits, in dessen Verlauf ein aufgebrachter Mann, der vielleicht Mitte dreißig sein möchte, dem altern Herrn vorwarf, wissentlich mit falschen Angaben beim Verkauf alter Uhren zu arbeiten. Nur dem Einschreiten Rogges hatte es der alte Herr zu verdanken, dass es nicht zu Handgreiflichkeiten kam. Trotzdem sah sich der Gescholtene entgegen der Erwartung Rogges nicht einmal ansatzweise dazu in der Lage, ihm in der Sache weiterzuhelfen.
„Ich bin Uhrmacher, Herr Rogge, nicht Waffenhändler,“ hatte dieser ihm so unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass selbst Rogge Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser Aussage kamen.
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