Der Kampf der Balinen. Kathrin-Silvia Kunze

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Der Kampf der Balinen - Kathrin-Silvia Kunze

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Das Mädchen kniff die Augen zusammen und lauschte angestrengt. Obwohl es noch jung war, war sein Gehör schon jetzt ausgezeichnet. Es klingt wie ein aufgeregter, wütender Schwarm von Bienen, dachte das Kind. Doch anstatt nun endlich Angst zu bekommen und sich schnellstmöglich von diesem wunderlichen Ort zu entfernen, trat es nur noch näher heran. In mitten des Erdhügels war ein Tor eingelassen, das in den Boden führte. Ein Eingang, hinein in das Erdreich. Das Tor war seit jenem Tag geöffnet, wusste das Mädchen. Aber dennoch konnte sie zu ihrem tiefen Bedauern nicht hinein schauen. Denn seit dem verhängnisvollen Unglück hatten die Erwachsenen den offenen Eingang mit einer Mauer aus vielen schweren, lose aufgestellten Baumstämmen versperrt. Dennoch erhaschten ihre scharfen Augen immer wieder ein kurzes, rotes Aufleuchten dahinter. Das Mädchen trat noch etwas näher heran und lehnte sich nun sogar gegen die Holzstämme. Das rechte Auge geschlossen, spähte sie mit dem linken durch einen Spalt zwischen den unebenen Baumstämmen hindurch. Blutgeruch! Das Mädchen musste würgen und fürchtete schon sich übergeben zu müssen. Schnell griff sie in ihr Wams und zog einen großen Stängel Bitterkraut daraus hervor. Eilends stopfte sie sich die Heilpflanze in den Mund. Während sie hektisch darauf herumkaute überzog ein kalter, bitterer Geschmack ihre Zunge und vertrieb damit das Gefühl der Übelkeit. Das Mädchen hatte sich auf diesen unschönen Moment gut vorbereitet. Denn seit jenem schrecklichen Tag hatte sie jedes Mal, wenn sie hier in der Nähe vorbei gekommen war, einen Übelkeit erregenden Geruch wahrgenommen. Das geronnene, alte Blut derer, die damals hinein gegangen waren, erfüllte noch immer die abgestandene Luft dort unten. Seit damals war es auch strengstens verboten, sich dem nur notdürftig wieder verschlossenen Tor zu nähern. Es war das erste Mal gewesen, dass das Mädchen in NordcumMelan die Ausrufung eines Verbotes erlebt hatte. Und es galt auch für die Erwachsenen, vor allem aber für die Kinder. Doch das wunderschöne, geheimnisvolle rote Licht zog das Mädchen einfach unwiderstehlich an. Dazu die erschreckend aufregenden fremden Geräusche. Die Neugierde wurde ihr schier unerträglich. Sie merkte nicht einmal, wie ihre Füße langsam immer kälter wurden und sich ein Taubheitsgefühl hinauf in ihre Beine schlich. Was war das dort unten den bloß? „Ich möchte es sehen.“, murmelte sie leise vor sich hin. Doch die dicken Rindenreste der schnell und nur grob behauenen Baumstämme bildeten ein dichtes Netz, das ihr die Sicht verwehrte. „Finna?“, vernahm sie in der Ferne den Ruf einer Frau. Mutter ruft, dachte sie geistesabwesend. Aber schon war der Gedanke wieder fortgewischt. Denn ein neuerliches Geräusch erklang aus dem Untergrund und fesselte Finnas Aufmerksamkeit. Es war ein gleichmäßiges Klopfen, das immer weiter anschwoll. War dort drinnen womöglich noch jemand? Finna runzelte nachdenklich die Stirn. Womöglich war er verwundet, konnte nicht sprechen und versuchte auf sich aufmerksam zu machen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, so gut das mit ihren eiskalten Füßen überhaupt noch möglich war. Sie musste einfach irgendwie doch noch einen Blick in das Innere erhaschen! Da schrie Finna plötzlich laut auf. Der Schreck fuhr ihr durch alle Glieder und löste die Kältestarre darin mit der Schnelligkeit eines Wimpernschlags. Finna spürte eine kalte, schwere Hand auf ihrer rechten Schulter. Und eine dunkle, tiefe Männerstimme knurrte: „Bist du von Sinnen Kind?“ Die Hand verstärkte ihren Griff und drehte Finna unsanft herum. Das Mädchen sah sich einem großen, in dicke, warme Kleidung gehüllten Mann gegenüber. Sein Kopf und das Gesicht waren gegen die Kälte mit einem Filztuch umwickelt, so dass nur seine Augen zu sehen waren. Im Winter wurde dieses Tuch von den meisten in NordcumMelan getragen. Aber Finna mochte es nicht, weil es so unangenehm an der Nase kratzte. Und so konnte sie nun auch nicht erkennen, wen sie da vor sich hatte. Auch hatte der Wind sich gedreht und peitschte die Schneeflocken jetzt genau in Finnas Gesicht. Sie blinzelte tapfer an gegen diesen kalten Flaum, der ihr die Sicht raubte, während sich der Schnee auf ihren Wimpern in Wasser verwandelte. So konnte Finna auch nicht erkennen, dass der große, breitschultrige Mann vor ihr nur mehr einen Arm besaß. Halte dich gefälligst von diesem Schreckensort fern, verstanden!“, grollte er mit seiner dunklen Stimme ungnädig. „Oder meinst du etwa, es ist noch nicht genug Leid hier geschehen?“ Noch bevor Finna etwas darauf erwidern konnte, erklang plötzlich wieder der Ruf ihrer Mutter. Und das war gut so. Denn trotz ihrer tapferen, aufgeweckten Art, hätte selbst Finna auf solche Fragen keine kluge Antwort mehr gewusst. „Finna? Wo bist du nur? So antworte mir doch! Hast du etwa gerade geschrieen, mein Kleines?“ Dieses Mal klang die Stimme ihrer Mutter deutlich näher, aber vor allem auch deutlich höher und ängstlicher. „Aranee ruft dich!“, stellte der Mann trocken fest. Dann schnaubte er kurz. Aber es klang so verächtlich, als wolle er ihr damit sagen, dass ein ungehorsames Kind wie sie, solch eine gute Mutter nicht verdient hatte. Das ist seine Meinung, dachte Finna trotzig. Aber wie zur Bestätigung rief Aranee nun ausgerechnet: „Ich habe dein Lieblingsessen gekocht! Brotsuppe mit grünen Linsen. So dick, dass der Löffel darin stecken bleibt. So antworte mir doch, bitte!“ „Lauf!“, knurrte der Mann und gab Finna frei. Das lies sich das Kind nicht erst ein weiteres Mal sagen und rannte, so schnell es mit der dicken Kleidung in dem stürmischen Schneetreiben nur konnte. „Mutter!“, rief Finna dabei immer wieder laut und dankbar. „Mutter, ich bin hier! Ich komme!“ Doch leise flüsternd versprach sie sich selbst: Irgendwie werde ich doch noch einen Weg dort hinein finden! Aber kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, da war ihr, als hörte sie den unheimlichen Mann wieder knurren. Und auch später noch vermochte sie nicht mit letzter Sicherheit zu sagen, ob dieses kehlige Geräusch wirklich nur eine Täuschung ihres schlechten Gewissens gewesen war.

      9. Kapitel

      Faloee warf noch ein paar dürre, vertrocknete alte Zweige in die Flamme. Dabei murmelte sie leise geheimnisvolle Segensworte vor sich hin. Bald darauf schon konnte sie beobachten, wie das magische Feuer immer weiter aufloderte, bis schließlich glühend rot Flammen daraus hervor züngelten. Die Morgensonne des Neubeginns, huschte es Faloee bei diesem Anblick durch den Sinn. Und wirklich. Ähnlich der zunehmenden Kraft der Sonne im Laufe eines Frühjahrs, so wurde auch der Schein des Feuers immer stärker. Und dann kam der Augenblick, wo die Magie zu wirken begann. Gleißend helle Strahlen weißen Lichts brachen aus dem roten Feuer hervor und flossen in den Raum hinein. Erst waren es nur einzelne, wenige, aber es wurden immer mehr und mehr. Wann immer sie gegen eine Wand auftrafen, wurden sie gebrochen und zurück in den Raum geworfen. Bis schließlich die gesamte Behausung von einem Spinnennetz aus weißem Licht durchzogen war. Auch Faloee selbst wurde davon getroffen. Doch das war nicht weiter schlimm. Denn das magische Licht war so sanft und weich in jeder seiner Berührungen, als wäre es ein milder Frühlingswind. Sein Glanz spiegelte sich in Faloees schönen, sanft und weise blickenden, grauen Augen. Das Licht überzog ihr blasses, scheinbar altersloses Gesicht und schimmerte auf ihren langen, welligen, hellbraunen Haaren. Faloee lächelte. Sie war mit ihrem Werk zufrieden. Alles würde nun von dunklen Energien gereinigt und so erneuert werden. Der Segen für ihre Heimstadt hatte gewirkt. Das rote Feuer würde mit seiner Wärme die klamme Kälte des vergangenen Winters aus allen Ecken und Ritzen vertreiben. Und viel mehr noch, würde sein weißes Licht alle dunklen Energien des vergangenen Jahres in ihrem Versteck aufspüren. Es würde sie ausleuchten bis sie selbst in helles Licht gewandelt wurden. Oder aber bis sie vergingen, lautlos, ganz so, als seien sie nie gewesen. Faloee runzelte nachdenklich die Stirn. In dieser Sache war sie sich nie ganz sicher. Wurde die dunkle Energie nun vom Licht gewandelt oder getilgt?! Schließlich zuckt Faloee mit den Schultern. Vielleicht konnte sie dieses Rätsel eines Tages noch für sich lösen. Jedenfalls konnte erst nach dieser magischen Reinigung wirklich etwas Neues beginnen. Nun erst würde der neue Jahreszeitenzyklus gesegnet sein. Faloee lächelte und sprach die abschließenden rituellen Worte: „Hiermit verabschiede ich mich dankbar vom alten Jahr und heiße das neue Jahr willkommen!“ Und kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, löste sich das weiße Lichtnetz auf und floss zurück in das Feuer. Dieses zischte einmal laut auf, dann war alles wieder still. Und wo eben noch ein auffälliges, blutrotes Feuer gezüngelt hatte, brannte nurnoch eine einfache, kleine gelbe Flamme. Faloee richtete sich auf und klopfte sich zum Zeichen einer geleisteten Energiearbeit lautstark die Hände aneinander ab. „So“, sprach sie, „es wird nun höchste Zeit für unseren wichtigsten Gast heute.“ Faloee öffnete die Haustür und zog die schweren Vorhänge an den Fensteröffnungen zur Seite. Dann stellte sie sich an die offene Tür und machte eine große, einladende Armbewegung, wobei sie anmutig den Kopf neigte, bis ihr langes Haar fast den Boden berührt hätte. Ganz so, als wolle sie den jungen Morgen zu sich einladen. Und der junge

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