Meister Joachim Pausewang. Erwin Guido Kolbenheyer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Meister Joachim Pausewang - Erwin Guido Kolbenheyer страница 7

Meister Joachim Pausewang - Erwin Guido Kolbenheyer

Скачать книгу

er von Prag oder Dräsn kummt? (Wird aber die letzt Trumpet erschallen und alle Wesen herfürlocken, es werden die Zeichen sein, so auf ihnen ruhen, die werden alsdann sprechen. Drum eben hab nit Angst, mein Sohn Basil: Gott wird das Papier nit ansehn, so es gleich grau und grobkörnicht war, Gott siehet nicht den Leib, noch die Erdenkrum, die an ihm hanget. Sündern allein was aus Not und Freud, aus Irrtum und Erkenntnis, was aus Laster und Reinheit vor Zeichen ist dir erwachsen. Das bleibt in Zeit und Ewigkeit dein Teil und ist die Stimm, so dir vom Leben auferlegt ward, ist die Entäußerung deines elementarischen Wesens in ihm selbst. – Darum mißtraue denen Auctoribus und Scribenten, die nit acht haben auf den schwarzen Tropf, so ihr Kiel aus dem Fäßlein zeucht, die desgleichen vermeinen, das Papier seie geduldig. Dann wer die Mittel vor nichts achtet, der schätzet auch die Zeichen gering. Die Zeichen aber schreien nach dem Gewissen.)

      Saß in den dreien Nächten harrend vor dem Pult. Das unbeschrieben Blatt wuchs vor meinen Augen in die Weite, umfloß mich wie ein erstaunlichs Gefild, darauf ein großer Himmel ruhet. Das Gefild war von reifen Ähren übergüldt. Indem ich meinen Blick schweifen ließ, erhob sich ein Sturm. Das wogend Rauschen schwoll allumher, und aus den Wogentalen tauchten Stein um Stein: ein Totenacker, über dem das Korn wallt. Durch den Sturm aber ging die gewaltig Sehnsucht, bitter, heftig, voll drängender Not, bis sich der quellend Wunsch an ihm selbst entzündt und zum Wortblitz erstarret. Der Blitz stand über dem weiten, brausenden Feld, und aus ihm rief der Donner, daß es unter meinen Füßen wanket und ich vom Fieber geritten ward. „Erwachet!“, allso riefs. Barst Stein um Stein. Daraus hob sich meines Lebens Näh und Fern und schrie mich an: „Joachim, sieh mich! Joachim, nun zittere du!“

      Endlos tobet das Gedräng. Sie stampfeten die gülden Saat nieder unter ihrem wilden Getrampel, stürmeten also herbei, all meines Lebens Gestalten aus Näh und Fern, in bunten Kasack en, in grauen Säcken, in schwarzen Talaren. Hoben ihre Faust wider mich auf und brülleten: „Hast midi schmählich verleugnet! Hast mich aufn Mist geworfen! Hast mir ein Luglarven umtan!“ Waren ihrer wenig, so mich freundlich grüßten und mir zuwinkten! Ich stand inmitten: ein Feldhauptmann, den die losen, rottierend Haufen um Sold anschreien, er aber weiß, seine Truhen sein hohl wie Pauken. Wußt mir nit Rat wider mein eigen Leben, das nah und näher brausete. Und wie die Schwalb vor dem Wetter duckend über den Boden huscht, so tauchten meine gespreizten Händ nieder ins Korn, rauften je eine Handvoll Halm und schwangen sie denen entgegen: „Sehet mein gülden Korn! Ihr sollt mirs nimmer zertramplen!“ Und die reife Frucht lösete sich aus den geschwungnen Ähren; war wie ein Goldregen über meines Lebens Gestalten allen. Hagelte in ihre Herzen. Also erstarrete die drangvolle Woge vor mir, türmet sich hoch und sank zurück. Ergoß sich über das weite Feld und jeglicher Stein verschlang das Seine. Es reckten sich die Halm neu. Ein leiser Kornduft und Schmack der satten Erd wallet drüber hin.

      Erhob sich die Stimm in meinem Herzen, so immer bei mir gewest, wenn mich des Lebens Mühsal fast übermannet, und sie klang über das weite Feld hin: „Ich will euch rufen, jeden an seinem Feierabend!“ Aus den Steinen scholls dawider: „Wir hören!“

      So ich meines Vaters, Pätzke Pausewang, gedenk, jucket midi jetzund noch Buckel und Hinterleder, gleichwohl mein Haar grau ist. Wer meine Mutter Sibylla ist gewest, des hab ich keine entschieden Kund. Fraget ich meinen Herrn Vater nach ihr, sähe er mich unter einer finstern Stirn starr an und knurret: „Laß die Toten ruhn, grüner Fant!“ Weiß allein, daß sie eines freien Mannes Kind war und die einzig Tochter auf der Wolfshufen zu Erlau im Kurkreis. Auf besagter Hufen, wo ich geborn, ist jedoch das grundherrlich Privilegium eines Wirtslehens gelegen. Hing also immer eine Stangen aus mit dem Krug daran. Kehrten alle Kaufleut ein, so von Leipzig und Dräsn Pfeffer, von Breslau Garn und Leinwand führeten. Die Leipziger riefen meinem Vater: ,He, Krüger!' – die von Breslau: ,Ho, Kretschmer!' – so einer aus Franken kam:

      ,Schenk, hallo!' – zog einer gar mit Welschwein, Bozner und Traminer gen Krakau, kunnt ich den ,Tabernario!‘ rufen hörn. Derhalben ich glaubet, mein Herr Vater seie auf der ganzen Welt bekannt, indem ihm jeglichs Land einen andern Titul verliehen.

      Er aber stand breit und gespreizet unterm Tor, als wurzelten seine Sohlen im Boden. Es strammten sich seine starken Waden, seine verschlungnen Arm preßten sich für die breit Brust und sein Gesicht ward puterrot. Also maß er einen schreienden Kaufmann vom Käpplein bis zum Fürschuh.

      „Pätzke Pausewang bin ich benamset, du Leipziger Pfeffersack, du Breslauer Ellenschinder! Kannst he und ho deine triefenden Mähren auf der Landstraß fürdertreiben! Hie ist die Wolfshufen, da gilt keins andern He und Ho dann das mein. Auf Dräsn und Leipzig ist noch ein gut Stück, da kunnt dir He und Ho in der Gurgel dörren!“

      Sprang also der Kaufmann von seim Gaul, lüftet er’s Käpplein und bat um Herberg, dann reichet ihm mein Herr Vater die Hand und wies die Knecht an, das fahrend Gesind zu versorgen; er führet den Kaufmann in die Stub, bot ihm den Willkomm, fraget ihn zierlich nach der ehrbaren Zunft zu Leipzig und Breslen und rief nach einigem Verweilen den Altknecht Kilian, empfahl ihm den höflichen Gast. Bestund aber einer mit grobem Unflat auf seim Herbergsrecht, so mußt ihm das Baurenloch gnügen, wohin mein Vater das gehrend Gesindel und die Vagabondie wies; und bekam selbiger, was ihm zustund: ein saures Weinlein und Roggenbrot. So verfuhr mein Herr Vater auch dazumal noch, als die Wolfshufen schier gänzlich den Stolpener Pfaffen gehöret.

      Stieg aber ein nasser Vogel vom Gaul mit einer Feuernas im Gesicht und feuehtlustigem Augenblinzlen, dann sähe ich meines Vaters Brust schwellen und seine Nüstern schnauben; ging ein Zittern durch ihn, wie ein Hengst im Lenz vorm Stutenstall schaudert. Sein Geblüt wich aus’m Gesicht und schoß wieder auf, seine bebenden Lefzen kunnten den Gruß kaum erpressen, aber er bot dem Gast die Händ beid und schüttlet sie also inniglich, daß ich darauf spannet, ob er ihn möcht ans Herz drücken – so gierig grüßet er einen solchen. Führet ihn feierlich in sein kühlest Kämmerlein, atzet ihn wohl, als ein Herzog seinen trefflichsten Turnierer, mit dem er morgen ein scharf Rennen bestehen möcht. Und sparet nit Pfefferhecht und Aal in scharfer Lauchbrüh. Saß ihm gegenüber und nötiget ihn, würzet das Mahl mit Schnurren und sah ihn dabei an als wie Junker Gassander sein feist Gretelein. Ich aber mußt ihnen zutragen. Hab meinen Herrn Vater nirgend so freundlich gesehen als vor einer Feuernas.

      Dann probeten sie förderst den rotglühenden Zinobel, des Herbe sollt den Lauch- und Pfefferbrand schüren. Setzten darauf vom Bacheracher Gold so viel Gläslein, als Ring an einer Ritterketten sein, den Purpurmantel Zinobel stattlich zu zieren. Flochten darüber ein Posament von Neckarperlen. Also stund König Bacchus in stolzem Faltenfluß vor ihnen.

      Sie schwiegen beid. Schaueten einander in die Augen, als zween Gesellen, traut von Jugend auf. Was kunnt ihnen ein flüchtigs Wort bedeuten! Das eingehet zum Mund, ist gut – das durch die Lippen fährt, daran hängt sich der Teufel. Und mocht dem Gast der Kopf sinken, rüttlet mein Vater ihn auf.

      „Uns fehlet noch Krön und Stein! Willst du schon aufs Estrich fallen und prahlest mit solch einer Feuernas? Italia soll dich krönen als römischen Kaiser dieser Nacht, und Gräcia soll deine Krön mit Stein bestreuen! “

      Also bracht ich Reinval und Malvasier, und sie krönten Bacchum mit rotem Gold und dunkelem Topas. Mich überkam kein Schlaf. Kunnt kein Aug von meinem Herrn Vater verwenden. Der saß wie ein steinen Bild so hoch und steif und schauet: in seins Kompani Aug, aber jetz nit mehr liebreich und sanft – herrisch und hart schossen seine Flammen, durchbrannten das glastige Stieren des andern, solang da noch ein Fünklein Weinlust innen schwamm. Bis endlich der Fahrend niederbrach als wie ein gefälleter Pappelbaum und steif und weintot am Boden lag.

      Dann strich mein Herr Vater wohl das ein und ander Mal sein Duppelbart, und seine starken Zähn blitzten blank im Lichtschein. Ich lauschet gespannt hin, dann es kunnt zu sollicher Gelegenheit sein, daß er mit leiser, feiner Stimm anhob:

      „Er setzt sein Gläslein für den Mund,

      Krauseminte,

      Er

Скачать книгу