Das Haus der Luftblumen. Nancy Salchow
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„Texte. Wie schön. Also, ich habe ja neulich erst die Silberhochzeitszeitung für meine Eltern gemacht. Das war vielleicht eine Arbeit, sag ich dir.“ Sie öffnete die Schublade der Küchenvitrine und zog einen Aschenbecher heraus. „Anekdoten aus der Vergangenheit zusammentragen, Verse aus dem Internet an ihre Persönlichkeiten anpassen. Stressig, stressig. Das überlasse ich bei künftigen Feierlichkeiten lieber anderen Familienmitgliedern.“
Ich nickte wortlos, während ich missmutig die glühende Zigarette in ihrer Hand wahrnahm.
„Und womit verdienst du dein Geld?“, fragte sie.
„Wie gesagt, ich schreibe Songtexte.“
„Und davon kannst du leben?“
„Na ja, natürlich hat es eine Zeitlang gedauert, bis es sich auch finanziell auszahlte. Man muss sich erst einen Namen machen.“
„Du sagst es. Einen Namen braucht man heutzutage bei fast allem. Mein Udo zum Beispiel, der ist mit seiner Dachdeckerfirma mittlerweile so gut im Geschäft, dass ich meinen Job in der Strandboutique vor zwei Jahren aufgeben konnte.“
„Das freut mich.“
„Ja, ich habe schon einen guten Fang gemacht mit ihm.“ Lachend warf sie den Kopf in den Nacken. „Wobei man wohl eher sagen kann, dass er mich gefangen hat. Der hat mir vielleicht Avancen gemacht, das kannst du dir nicht vorstellen. Anrufe, Blumen. Monatelang.“
Ungeduldig beobachtete ich die nur langsam kürzer werdende Zigarette in ihrer Hand. Ob Udo sie gerne reden hörte?
Ich war kein Morgenmensch. Die Tatsache, dass es erst neun war, erschwerte das kurzfristige Schmieden eines Plans, der sie elegant und schnell aus meiner Vier-Wochen-Idylle befördern würde.
Gerade als sie zu einer weiteren Anekdote ansetzen wollte, fiel ich ihr ins Wort. „Es tut mir wirklich sehr leid, Celine, aber mir ist eben eingefallen, dass ich noch einen Termin habe.“
„Tatsächlich?“
„Ja, eigentlich hätte mich die Kalenderfunktion meines Handys daran erinnern sollen, aber es ist neu und ich habe wohl irgendetwas beim Erstellen des Memos falsch gemacht.“
„Ach, hör mir auf mit Handys. Erst letzten Monat haben Udo und ich uns nach neuen umgesehen. Es sollten Partnermodelle sein. Also, meins in Pink, seins in Dunkelblau, und was meinst du, was die für Farben zur Auswahl hatten? Weiß und schwarz. Ist das nicht einfältig?“
Das Wort einfältig aus ihrem Mund zu hören barg eine gewisse Ironie in sich.
„Ja, das ist wirklich ärgerlich.“ Ich erhob mich vom Stuhl. „Ich würde ja gerne noch weiter mit dir plaudern, Celine, aber der Termin ist sehr wichtig und wenn ich mich jetzt nicht umziehe ...“
„Das verstehe ich natürlich.“ Endlich stand sie auf. „Aber wir müssen unsere Unterhaltung unbedingt fortsetzen, hörst du?“
Ich biss mir auf die Lippe.
„Im Oberdorf gibt es morgen einen kleinen Flohmarkt, den meine Schwiegereltern jeden Monat ausrichten. Bücher, Kinderspielzeug, Haushaltsartikel. Ich werde auch dort sein und einen Schuhstand organisieren.“
„Schuhe“, wiederholte ich abwesend.
„Wir sind von neun bis sechs Uhr abends da.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich es schaffen werde.“ Die Tatsache, dass sie ein Dorf, das so klein war wie dieses, in ein Unter- und Oberdorf einteilte, hätte mich unter anderen Umständen zum Lachen gebracht.
„Du musst es auf jeden Fall versuchen“, antwortete sie und presste die Lippen wie ein beleidigtes Kind aufeinander.
„Versuchen werde ich es sicher, aber jetzt muss ich mich wirklich beeilen. Mein Termin wartet, und ich weiß noch nicht mal, was ich anziehen soll.“
„Wenn du willst, kann ich dir beim Aussuchen helfen.“
Beim Aussuchen helfen? Hatte diese Frau eine Wahrnehmungsstörung? War ihr denn nicht klar, dass wir uns seit vierzehn Jahren nicht gesehen hatten? Dass uns weder damals noch heute auch nur der Ansatz einer Freundschaft miteinander verband?
„Das ist nett gemeint“, antwortete ich, während ich sie zur Tür begleitete, „aber ich werde schon etwas Passendes finden. Ich suche meine Klamotten immer erst kurz vorher heraus.“
„Wenn du meinst.“
„Ich schaffe das schon, keine Sorge.“
„Na, dann viel Spaß bei deinem Termin.“
„Mach's gut, Celine“, rief ich ihr von der Schwelle aus nach.
„Mach's guhuuut“, sang sie regelrecht.
Reflexartig ließ ich die Tür ins Schloss fallen und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Mit jedem Atemzug, den ich wie nach einem Dauerlauf von mir gab, wurde ich wütender auf meine Mutter. Warum war sie nur auf die Idee gekommen, meinen Aufenthalt preiszugeben? Und wie war ich darauf gekommen, ihn ihr zu verraten? Ihre Redseligkeit war schließlich nicht neu und ich nicht erst seit gestern ihre Tochter!
Wie erstarrt verharrte ich eine Weile in dieser Position. Und wieder war es der eigentliche Grund meines Aufenthaltes, der sich in meine Gedanken schob. Das Album. Die Texte. Und die immer wiederkehrende Frage nach der Kraft, die ich dafür aufbringen musste.
Das Telefonat vom gestrigen Abend lag mir noch immer im Magen. Wie viel Zeit hatte ich bisher mit meinen Gedanken an Piet verschwendet? Bereits zwei Versuche, eine Beziehung mit einem anderen Mann einzugehen, waren an meiner Angewohnheit gescheitert, jeden mit Piet zu vergleichen. Wollte ich mir nun auch noch meine einzige Leidenschaft von meinen eigenen Emotionen kaputtmachen lassen? Viel zu hart hatte ich dafür gekämpft, mir einen Namen in der Branche zu machen. Und ich liebte, was ich tat. Trotz oder gerade wegen der Dinge, die geschehen waren.
Meine Gedanken wanderten zum Kleiderschrank. Nein. Umziehen konnte ich mich auch später noch. Der Laptop, der auf dem Sessel im Wohnzimmer lag, schien wesentlich verlockender. So gesehen hatte ich Celine noch nicht mal belogen. Ich hatte einen Termin, auch wenn ich diesen im Bademantel wahrnehmen konnte.
Ich setzte mich aufs Sofa, zog den Laptop auf meine Knie und schaltete ihn ein. Wie gewohnt öffnete ich zuerst das Textprogramm, um den aktuellen Stand meiner Arbeit zu prüfen.
Ich hab zu lange gefehlt
In deinen Zukunftsskizzen
Viel zu lange gewartet
Auf einen Platz im Sitzen
Nur ein Stehplatz am Fenster
In stickigen Massen
Um am Ende mich selbst
Auf der Strecke zu lassen