Four Kids. Byung-uk Lee
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„Setz dich“, bat Soo-jung.
Sie nahm auf einem harten Stuhl Platz, während Soo-Jung das Maul des Kühlschranks öffnete, in dessen Innenleben sie einen kurzen Blick werfen konnte. Spärlich gefüllt, wie es sich für einen Junggesellen gehörte. Eine kleine Schale mit Kimchi, Nudelreste unter einer Frischhaltefolie, eine angebrochene Packung mit Würstchen, wahrscheinlich Leckerbissen für den Hund, und einige Dosen Bier und Limonade. Das summende Maul schnappte wieder zu und Soo-Jung kam mit zwei gekühlten Dosen 7up wieder zum Tisch.
„Hier trink, du bist bestimmt durstig.“
„Eigentlich nicht“, gestand sie offen.
Trotzdem stellte er ihr die grüne Dose vor die Nase und öffnete seine, die ein bedrohliches Zischen von sich gab. Sie schob ihre Hand über die kühle Tischplatte und bat um seine Wärme. Soo-Jung trank einen kräftigen Schluck, wischte sich den Mund ab und gab ihr die Zärtlichkeit, nach der sich das Mädchen sehnte. Lange Zeit schwiegen sie und blickten sich in die Augen. Sie versank in seinen großen, schönen Augen, die mandelförmig ein kräftiges Braun in sich bargen. Und er versank in ihren Augen, die schmal, aber trotzdem schön waren, da sie eine weibliche Güte und Unschuld beherbergten. Über Jungs hatte sie sich vorher selten Gedanken gemacht. Vielleicht weil die meisten, die sie kannte, innerlich verroht waren. Soo-Jung kleidete sich gern im Mantel des Selbstbewussten, aber sie wusste, im Inneren war er ein kleiner, schüchternen und ängstlicher Junge, der Niemanden auf der Welt hatte und sich einsam fühlte. Sie hingegen hatte noch Familie und fühlte sich trotzdem genauso. Zwei Negativpole, die sich entgegen der physikalischen Gesetze anzogen. Gerade das war es, was Hyuna in ihrer Überzeugung bestärkte, dass das perfekte Glück nicht existierte. Sie wollte aus dem Käfig des grauen Alltags ausbrechen, die Sackgasse verlassen, die ihr den Weg versperrte. Die Gesetzlosigkeit und uneingeschränkte Freiheit der Krähen am Himmel das war es, wonach sie sich sehnte.
Sein jugendliches Gesicht kam näher und sie küssten sich. Soo-Jungs Atem hatte durch den Softdrink einen Kaugummiduft, der nun künstlich warm über ihre Haut wanderte. Ihre Nasen berührten sich in einem liebevollen Schwertkampf. Heute würde es passieren. Sie würde ihm ihren Körper schenken, der noch unbefleckt war wie ein schneeweißes Laken. Es war nicht der Ort, den sie sich dafür vorgestellt hatte, aber ihre Begierde nach ihm war unbeschreiblich, sodass sie seine Hand ergriff und ihn zur Matratze führte. Von dem ganzen Liebesspiel bekam Kurt Cobain nichts mit. Der Taiwanhund schlief noch tief und fest in seinem Körbchen. Mit der Behutsamkeit eines Unerfahrenen zog Soo-Jung ihr die Schuluniform aus, während ihre Hand sanft unter seinem T-Shirt ruhte und seinen Brustkorb ertastete.
„Woher stammt die Narbe?“, fragte sie.
Es befand sich unter dem rechten Nippel ein fleischiger Wulst.
„Jetzt nicht“, meinte er sanft lächelnd.
Sie schwieg. Er hatte recht. Worte sollten diesen magsichen Moment nicht zerstören. Draußen dröhnte der Verkehrlärm mit einer unerträglichen Stetigkeit, die in das Summen des Kühlschranks einfloss.
„Ich“, sagte sie zitternd, als wäre schlagartig ein kalter Luftzug durch die Wohnung gefegt, „sollte jetzt gehen.
„Habe ich etwas falsch gemacht?“
„Nein, hast du nicht.“
Mit ungewohnter Hast zog sie ihre Uniform an, während sein nackter Oberkörper auf der Matratze ruhte. Es war ein Fehler gewesen. Die Begierde hatte sie blind gemacht. Blind für die Tatsache, dass sie noch nicht bereit für den nächsten Schritt war. Lange hatte sie davon geträumt, den Jungen zu finden, mit dem sie es wagen wollte, aber etwas hielt sie davon ab. Sie konnte selbst nicht erkennen, was es war. Es war so, als würde sie eine unsichtbare Hand führen und ihr Handeln bestimmen. Sichtlich zerstreut blieb Soo-Jung liegen, während sie die Tür öffnete und ihm einen letzten Blick zuwarf, bevor sie die Wohnung verließ und das Treppenhaus runterhastete. Die Seitentür zum Imbiss stand offen. Aus dem Geschäft klang es nach Menschen. Sie horchte genau hin, weil sie die Fähigkeit besaß, ihre Ohren für Dinge um sich herum öffnen. Neben Gelächter und undefinierbaren Gesprächen, war das Klappern von Besteck und schlürfende Schmatzen der Gäste zu vernehmen. Im Dampf eingehüllt sah sie die verschwommene Silhouette des Kochs, der ihr noch zum Abschied freundlich zuwinkte. Als Hyuna unfreundlich vom Straßenlärm empfangen wurde, verlangsamte sich ihr Tempo. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie doch zu Soo-Jung zurückkehren sollte, ihm wenigstens eine Erklärung liefern, die ihm aus dem Labyrinth der Verwirrung herausführen konnte. Doch sie entschied sich anders. Die Zeit für Erklärungen befand sich in der Zukunft. Zuerst musste sie nach Hause und sich ihrer Gefühle klarwerden. Aus unerfindlichen Gründen wollte sie Heim. Zu dem Haus, das sie jahrelang verlassen wollte, um Neues zu entdecken. Die einsame Insel im Meer aus Asphalt, der so hart und trostlos sein konnte, wie eine Steinwüste. Ihr Bruder war das einzige Licht, das sie an diesem düsteren Ort hielt.
Es war schon dunkel in der Wohnung. Irgendwo in der Ecke konnte sie das unruhige Schnarchen ihres Vaters vernehmen, der wieder betrunken eingeschlafen war. Ein noch dunklerer Umriss schlich in der Schwärze herum. Schmunzelnd beobachtete Hyuna das Schauspiel. Ziel des bewegenden Schattens war der Kühlschrank, der sich lautlos öffnete und vom dumpfen Licht beleuchtet war kurz das junge Gesicht ihres Bruders zu erkennen, der etwas stahl, wonach sich der kleine Räuber wieder davonschlich. Draußen bellte ein Hund und riss Jun-Su fast aus den Träumen, wenn er überhaupt träumte. Hyuna kannte niemanden, der so wenig Fantasie besaß wie ihr Vater. Sein Gehirn schien jegliche Vorstellungskraft verbannt zu haben. Er beschäftige sich nur mit der Realität und wich von diesem Pfad stur nicht ab. Der kleine Diebstahl hatte sie einen Moment abgelenkt. Sie dachte immer noch an Soo-Jung. Heute hatte sie sich seinen Zärtlichkeiten verweigert. Wie sollte es mit ihnen weitergehen?
Der kleine Ji-Min hockte in der Ecke seines Zimmers. Auch hier beleuchtete das schwache Licht den spärlich eingerichteten Raum. Gierig wie ein Raubtier zerrte er an der Stange aus gepresstem Krebsfleisch, die sich in seinem Speichel langsam auflöste.
„Hast du wieder Hunger gehabt?“, fragte Hyuna liebevoll.
Er nickte und schlang weiter alles hinunter.
„Was hältst du von roten Tapeten?“, fragte er schmatzend.
Mit seinen schmalen Augen betrachtete er den Raum. Die dunkelgrünen Tapeten waren stellenweise runtergerissen worden und gaben vulgär nackten Zement preis. Hyuna hockte sich auf ihre Schlafmatte, die sie mit ihrem Bruder teilte. In kalten Nächten wärmte sie sein kleiner Körper, in trostlosen Zeiten seine Liebe. Sie mochte es an seinen verschwitzten Haaren zu riechen, wenn sie hinter ihm lag. Denn der Schweiß eines Kindes roch anders. Er stank nicht, sondern strömte Unschuld aus.
„Rote Tapeten“, wiederholte sie sich umblickend.
„Ja, so rot wie Frau Lees Lippenstift.“
Sie fuhr durch seine Haare und hielt sanft ein Büschel fest.
„Eine andere Tapete bedeutet nicht ein anderes Leben, kleiner Bruder.“
Er senkte enttäuscht den Kopf. Sie hasste sich selbst dafür, ihm seine Illusionen zu rauben. Mit einem Hammer seine Träume zu zerschmettern. Wie eine Glasur überzog Scham ihren Körper und sie legte sich mit ihm in den Schlafsack. Nach der harten Wahrheit wollte sie ihm wenigstens ein Quäntchen Trost spenden. Ji-Min schmiegte sich enger an ihren Körper. Außerhalb des Zimmers hörte sie Jun-Su,