Meister Joachim Pausewang. Erwin Guido Kolbenheyer

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Meister Joachim Pausewang - Erwin Guido Kolbenheyer

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schön, liebe Pausewangin – jedoch habet Ihr nit ein Leder, gut vor Regen und Schnee und vor unsre schlimme Conjunctura?“

      Tritt Burgemeister Herr Michael von Flandrian in unsern Gadem.

      „Nehmet mir ein reichlich Maß, Meister Pausewang, dann ich setz an, sunderlich bei den Waden, den Zeiten zu Trotz. Und schmieret das Leder mit der fürtrefflichen Tinctur, so Euer Schwiegervater selig, der Meister Siegemund, destilliret hat.“

      „Wadenstiefel? Hochmögend Herr Burgemeister, noch ist Summerszeit und Ihr werdet an so schwerem Schuhwerk schleppen. Hie liegt das spanisch Leder, so Euch an dem letzten Paar sehr behaget.“

      Ich richt’s ihm augenfällig dar, allein er:

      „Ei, was sinnt Ihr eim protestantschen Edelmann an, der kennt jetzt kein spanisch Leder. Wär allzu schlapp, hält nit anderst, als wie die spansche Schlachtordnung bei Leipzig. Der lutherisch Edelmann muß in tüchtig deutschem Leder hergehn, das dauern kann wie unser Evangelium, trotz römscher Wirtschaft von tausend Jahrn!“

      Läßt der Herr Junker Strör von Gellwitz mir sein geneigten Gruß bestellen und er brauchet Schuh. War allerweg eine groß Conferenz, da der Junker nichts dann das Allerzartest trug. Nehm also den Jungen mit und trag selbst einen großen Pack Seiden, Rauchwerk, Posamenten, Knöpf und Schellen. Das breitet ich vor ihm dar und ließ es nit am Lobe gebrechen, sunderlich meines besten Leders. Schweifeten auch des Junkers Augen fast wohlgefällig über dem Zeug, er prüfet das und dies und just immer das Best, dann er versteht sich drauf und kunntest ihn niemals nit beschwatzen.

      „Ah, Mäter Posewang, ist das Euer ganze Provision?“

      Ich bemerket, es seie das Erwähltest und möcht dem subtilsten Geschmack wohl genügen.

      „Sertänmang, ich habe ja auch zu Paris kaum einen bessern Cordonnier gefunden, als ich Euch stets versichere, und das will etlichs sagen – aber wisset ihr nit, daß mir der Waldsteiner meine Mühlen zu Neisse niedergebrannt hat?“

      Ich vermeinet, er möcht die Mühlen auch auf geringerem Schuhwerk nimmer zurückgewinnen, und wenn schon er nit mehr Elegantiam pflegen kunnt, wer sollt dann zu Breslau in zierlichen Schuhen gehn?

      „Ah, Mäter Posewang, Ihr redet mir wohl nach dem Herzen, aber leider nit nach dem Beutel. Müsset dermalen schon den Meister Rotgerber um meine Schuh consultirn.“

      Also rafften wir wieder all unser Seiden, Rauchwerk, Drotteln, Silberknöpf und Leder auf, schlichen davon. Junker Strör von Gellwitz winket uns sehr geneigt zu, merklich fast unter Tränen.

      Die vergangne Herbestzeit erwuchs in mir als eine Offenbarung. Meister Jakob, lebten nit deine Lehren ganz in meinem innern Lichte auf? Wahrlich der Geist hat aus dir gesprochen, und sein auch deine Zung und Feder nur niedrig Werkzeug, so lieget doch Gottes Fülle darinne. Was sein dagegen die Zungen und Federn deiner Widersacher! Boten der Finsternis und ein Lattenzaun vor den Augen, sehen alls nur haibet. Stehen mehrest unter dem Zornfeuer Luzifers. Auch der hält sein giftige Flamm vor göttlichs Licht. Weiß nit, was ich mehr verachten kunnt als einen, ders wilde Feuer vor Licht ästimirt, wie du, verblendeter König Luzifer. Und hast doch groß Gewalt in dieser halbtoten Kreatur.

      Da lagen sie beid hinter ihren Schanzen: die versprengten Kaiserlichen von Leipzig und Steinau her, und Sachs und Schwed. Zwischen beiden das Ohlauer Moor mitten inne, falbig, voll weicher Beulen und pestilenzischem Hauch. Und lagen wie die zwo Qualitäten Herbigkeit und Bitternis, so der Meister Jakob beschrieben: Herbigkeit, die alls zusammenzieht, verkrümmt und verhärt’, über dem Lager der Kaiserlichen – und Bitternis, so alls durchstoßet, zerschneidet und zerfrißt, bei Schwed und Sachs. Und dazwischen das Ohlauer Moor, in dem alle Süßigkeit ist geronnen wie Milch unterm Lab. Und erhitzten sich beid an einander – Herbigkeit und Bitternis – bis ein düster Feuer aufschlug und aus Karthaun und Musket leibhaftig elementarisch fuhr.

      Und Breslau?

      Indem ichs schreib und innehalt, regt sich kein Schall. Die Nacht schleicht auf Spinnenbeinen einher, kannst nit hören und weißt dannoch, daß sie alles betast und durch Lucken und Ritzen ihre Bangigkeit haucht. Hätt Gott der lebendigen Kreatur kein Schlaf verliehen, weiß nit, wie viel Herzen verzageten um diese Stund. Mußt schon alt gnug sein, Schnee muß über dir liegen und manniche Nacht muß in heimlicher Seelennot verwacht sein, bis du die Süße schmecktest auch aus dem nächtigen Bangen.

      Und am selbigen Tag, da über dem Ohlauer Moor sich Herbigkeit und Bitternis elementarisch entzündt, bleibt auch der Sunn Müh umbsunst. Da schleicht das Bangen der Nacht durch Breslau mitten am Tag. Bleibt vor jedem Haus stehn, schielt ins kleinest Fenster, tritt ein durch alle Türen, folgt jedem Schritt. Die Gassen lauscht so ängstlich, daß sich keiner leichten Muts vom Haus wagt und jeder hastet, so schnell er kann, unter sein Dach.

      Deine liebe Margret steht am Herd. Das Feuer prasselt lustig und der Brühentopf summt. Sunst ging die Arbeit hurtig gen Mittag zu, als wie die Rößlein ausgreifen, da Kripp und Raufe winken. Aber Selbsten der Jung macht dermalen keine hungrigen Augen. Es hängt sich uns an Arm und Hand, druckt einen bangen Finger auf unsre Lippen, pocht schwer und dumpf an unser Ohr, als pocheten Feldschlangen und Musketensalven.

      Und dann, derweil wir schweigend essen, verstummt derselbig Donner. Ist, als wenn eine Uhr aufhört zu ticken. Wir lauschen in die Leer. Unsere Löffel finden nimmer den Mund; wir stehen doch nit auf. Schauen in die Weiten, als seie unser Gadem mit eins auf Meilen im Raum gewachsen. Lauschen auf den grausamen Perpendikul unserer Zeit; der hebt aber nimmer an und bleibt stumm.

      Beginnt unser klein Joachim zu greinen und das Christlein ist allsogleich dabei. Wimmern kläglich die Kinder, dann es hat das bange Schweigen ihre kleinen warmen Herzen in die frostige Hand genommen und bläst sie eisig an, daß sie zittern wie Vöglein, so aus dem Nest gefallen.

      Was hats draußen über dem Ohlauer Moor? Wollen die Kaiserlichen auf Breslau Retirade nehmen? Davor sei Gott! Sunst brennet Schwed und Sachs unsre liebe Stadt als ein Gegenspiel vor Magdeburg!

      Sag ich zu dir: „Basil, mußt gehn und fragen!“

      Sähe dich die liebe Margret schon voll Ängsten gehn, nur zu fragen, wie solls erst um das jammernd Weib werden, wann der Schwed vor den Toren liegt? – Also sein die Frauenzimmer, sehen gar freundlich das Gewaffen an ihren Männern blinken, so es zum Königsschießen im Werder geht und der Mann recht Pomeranzen und Zitronen oder gar ein silbern Becher bringt: Seht, den hat mein Liebster erschossen! Aber gehts drauf und dran, möchten sie wohl, du hättest allerweg ein Quark troffen, den Nesselkranz getragen anstatt der Schützenröslein und den Dudelsack zu hören gekriegt, nit aber Trumpeten und Pauken – nur daß man dich nit auf ein scharfen Posten stell, als einem guten Schützen wohl ziemt.

      (Nunmehr ist ihr gewohnt, daß du jed andre Nacht auf Wache ziehst, und ich schreibs nur, weils von der Liebe zeugt.)

      Ich und der Bub machen ohn freien Willen Feierabend, und ich druck mich in unser verschwiegen Gelaß, wo dein gottseliger Ahn, der Meister Siegemund Wutke, sein chimischen Ofen eingericht.

      Hat auch den Stein gesucht, hat auch aller Kunst guldnen Schluß erträumet und hat nur eine Tinctura gefunden, so das Leder erweichet und dannoch festiget, daß keine Feucht könnt hindurch dringen und die Schuh gleichwohl nit schmierig und blind aussehn, vielmehr spiegeln und glänzen. Sein viel gewest, die hundert und hundertmal mehr an die Ars Magna gewendt und nit einmal Schuhwichs, geschweig eine so fürtreffliche Tinctura erfunden haben. Glaub aber immer, deine Großmutter Magdalen seie mit dahinter gesteckt, dann sie hatt allezeit einen Sinn vor Practica (nit solliche in Astrologia, sundern im Alltag.)

      Du

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