Geschwisterliebe. Detlef Wolf

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Geschwisterliebe - Detlef Wolf

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die sich neben ihn gesetzt hatte, nahm seine Hand. „Erzählst Du uns von ihnen?“

      Stephan sah sie lange schweigend an. „Meine Schwester und ich, wir waren so alt wie Ihr, damals. Nur umgekehrt. Ich war fünfzehn und meine Schwester dreizehn. Wir waren in Namibia bei den Großeltern. Die wohnen in Tsumeb. Das ist eine kleine Stadt im Norden. Mein Vater mußte von dort nach Windhoek. Das ist die Hauptstadt von Namibia, etwa vierhundertfünfzig Kilometer weit weg von Tsumeb. Er hatte keine Lust, die lange Strecke mit dem Auto zu fahren. Es gab ja auch Flüge von Tsumeb nach Windhoek. Also ist er geflogen. Meine Mutter und meine Schwester wollten mitkommen, um ein bißchen einkaufen zu gehen, während er zu tun hatte. Ich hatte keine Lust. Einkaufen war nicht so mein Ding. Also blieb ich bei meinen Großeltern. Das Flugzeug mit Carmen und meinen Eltern ist abgestürzt. Sie waren alle sofort tot.“

      Er machte eine Pause und wischte sich über die Augen. Nicole hielt noch immer seine Hand.

      „Wir haben sie in Tsumeb begraben. Ich bin dann zurück nach Deutschland. Ich mußte ja weiter zur Schule gehen. Ich hatte hier noch eine Großmutter, die Mutter meines Vaters. Die hat sich um mich gekümmert. Vor zwei Jahren ist sie auch gestorben. Seitdem wohne ich alleine hier.“

      Er stand auf und ging zu einem Wagen, auf dem Gläser und Flaschen mit allerlei Getränken standen. Dort schüttete er sich einen großen Whisky ein. Er nahm einen Schluck. Dann setzte er sich wieder zu den Kindern. Das Glas stellte er vor sich auf den Tisch.

      „Tja, so war das.“, sagte er. „Mein Vater war Finanzmakler. Er hatte sehr viel Geld. Ich hab das alles geerbt. Jetzt versuche ich, seine Geschäfte weiterzuführen. Es klappt ganz gut. Ich kann mich nicht beklagen. Das seht Ihr ja. Aber hier in Deutschland habe ich jetzt niemanden mehr. Mein Vater hatte noch einen Bruder. Aber mit dem hatten wir so gut wie nie was zu tun. Ich weiß gar nicht, ob er überhaupt noch lebt, und wo. Als meine Oma noch da war, hieß es, er sei nach Australien abgehauen. Weil er Schwierigkeiten mit der Steuer hatte. Aber ob das stimmt, weiß ich nicht. Die Eltern meiner Mutter wohnen noch immer in Tsumeb. Sie hatte auch zwei Brüder. Der eine hat eine große Farm in der Nähe von Okahandja, und der andere ist Rechtsanwalt und wohnt in Windhoek. Ich besuche sie ein- oder zweimal im Jahr. Sie sind alle sehr nett. Aber dort hinziehen möchte ich nicht. Ich möchte in diesem Haus wohnen bleiben. Auch wenn ich hier allein bin.“

      Er sah die beiden Kinder an.

      „Oder allein war“, sagte er lächelnd. „Jetzt seid Ihr ja da.“

      „Hast Du uns deshalb hergebracht? Damit Du nicht mehr allein bist?“ fragte Kevin.

      Stephan schüttelte den Kopf. „Nein, Kevin. Ganz bestimmt nicht. Ich bin allein sehr gut klargekommen. Außerdem hab ich auch noch ’ne sehr gute Freundin, die mich gelegentlich besucht. Die werdet Ihr bestimmt auch bald kennenlernen.“

      Er lachte und drückte Nicoles Hand. „Nee, Ihr beide, Ihr seid mir passiert. Das hab ich ja schon gesagt. Und jetzt bin ich froh, daß ich Euch ’n bißchen helfen kann.“

      „’N bißchen ist gut“, meinte Nicole. „Was Du machst, ist schon mehr als ’n bißchen.“

      „Naja, seh’n wir mal, wie’s weitergeht. Erstmal werde ich mich jedenfalls jetzt um Euch kümmern. Wenn Ihr wollt, heißt das.“

      „Na klar wollen wir“, sagte Kevin. „Wir wären ja blöde, wenn nicht.“

      „Na also, dann hätten wir das ja geklärt. Eure Mutter ist damit einverstanden, und Euer Vater kann in der nächsten Zeit erstmal gar nichts machen. Und in Eurer Schule wissen sie auch Bescheid.“

      Zufrieden nahm er sein Glas und trank einen weiteren Schluck.

      „Mögt Ihr auch was?“ fragte er.

      „Davon?“ Nicole zeigte auf Stephans Glas. „Nee danke, ganz bestimmt nicht.“

      Stephan lachte. „Nee, davon hättet Ihr auch ganz bestimmt nix gekriegt. Aber ’n Glas Saft vielleicht. Oder Milch?“

      „Was hast Du denn für Saft?“ erkundigte Kevin sich.

      „Eigentlich alles. Sag mir nur, was Du willst.“

      „Dann Apfelsaft, bitte.“

      „Und Du?“ Er wandte sich an Nicole.

      „Auch, bitte.“

      Stephan ging in die Küche, um den Saft für die Kinder zu holen.

      „Schlimm, nicht?“ meinte Kevin zu seiner Schwester, als Stephan draußen war.

      Sie nickte. „Gleich die ganze Familie tot. Eltern und Schwester. Und die waren anscheinend eine gute Familie. Sehr traurig.“

      Stephan kam zurück mit den Gläsern. „Na, was guckt Ihr so bedröppelt? Tut Euch was weh, oder was? Wie ist das überhaupt bei Dir, Nicole? Die Betäubung dürfte ja jetzt langsam nachgelassen haben.“

      „Ja, und es tut auch wieder weh, aber man kann’s aushalten. Es war schon schlimmer.“

      Sie tranken einen Schluck.

      „Wie seid Ihr eigentlich in der Schule?“ erkundigte Stephan sich.

      „Och, ganz gut“, antwortete Nicole. „Wir geben uns Mühe. Wenigstens da kann uns der Alte ja nicht dazwischenfunken. Nur blöd, daß wir morgens immer so müde sind, wenn er uns abends vorher mitgenommen hat.“

      „Na, das kommt ja nun nicht mehr vor“, versicherte Stephan. „Und ich werde schon dafür sorgen, daß Ihr rechtzeitig ins Bett kommt.“ Er wandte sich an Kevin. „Nur leider wirst Du ja jetzt ’ne ganze Menge verpassen.“

      Aber Kevin winkte ab. „Halb so schlimm. Das hol ich schon wieder auf. So schwer ist das ja nicht, was wir da machen.“

      „Er ist der beste in seiner Klasse“, sagte Nicole stolz.

      „Und Du?“

      Sie sah verlegen zu Boden. „Ich auch“, gab sie leise zu.

      „Konntet Ihr da nicht zum Gymnasium gehen?“

      Nicole sah ihn böse an. „Du bist gut“, schnappte sie. „Wer hätte uns denn da wohl hinschicken sollen?“

      „Aber Ihr wärt gerne gegangen?“

      Nicole zuckte die Achseln. „Ja sicher. Die Lehrer wollten auch, daß wir gehen. Aber der Alte wollte nichts davon wissen. Und unsere Mutter hatte sowieso nichts zu sagen.“

      Stephan sagte nichts mehr dazu. Er nahm sich vor, mit Lohner, dem Mathematiklehrer, zu reden. Es mußte doch eine Möglichkeit geben, die Kinder auch jetzt noch auf die höhere Schule zu schicken.

      Kevin stand auf. „Ich glaub, ich leg mich mal wieder ins Bett.“

      Stephan sah ihn an. Das Gespräch schien den Jungen deprimiert zu haben. „Mach das“, sagte er. „Soll ich gleich nochmal nach Dir sehen?“

      „Wenn Du willst“, antwortete Kevin.

      Er nahm seine Decke und sein Kissen und schlich davon. Nicole stand ebenfalls auf. „Ich glaub, ich geh dann auch mal“, sagte sie.

      Stephan

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