Schatten und Licht. Gerhard Kunit

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schatten und Licht - Gerhard Kunit страница 44

Автор:
Серия:
Издательство:
Schatten und Licht - Gerhard Kunit

Скачать книгу

bald trug sie die Thermik höher und höher. Ein Feldhase wäre fein, schoss es ihr durch den Kopf.

      Die Krähe, schlag die Krähe, meldete sich eine andere Stimme, tief aus ihrem Inneren und doch entfernt.

      Weit unten, inmitten der grünen Hügel, sah sie Pferde in einer unnatürlich langen Reihe. Sie trugen Menschen auf ihren Rücken. Einer, der mit dem weißen Umhang, berührte etwas in ihr. Sie fragte sich, ob die seltsamen Zweibeiner wussten, dass sie als Beute zu groß waren und deshalb auf jegliche Tarnung verzichteten. Etwas weiter und doch viel zu nah – Zu nah? Wofür zu nah? – erkannte sie andere Reiter in noch größerer Zahl.

      Die Krähe! Schon wieder war diese Stimme in ihrem Kopf, diesmal eindringlicher. Schließlich entdeckte sie einen Punkt am Himmel, der unbeirrt der kleineren Reiterschar folgte. Diesem frechen Vieh würde sie zeigen, was es hieß, in ihr Revier einzudringen.

      Bald hatte sie die richtige Überhöhung. Sie winkelte die Schwingen an und ließ sich fallen. Immer schneller strich der Wind durch ihre Federn, berauschte sie, doch die Krähe erkannte die Gefahr und wich aus.

      Sylva Fänge schlugen ins Leere und sie kreischte zornig.

      Obwohl ihre Schwingen in den rasenden Fahrtwind griffen, schoss sie um etliche Flügelspannen an der Beute vorbei. Noch hatte sie die höhere Geschwindigkeit und die nutzte sie für einen zweiten Anflug, doch sie verfehlte abermals.

      Plötzlich war die Krähe über ihr, hackte mit ihrem Schnabel nach ihrer rechten Schwinge. Einmal, zweimal spürte Sylva heftigen Schmerz am Flügel, dann am Nacken. Sie ist zu wendig. Dreh ab.

      Wer mischte sich da in ihren Kampf ein? Konnte die Stimme recht haben? Sie wollte Höhe gewinnen. Sie flieht.

       Lass sie, ein Hase schmeckt sowieso besser.

       Schlag sie, bevor sie entkommt.

      Wieder schoss sie herab. Obwohl die Krähe abermals einen Haken schlug, schloss sich Sylvas linker Fang um etwas Weiches. Die heftige Gegenwehr des anderen Vogels brachte sie aus ihrer stabilen Fluglage und der Krähenschnabel hackte zornig nach ihren Fängen. Der Instinkt des Adlers wollte loslassen, aber eine stärkere Präsenz zwang sie festzuhalten.

       Ich habe keine Zeit mehr! Das wird knapp!

      Sylva zog die Schwingen an und ließ sich fallen. Mit zunehmender Geschwindigkeit wurde das Flattern der Beute heftiger, doch dann erlahmte es, als unter dem Druck des Sturzflugs ein Flügel brach. Der Boden kam schnell näher und damit auch der gefährliche Wald. Eine letzte Korrektur brachte sie in Anflug auf die kleine Reiterschar. Die Zweibeiner starrten ihr gebannt entgegen.

       Menschen sind Feinde.

       Nein, sie sind die Rettung.

      Instinktiv öffnete Sylva die Schwingen. Das Gewicht der Beute behinderte sie, aber sie ließ nicht locker, bis sie mit halb angezogenen Flügeln durch einen Busch rauschte und sich überschlug. Nicht einen Augenblick zu früh, durchzuckte es sie, als die Rückverwandlung einsetzte.

      Der Schmerz setzte ohne Vorwarnung ein. Wo der scharfe Krähenschnabel sie verletzt hatte, klafften blutende Wunden, und die Landung hatte hässliche Schürfungen hinterlassen. Torin und ein paar Männer liefen besorgt auf sie zu.

      Sie wollte sich aufrichten. Ein feurig lodernder Stich durchzuckte ihren rechten Arm und sie fiel mit einem spitzen Aufschrei zurück. Sie biss die Zähne zusammen um bei Sinnen zu bleiben. „Gebrochen“, stöhnte sie, als Torin heran war. „Du musst ihn einrichten.“

      Zwei der Männer richteten sie auf und fixierten ihren Oberkörper. Dabei fiel ihr Blick auf eine leblose weibliche Gestalt. Noch halb in der Verwandlung zur Krähe gefangen, lag sie wenige Schritte entfernt mit unnatürlich verrenkten Gliedern auf dem steinigen Grund. Wie es aussieht, habe ich das bessere Ende erwischt, ging es ihr durch den Kopf, doch der Gedanke wurde von einem weiß explodierenden Schmerz ausgelöscht, als Torin jäh an ihrem gebrochenen Arm zog.

       * * *

      „Du hättest den letzten Heiltrank nicht an mich verschwenden dürfen.“ Sylva hielt sich im Sattel. Sie wollte die Schmerzen, die Nachtfalkes Bewegungen auslösten, ignorieren, aber der magische Trank hatte nur die schlimmsten Verletzungen geheilt. Falls sie nicht zur Ruhe käme, konnte es Wochen dauern, ehe ihr Arm der Belastung eines ernsthaften Kampfes standhielt.

      „Tut mir leid“, grinste Torin. „Wir hatten keine Zeit eine Trage zu bauen und wenn wir Dich gleich begraben hätten, wären wir eingeholt worden.“

      Er hatte Recht. Halb ohnmächtig und mit kaputtem Oberarm wäre sie keine Stunde im Sattel geblieben, aber das nur die halbe Wahrheit. Torin war nicht objektiv, was sie betraf. Er hätte mehr als einen Heiltrank geopfert, um sie zu retten. Was, wenn er sich zwischen ihr und seinen Männern entscheiden müsste?

       * * *

       Torin, Leutnant der kaiserlichen Späher

      In einer Biegung des leicht ansteigenden Weges wandte sich Torin zu der losen Reihe um. Direkt hinter Sylva ritt ein Hüne mit blondem Vollbart und blitzenden, blauen Augen. Er hieß Ern, doch die Männer nannten ihn „Rammbock“. Zwei Pferdelängen dahinter folgte Larn. Die Soldaten nickten Torin aufmunternd zu. Er erkannte Bewunderung in ihren Mienen, aber auch Sorge um die tapfere Magierin.

      Larns Brauner stolperte.

      „Die Pferde brauchen eine Pause und die Männer auch“, sagte Sylva.

      „Wir sind zu langsam“, erwiderte Torin. „Aber Du hast recht. Wenn wir die Tiere zu Tode treiben, erwischen sie uns auch.“ Morgen wären sie an der Grenze und dort endete ihre Flucht. Er wusste es und seine Männer wussten es, aber niemand sprach es aus.

      „Larn, schnapp Dir einen Mann. Haltet hier Wache. Wir machen weiter oben Rast. In einer Stunde kommt ihr nach.“ Der Leutnant übergab dem erfahrenen Mann eines der beiden Signalhörner. Larn hatte scharfe Augen und war einer der besten Schützen. Torin konnte sich auf ihn verlassen.

       * * *

      Eine langgestreckte Lichtung bot sich für die Rast an. Die Männer fielen von den Pferden und blieben liegen, wo sie gerade waren. Voraus stieg die Straße steiler an und erklomm den licht bewaldeten Bergrücken in Serpentinen. Ein Grollen kündete vom baldigen Beginn des Unwetters.

      Torin überdachte ihre Lage. Berittene Schützen waren die schnellsten Truppen auf dem Schlachtfeld. Die Generäle zählten sie nicht einmal zu den regulären Formationen. Sie waren hervorragende Kundschafter und konnten überlegenen Gegnern ausweichen. So stand es im taktischen Handbuch, und in der Ebene mochte das auch stimmen. Hier in den Bergen, mit den gewundenen Passagen und dem unübersichtlichen Terrain, verloren sie ihren Vorteil und konnten jederzeit in einen Hinterhalt geraten.

      Torin wandte sich an Sylva. „Was weißt Du über Bael?“

      „Nicht viel“, gestand sie. „Sie legen Wert auf ihre Unabhängigkeit und kapseln sich vom Imperium ab. Der wenige Handel wird über das Meer abgewickelt. Wir können kaum auf gastliche Aufnahme hoffen. Meinst Du, wir kämen unbemerkt über die Grenze?“

      „Hier gibt‘s nur die eine Straße, also nein“, erwiderte Torin. „Selbst wenn wir

Скачать книгу