Completely - Gesamtausgabe. Mej Dark

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entfuhr es Mama. Es sah aus, als fiele sie jeden Moment in Ohnmacht.

      Ich lachte laut über diesen Quatsch. Die Ärzte erklärten jeden für verrückt, der anders als sie selbst erschien. Die ganze Welt war für sie krank und behandlungsbedürftig. Es gab für sie keine Gesunden, sondern nur nicht gründlich genug Untersuchte. Natürlich stand ihr Diagnosewahn in direkter Beziehung zu ihrer grenzenlosen Geldgier. Nicht ohne Grund hatte Casanova die Ärzte, die ihn zur Ader lassen wollten, mit seiner Pistole davongejagt. Wenn man lange leben wollte, sollte man diesen Berufsstand konsequent meiden.

       Der Doktor funkelte mich böse an. Er hielt sich wohl für besonders schlau und wollte mir meine ironische Bemerkung von vorhin heimzahlen. Wir mochten uns nicht. Das stand fest.

      „Die mathematische Überaktivität, verbunden mit seinem jugendlichen Geschlechtstrieb, hat eine Überhitzung der inneren Säfte bewirkt. Sein Blut gerinnt bereits“, ängstigte er die anderen weiter.

      „Das ist doch Schwachsinn!“, warf ich nochmals ein. „Da klumpt nichts!“

      Doch keiner hörte auf mich. Sie glotzten erschrocken die übergroße Nase an, als wäre ich Luft.

      „Sehen Sie, meine Kostbare?“, fuhr der Lügner mit kalter Stimme fort. „Den Erkrankten geht in der Regel jede Einsichtsfähigkeit verloren. Sie halten sich deswegen für vollkommen gesund.“

      Alle schauten mich mitleidig an. Der Gesandte des Ministers umklammerte erschrocken den Ordner und war wohl insgeheim froh, dass ich die Arbeit überhaupt noch geschafft hatte.

      Dieser ärztliche Schurke war wirklich gewieft. Sagte ich jetzt, ich wäre gesund oder schmisse ich ihn aus dem Haus, hielten sie mich erst recht für behandlungsbedürftig. Ich war noch nicht volljährig und somit den Anordnungen meiner Mama ausgeliefert. Sein teuflischer Plan funktionierte.

      „Wie wäre es mit einer Kur auf dem Lande?“, fragte meine Mutter den Scharlatan. „Alle kuren doch heutzutage.“

      Der Mistkerl machte ein nachdenkliches Gesicht. Gewiss wollte er mich nur loswerden, um sich ungestört an meine Mutter und unser Geld heranzumachen. Ein kluges Söhnchen im Haus war da nur hinderlich. Andererseits wollte er in diesem Moment vertrauenswürdig erscheinen.

      „Das könnte durchaus hilfreich sein“, murmelte er nachdenklich. „Die Winde kühlen sein Blut. Es ist vielleicht seine letzte Chance.“ Insgeheim wog er ab, was diese zumindest zeitweilige Verbannung meiner Person für ihn an Vorteilen brachte.

      Wenn ich weniger wohlerzogen wäre, würde ich ihm an die Gurgel gehen. Der Hinterhältige wollte mich lieber heute als morgen kaltstellen. Es war erstaunlich wie viel Einfluss er auf meine Mutter bereits hatte. Diese war ihm verfallen.

      Beide beratschlagten gerade, welche bäurische Region für mich ideal sei, aber so schnell wollte ich mich nicht geschlagen geben. Außerdem hielt eine Kur mich nur auf. Mein Herz verlangte, dass ich meine große Liebe fand.

      „Ich habe keine Zeit für so etwas!“, rief ich aufgebracht dazwischen.

      „Sehen Sie, keine Einsichtsfähigkeit!“, bestätigte der Betrüger sein medizinisches Urteil.

      Alle warfen sich bedeutungsvolle Blicke zu. Ihr Urteil stand fest. Das Gefecht war für mich im Augenblick verloren.

      „Du fährst zu deinem Urgroßvater in die Black Hills“, entschied Mama aus dem Bauch heraus. „Er ist sehr betagt. Du kannst ihm Gesellschaft leisten und dabei deine angegriffenen Nerven erholen.“

      Der hinterhältige Medikus machte ein zweifelndes Gesicht. Diese Wendung gefiel ihm nicht so sehr. Er hätte mich doch lieber in der Anstalt gesehen.

      „Seit wann habe ich einen Urgroßvater? Ich kenne ihn gar nicht!“ Mein Inneres sträubte sich noch immer. Niemand hatte mir jemals von einem Verwandten in den abgelegenen Bergen erzählt. Lebten dort nicht noch immer Indianer? Zumindest war das Gebirge für diese heilig, da deren Geister dort angeblich hausten.

      „Dann wird es Zeit ihn kennenzulernen!“, schloss meine Mutter bestimmt ab. Sie wollte sich als Hausherrin präsentieren – als strenge Dame, die einen Sohn in die Schranken wies. „Dieser Urgroßvater ist der Vater der Mutter deines Vaters. Er wirkt vielleicht etwas merkwürdig und unmodern, jedoch immer noch rüstig, obwohl er bereits das hunderte Jahr überschritten hat. Zudem hat er gewisse medizinische Kenntnisse.“

      Alle drei nickten zustimmend, als wüssten sie, was das Beste für mich wäre. Ich stand wie ein Dummkopf da und hatte verloren.

      „Das werde ich nicht machen!“ Bockig verschränkte ich meine muskulösen Arme. Das Hemd spannte sich.

      „Welche Alternative gibt es?“, wandte sich meine Mama an den Arzt. Mein Widerspruch machte sie unsicher, denn sie liebte mich – und hoffentlich mehr als den Arzt.

      „Die Krankheit führt zum Verlust des Verstandes“, erklärte der Fiesling mit gespielt traurigem Gesicht. „Ich müsste ihn leider ansonsten ins Irrenhaus einweisen.“

      Seine Nase wirkte sehr zufrieden und das riesige Auge funkelte mich spöttisch hinter dem Monokel an. Zwinkerte er mir sogar höhnisch zu? Mir stockte der Atem, zugleich erahnte ich die reale Gefahr daraus und den hinterhältigen Plan. Der Kerl wollte mich loswerden, um so an mein Erbe zu kommen. Indessen sah meine Mutter den Arzt wie die personifizierte Hoffnung an, die Rettung für ihren Sohn.

      Nein, ich durfte auf keinen Fall in der Klapsmühle landen!

      „Ich wollte schon immer mal meine Verwandtschaft kennenlernen!“, übernahm ich nun selbst das Zepter, beschloss aber, es dem scheinheiligen Arzt so bald wie möglich heimzuzahlen. Die Schlacht war verloren, aber der Krieg noch nicht zu Ende. Dieser Teilsieg ging jedoch an ihn. Leider ließ sich meine Mutter wie alle alternden Frauen durch Komplimente und Schmeicheleien blenden. Eine Frau in den Zwanzigern ist wählerisch, eine über Vierzig nimmt jedoch jeden.

      Das Dreiergespann wirkte auf seine Weise zufrieden. Nur der Diener war offenbar noch auf meiner Seite und funkelte den Arzt böse von der Seite an. Der Gesandte nutzte den Moment, verabschiedete sich eilig und wünschte mir gute Besserung. Gleich darauf gingen meine Mutter und der Arzt vertraut miteinander tuschelnd davon. Seine knochigen Finger tätschelten dabei ungeniert ihren Hintern. Er drehte sich noch einmal kurz um, kniff sein riesig wirkendes Auge spottend hinter dem Monokel zu und machte mir eine boshafte Fratze.

      Ich war verärgert, aufgeregt und beschloss, die noch verbleibende Zeit in der Villa so gut wie möglich zu nutzen. Wie gern hätte ich jetzt Grace hier gehabt, ihre Nähe gefühlt und in ihre schönen Augen gesehen. Ja, sie war wunderschön. Sie erschien mir nach den letzten Erlebnissen wie ein Engel des Lichts, fast vollkommen. Sicher hätte Grace mein Herz ganz gewonnen, wenn ich nicht schon eine andere lieben würde.

      Die seltsame Wahrsagerin

      Der Streit mit Grace und die geradezu bizarren Erlebnissen der letzten Tage blockierten meine Kreativität. Die verschiedensten Gedanken schossen gleich Kolibris kunterbunt und blitzschnell durch meinen Kopf. Ich kam einfach nicht weiter und trat bildlich auf der gleichen Stelle im Sumpf der Mathematik herum. Meinen unruhigen Geist zog es leider zu profanen Alltagsproblemen und zur Philosophiererei. Warum nur konnte ich ihn nicht auf mein wichtigstes Thema fokussieren?

      Natürlich tat mir Grace und das, was ich ihr in irgendwie dümmlicher Aufrichtigkeit gestanden hatte, leid.

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