Meister Joachim Pausewang. Erwin Guido Kolbenheyer

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Meister Joachim Pausewang - Erwin Guido Kolbenheyer

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Sunn nachhange und an unser Summerhäusl denk, wo ich deine liebe Mutter Christin weinen sähe, als ich des Chrysander Zettlein gebracht, indem er auf die hohe Schul gen Prag zog, und wo ich die hundert Kirschen auflas, so ihr aus der Schürzen gefallen waren – wie ich also einer fernen Zeit und einer versunkenen Sunn nachhange, trittst du nahe zu mir: „Vater, sehet dort!“

      Brechen die ersten Reutter aus dem Erlenbusch, wo die Leichnamsmühl gestanden, sprengen an den Elbinger Kopf unserer langen Bruck. Alsbald folgen die müden Haufen und schieben sich auf die Bruck, daß der Donner zu uns herüberhallt. Herr Burgemeister von Flandrian hat aber alle Tor schließen und hat aufziehen lassen.

      Kummt der Befehl, unser Fähnlein sollet sich gen das Odertor sammlen. War ein Rennen und Stoßen. Wir faßten beim rechten Turm Posto, wo unser schwerest Geschütz liegt. Der Graf von Donau und Herzog Heinrich Wenzel standen nit weit, und saget uns der jung Kilian Kretschmer, daß der Graf lästerlich geschworen hätt, weil der Burgemeister die Tor geschlossen.

      Wir beid kamen alsbald in Stand, rührten frisch Zündkraut auf, Blei war schon geladen.

      Vom Elbinger Ufer drang ein wüst Geschrei und infernalisch Durcheinander. Vom kaiserlichen Geschütz und Wagen war nit ein Rad zu sehen; mochten alls in Feindeshand gelassen han, was sich nachher auch allso erwiese. War eine wilde Flucht. Ergossen sich die zuchtlosen Haufen in den Werder, schrieen uns über den Graben zu, wir sollten gutwillig auftun oder zu essen und trinken schicken, sunst wollten sie sichs holen. Kunnten sie aber schreien lassen, dann sie waren ganz ausgenommen, warfen sich zumeist auf den Boden und rührten sich nit, als wären sie geprellt. Die Letzten drüben zerrissen in Eil einen Schober Stroh, häuften’s auf der Brucken. Steckten die Bruck in Brand. Das Feuer wuchs bald an Licht, der Abend war schon tief erdunklet. Und sähe die lange Bruck wie eine Fackel aus. Unter den Erlen bei der Leichnamsmühl nistet schon die Nacht. Kunnten also nit ehender sehen, daß der Schwed anritt, bis er in den Feuerschein kam. Er machet sich allsogleich dran, das Feuer zu zerstoßen.

      Da erhob sich vor uns ein Geschrei. Der Graf von Donau hatt dem Hans Temmeritzen, Büchsenmeister beim groben Geschütz, Befehl geben, eins auf den Schweden zu lösen. Des weigert sich Hans Temmeritz, indem der Rat solichs nit geheißen. Also rieht der Graf von Donau selbst die ,Alt Sau“ (oder auch ,Simson‘ benannt) und kunntens ihm nit wehren, dann der Herzog Heinrich Wenzel war nit mehr hie. Gab ein erschrecklichen Donnerschlag, daß wir allesamt wichen und eine Taubheit in unsre Ohren fuhr, als wenn man im fließenden Wasser taucht. War ein Glück, daß er nit den ,Rinozerum‘ gelöset, der ist noch einmal so schwer als die ,Alt Sau“; denk mir, der hätt uns das Gehör zerbellt. Der Hans Temmeritz aber rief: „Nu ist verspielt! Der Sachs und Schwed wird die Antwort nit schuldig bleiben.“ Die Kaiserlichen schrieen im Jubel laut und riefen, wir sollten das Tor auftun. Auch in der Wallgassen waren die Leut zusammengeloffen, schrieen desgleichen, aber vor Jammer und Zorn, dann sie vermeinend, der Schwed müsse allsogleich die Stadt beschießen.

      Eilet Herr Burgemeister von Flandrian herzu, im Gesicht weiß vor Grimm und bebend, er forschet streng, wer so zuchtlos gehandelt und mit der Not der Stadt so freventlich gespielt. Kunnt zwar den Grafen von Donau nicht tasten, wies ihn aber vom Wall und befahl ihm stante pede die Stadt zu verlassen.

      Das Volk drunten fiel über den Grafen her, hätt ihn, weiß Gott, zu Schanden geschlagen, so ihn nit der von Dobschitz in sein Wagen aufgenommen und durchs Schweidnitzer Tor gebracht. Indem hat auch der Burgemeister dem kaiserlichen Obristen Rostock auf Ratsbeschluß die Stadt verweigert, zogen also die Kaiserlichen längs der Mauer ab, kunnten gottlob nit sengen noch plündern, daß der Schwed ihren Weg nit gewahret.

      Der Schwed aber schoß nit, zerstieß nur das Feuer. War wunderlich zu schauen: als hab König Luzifer die Kriegsernt von so viel Jahren auf unsrer langen Bruck gehäufet, und schorfelten nun seine Knecht die Frucht. Stachen mit ihren Piken in die Glut, oft zween und drei an einem Schaft und warfen Bund um Bund in weitem Bogen nach beiden Seiten aus. Stob je ein Regen glühender Spreu in die Luft, das Stroh flammet im Falle hell auf, dann triebs eine Weil, zuckend wie ein verreckend Tier und ward verschlungen. So sank der Brand. Währet nit lang, und auch das letzt Fünklein war von Nacht und Nebel aufgesogen. Drüben lag Ruh. Brannten kein Feuer, dann sie waren des Friedens unsrer Stadt nit sicher. Hieben lag Ruh. Die Stern schwammen im Dunst, trüb und übelhumorig.

      Da legtest du, mein Basil, deinen Mantel um meine Schultern, dieweil des Herbstes Herbigkeit sein flockigen Nebelbarchant über den dunklen Oderspiegel breitet, und du sagtest:

      „Ihr sollet nit frieren, Vater, um meines Weibs willen.“

      Zog dich nieder zu mir und schlug deinen Mantel um dich und mich, also saßen wir schweigend, dicht bei einander, und wir schameten uns fast. Du saßest ganz still und ehrtest meine Lieb, obgleich etliche Schritt von uns Männer deines Alters lagen und den Krug gehen ließen.

      Mein Basil, darumb so sitz ich nun in unsrer chimischen Küchel, derweil du draußen stehst und auf die Dom-Insul lugst. Ich red zu dir, mein einzig Blut, das leben soll, wenn meine Feder vor alle Zeit schweigt. Und wenn mein Aug verloschen ist, sollst du aus diesen Blättern vernehmen, daß du mir selbigs Mal mein Herz erwärmt hast, nit nur meine alten Knochen. Da ist mir meines Herzens Wärm aufgestiegen als das süßest Quellwasser und hat mein Aug gefeuchtet, ohnmerklich freilich deinem Blicke. Dann Männer sollen nit an einander verschweigen, das ziemt kaum Liebesleuten. Bin ich aber tot, so magst du es wissen und ehren.

      Hab oft gesehen, wie sich Vater und Sohn gen einander erhitzt und einander feindlich trieben, als die Herbigkeit die Bitternis treibet, und war keine süße Qualität zwischen beiden, so das wild Zornfeuer gesänftigt hätt; und will mir gleichwohl bedünken, es seie nichts, dann die verkehret Zärtlichkeit gewest. Wenn die sich umkehrt, gleicht sie ganz dem Skorpion im Feuer, der stößt den Stachel in sein eigen Herz und kummt vor Gift um. Will mich gleichwohl bedünken, daß sollichs Gift und Böswilligkeit zwischen Vater und Sohn besser seie, dann eine süßliche Fäul, daraus sich ein aufgeschwollen Pestilenz und Verderbung des Fleisches gebäret, wie der Meister Jakob erwiesen. Nichts kann den Mann mehr beschämen, als eine Zärtlichkeit wider sein eigen Geschlecht, darinnen kein mutvoll Ringen und selig Ernten liegt. Und es ist besser, der Mann verzehre sich in bitterem Willen, dann er verzärtele.

      Also saßen wir still bei einand. Ich fühlet mit Freuden, daß du nur schwer deine Scham bezwangst, um den Vater zu wärmen. Verwunderte mich desgleichen, daß ich nur selten von jenseitigen Dingen mit dir gesprochen, da ich doch wußt, wie dein Gemüt der holden Besinnlichkeit geneigt seie. Dann wir sein allezeit bereit, unsre Perlen in ein fremden Schweinkober zu schütten, aber gar selten, den grauen Habit des Alltags von deren Schultern zu ziehen, die aus dem nämlichen Wasserkrug mit uns trinken. Daraus erwächst manch unnütz Einsiedelei, Verschüchterung des Gemüts und wohl auch Dünkel. Indem ich so dacht, strich die sanfte Hand Philosophiae über mein’ Scheitel und wir sprachen, wie doch alle Confession ein Stückwerk seie und, anstatt den Frieden zu vollenden, dem Teufel ihre Blößen erwiese, darein er im Nu sein bösen Willen geußt und so aus Theologia Politicam machet. Und du forschtest in mir, wie es wär, daß Gott sich durch den lieben Doktor Martinum neu erschlossen, und seie gleichwohl nit die Kraft in der Confessio, alle zu zwingen.

      Darauf ich: „Solche liegt in keiner Confessio und kann nit.“

      Du aber mit Besorgnis: „Vater, Ihr seid doch gut lutherisch?“

      „Bin gut lutherisch, weil darinnen die meist Freiheit lieget. Bin lutherisch, wo verlangt wird zu bekennen. Aber Gott liegt in keim Bekenntnis, da sein der Wort zuviel. Dann unsre elementarischen Wort gleichen ganz dem brennend Stroh: ist ein Aufsehen, Funken, Flammen und Schein, du meinst, nu ist aller Finsternis ein End. Und gehst du hin nach einer Weil und schaust, liegt nichts da, als ein verdorret Aschensalz, das der Wind zerbläst. So einer witzig ist, wirft er’s in den Laugenkrug und geht damit baden. Beißt wohl die Haut rein von Staub und Schweiß, dringt aber nit zu Herzen. Sein allzuviel Redner und

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